Im Gespräch: Torsun von Egotronic über Politik, Die Ärzte und Faulheit
20.10.2017 | Ole Lange
AdW: Moin. Wie geht’s dir so?
Torsun: (singt) Willst du mit mir Drogen nehmen...? Nein, quatsch. Mir geht es sehr gut. Ich bin etwas müde, aber ich bin immer müde, wenn wir auf Tour sind. Wenn ich auf der Bühne stehe, kommt aber das Adrenalin.
AdW: „Keine Argumente“ ist nun ja schon einige Zeit draußen. Warum ist die Platte eigentlich so ein heftiges Punkalbum geworden?
Torsun: Ich hatte das Gefühl, dass die jetzt kommen musste und nach den letzten Platten ist das auch die logische Schlussfolgerung. Ich wusste, dass ich mal Bock auf genau etwas mehr Punk haben werde. Es ist ja aber dennoch eine Mischung. Klar, der Punk steht im Vordergrund, aber es gibt ja dennoch viele Lofi-Sounds. Ich hör halt auch gerne wieder Punk.
AdW: Gerne wieder? Hast du zwischendurch keinen Punk mehr gehört?
Torsun: Doch schon, immer mal wieder. Ich hatte aber zwischendurch auch Phasen, in der ich keine Musik gehört hatte. Und man kennt das ja. Es gibt immer wieder Zeiten, in der nicht wirklich die Musik rauskommt, die einen begeistert.
AdW: Welche Platten bewegen dich denn da zur Zeit?
Torsun: Jetzt gerade höre ich viel Lil Peep. Das neue Album von ihm ist echt geil. Der macht mit Indie und Rocksamples richtig gute Trap-Beats und singt da cooles Zeug drüber. Ansonsten höre ich doch mehr altes Zeug, wie The Vipers zum Beispiel, was für mich aber immer noch sehr frisch ist.
AdW: Du bist ja doch sehr viel im Studio unterwegs. Wenn ich gerade an den Song „Ihr wollt Arbeit, ich will schlafen“ denke, wünscht du dir dann manchmal nur noch auf Tour zu sein, oder macht dir die Arbeit im Studio noch Spaß?
Torsun: Wenn man im Studio ist, ist das schon geil. Vor allem wenn man sieht, wenn was Neues rauskommt. Ansonsten bin ich doch sehr faul und liege die meiste Zeit im Bett und glotze irgendwelche Serien. Mittlerweile bin ich sogar zu faul um feiern zu gehen. Im kreativen Prozess ist es da echt das komplette Gegenteil. Da arbeite ich sehr viel.
AdW: Du arbeitest ja viel mit Freunden. Mit welcher Band würdest du noch gerne ein Feature haben beziehungsweise zusammenarbeiten?
Torsun: Es war ja sowieso schon großartig, dass wir Rod von Die Ärzte mit auf die Platte bekommen haben. Das war wirklich ein Wunsch, weil Die Ärzte die erste Band war, von der ich richtig Fan war. Die haben mich schon mein ganzes Leben begleitet. Unbedingt will ich mal einen Song mit Andreas Dorau, weil es ohne ihn wahrscheinlich Egotronic nie gegeben hätte. Das fand ich beim Hip-Hop schon immer geil, dass es dabei immer wieder Features gab.
AdW: Wie ist es denn zum Feature mit Rod gekommen?
Torsun: Ich kenn ihn schon ziemlich lange. Laut Rod sogar länger als ich dachte. Da war ich 19 Jahre oder so, er war noch als Tontechniker von Slime unterwegs und mein Kumpel hatte Merch für die gemacht. Da sind die halt zusammen auf ein Konzert von mir gegangen und dann hat mein Mitbewohner Erik Schunder, über den übrigens der Schunder-Song erzählt, mich mitgenommen um für Die Ärzte zu arbeiten. Irgendwann hat er gemerkt, dass er wieder Lust auf Gitarre hat und meinte auch schon zu mir, dass er Bock hätte, was mit mir zu machen. Und dann habe ich ihn halt einfach bei dieser Platte mal gefragt und er hatte Bock und Zeit. Und ich hoffe, dass das beim nächsten Album wieder passieren kann.
AdW: Ganz einfache Frage: Was nervt dich eigentlich nicht? Wenn man an den Song „Ich weiß, die Welt riecht streng nach Pisse“ denkt...
Torsun: Haha, ja. Gute Frage. Leider gibt es derzeit nicht viel, was mich nicht nervt, gerade wenn man an den politischen Exkurs denkt. Mittlerweile spiele ich wirklich mit dem Gedanken auszuwandern, wenn es halt in dieser Geschwindigkeit weiter nach rechts geht. Jemandem wie mir bleibt dabei wahrscheinlich keine andere Chance. Ich habe jetzt Ewigkeiten lang Deutschland auf Platte beleidigt. Wenn die Schweine an die Macht kommen brauch ich mich da ja auch nicht umgucken. Es nimmt aber wirklich langsam Formen an und ich habe keine Lust, in irgendeinem Fascho-Knast zu sitzen. Die anderen Parteien haben ja schon in Sachen Rechts radikal zugenommen. Das Asylgestz ist verschärft, das Polizeigesetz wurde extremisiert, sodass die eigentlich machen können was die wollen, und dagegen gab es nicht mal Proteste. Das hat ja nicht mal die AfD gemacht. Rot-Schwarz haben das Gesetz verabschiedet.
AdW: Was sollte man aus deiner Sicht anders machen?
Torsun: Es ist ja wirklich ein Problem, dass die Leute nicht nachdenken. Man könnte sich ja als Schwächste zusammentun, aber stattdessen wird immer weiter nach unten getreten. Ich bin mit meinem Latein da wirklich langsam am Ende. Von einem revolutionären Klassenkampf sind wir ja weit entfernt. Leute werden nicht erreicht und wollen Rechts wählen, nicht um gegen etwas zu trotzen, sondern weil sie das halt wollen. Man kann nur hoffen, dass es sich wieder zum Besseren wendet.
AdW: Denkst du, dass die AfD jetzt, da sie im Bundestag sitzt, wieder abschwächt, da Leute eventuell mitbekommen, dass sich da auch nicht so viel tut wie versprochen?
Torsun: Das kann passieren. In den 90ern habe ich sowas schon gefürchtet. In der Zeit bin ich eigentlich Antifaschist geworden. Damals wurden NPD, Republikaner und so weiter immer stärker. Die Republikaner hatten einen kurzen Run und danach wurden sie vergessen. Dennoch gibt es die Gesetze ja. Die Gesellschaft hat schon jetzt einen riesigen Schritt nach rechts gemacht. Ich befürchte aber eher, dass es noch viel schlimmer wird als es jetzt ist. Um aber auf die eigentliche Frage aber zurückzukommen: Es nervt sehr viel. Was nicht nervt, sind meine Frau, meine Tochter und meine Miezen. Konzerte sind auch immer wieder geil. So was nervt halt nicht.
AdW: Denkst du, das ist auch der Grund, warum Links nicht so weit nach vorne kommt? Vielleicht halt, weil die meisten Menschen sich denken, dass man sich lieber auf die kleinen Sachen konzentrieren sollte?
Torsun: Es ist ja schon immer schwer gewesen, unter Links eine Einigkeit zu formen. Die Linke hier ist zerstritten wegen Israel. Wegen einem Staat, der so groß ist wie Hessen. Aber die haben halt auch ein riesiges Antisemitismusproblem. Eigentlich bräuchte man einen riesigen Antifaschismusruck, aber das wird so schwer. Teile der Linken haben es einfach versäumt, sich an manche Streitereien ranzuhängen, zum Beispiel beim Bahnstreik, wo man hätte Solidarität zeigen können. Die haben es halt einfach verpeilt.
AdW: Von den Bundestagswahlen zurück zur Musik, besser gesagt allgemein zu anderen Dingen. Was ist das Größte, das sich seit 2005, dem Wechsel zu Audiolith, verändert hat?
Torsun: Das Krasseste war ja, dass Musik tatsächlich zu meinem Beruf geworden ist. Das ist wahrscheinlich das Beste was mir in meinem Leben passiert ist. Ich hatte ja echt keinen Plan B. Ansonsten habe ich halt wirklich viele coole Leute kennen gelernt. Musik war halt schon immer das Wichtigste in meinem Leben.
AdW: Machst du außerhalb von Egotronic eigentlich auch noch Musik?
Torsun: Klar! Derzeit mache ich viel Quatsch-Musik. Also ich versuche mich immer wieder an Trap-Sachen, in der Art wie Lil Peep, und singe darauf total breit irgendwelche Sachen drauf. Ganz ohne Musik könnte ich auch nicht. Dennoch ist es weniger als früher. Vielleicht ist das auch nur eine Alterssache. Mittlerweile habe ich halt auch Bock einfach nichts zu machen.
AdW: Was sollte denn eigentlich mal wieder sein, wie es mal war? Wenn sich für dich alles zum Guten gewendet hat, gibt es da nicht doch irgendwas, das mal besser war?
Torsun: Eigentlich bin ich ja absolut nicht der Typ, der sich denkt, dass früher alles besser war. Diese Entwicklung, gerade beim technischen Fortschritt, bin ich in der Zeit, in der ich lebe, super zufrieden. Mein erster Computer war damals ein Commodore 64. Da hatten noch alle gesagt, dass sich das sowieso nicht durchsetzen wird. Aber doch, das finde ich alles ziemlich cool. Eigentlich will ich gar nichts zurück, außer antifaschistische Großdemonstrationen, wie es sie in den 90ern gab.
AdW: Kann ich gut nachvollziehen. Wo soll denn dann die Reise für Egotronic noch hingehen? Soll noch irgendwas passieren? Und lassen sich deine persönlichen Wünsche damit eigentlich kombinieren?
Torsun: Ich habe eigentlich überall gespielt, wo ich mal spielen wollte. Dieses Jahr hat sich dann der letzte große Traum von Rock am Ring und Rock im Park erfüllt. Das hatte halt noch gefehlt. Mit der Musik bin ich im Prinzip an den Punkt gekommen, an dem ich alles erreicht hab, was ich erreichen wollte. Das Ziel bei der nächsten Platte ist natürlich aber wieder, dass sie anders als die anderen acht klingen soll. Das nächste Egotronic-Album wird aber erst frühestens 2020 erscheinen. 2019 möchte ich gerne mal gar nichts machen. Seit 2003 war ich jetzt jedes Jahr auf Tour. Es gilt halt wieder was zu finden, was geil klingt, aber was auch anders ist.
AdW: Das klingt jetzt schon sehr viel versprechend. Nun zu meiner letzten Frage: Was wäre Ashi, der Sänger von Captain Capa (Support) für dich als Tier?
Torsun: Ein Erdmännchen, haha.
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.