Interview mit PUP in Hamburg
01.03.2017 | Jakob Uhlig
Sänger Stefan Babcock hatte schwere Halsprobleme, auf die ein Arzt nur die erschreckende Diagnose hatte, die schließlich namensgebend für die Platte war. Beim Interview vor ihrer Show in Hamburg erzählt uns Gitarrist Steve von dem Umgang der Band mit diesem Thema, dem Hadern mit dem Schicksal – und warum PUP wie ein Strickpullover funktionieren.
Euer Album „The Dream Is Over“ hat vor allem mit der Geschichte
dahinter für viel Aufsehen gesorgt. Erinnerst du dich an den Moment, in
dem Stefan zum Arzt musste?
Ja, wir waren in Baltimore in Maryland, es war der erste Tag auf unserer
Tour mit Modern Baseball. Wir waren gerade mit den Aufnahmen zum
Album fertig. Stefan hatte seltsame Schmerzen im Hals, spuckte auch
ein wenig Blut. In Baltimore gab es ein Krankenhaus mit einer Abteilung
für Halsprobleme speziell bei Sängern, da sind wir mit ihm hingegangen. Als der Doktor Stefan mit einer Kamera untersuchte, sagte er nur: „The Dream Is Over“. Das war echt seltsam, der Beginn einer sechswöchigen Tour, und wir haben letztendlich fast alle Shows gespielt. Aber es war unheimlich, wir wussten nie ob irgendwann nicht der Tag kommen würde, an dem Stefans Stimme plötzlich versagt.
Habt ihr während dieser Tour den Worten des Arztes wirklich Glauben geschenkt?
Schon, schließlich hatte der Arzt ein Foto, auf dem man sehen konnte, dass es wirklich ernst war. Aber eine Tour besteht nunmal nicht nur aus
Feiern und Saufen, es gibt immer irgendein Problem. Es war eigentlich so, als ob wir einen Platten gehabt hätten. Damit muss man einfach umgehen. Stefan geht es jetzt gut, er muss ein bisschen auf seine Stimme achten, ansonsten liegt das Problem für uns aber in der Vergangenheit.
Es war, als würde das Leben voller Schadenfreude der Frust und der Wut, die wir in uns trugen, noch die Krone aufsetzen
Habt ihr während dieser Tour den Worten des Arztes wirklich Glauben geschenkt?
Schon, schließlich hatte der Arzt ein Foto, auf dem man sehen konnte, dass es wirklich ernst war. Aber eine Tour besteht nunmal nicht nur aus
Feiern und Saufen, es gibt immer irgendein Problem. Es war eigentlich so, als ob wir einen Platten gehabt hätten. Damit muss man einfach umgehen. Stefan geht es jetzt gut, er muss ein bisschen auf seine Stimme achten, ansonsten liegt das Problem für uns aber in der Vergangenheit.
Es ist interessant zu hören, dass das Album schon vor diesem Ereignis aufgenommen wurde, denn die neue Platte fühlt sich viel aggressiver und wütender an als euer Erstling. Fast, als hätte dieser Schock eure Musik dahingehend beeinflusst.
Andersherum hängen die Ereignisse ja auch tatsächlich zusammen. Hätte Stefan sich stimmlich nicht so verausgabt, wäre er wohl auch nie krank geworden. Aber es war schon interessant, wie sich in diesem Moment im Krankenhaus alle Kreise zu schließen schienen. Es war, als würde das Leben voller Schadenfreude der Frust und der Wut, die wir in uns trugen, noch die Krone aufsetzen.
Der Mann auf dem Albumcover liest gemütlich Zeitung, während rechts von ihm die Couch brennt. Es scheint, als würde er sein Problem einfach ignorieren. Habt ihr das in gewisser Weise auch gemacht?
Das Foto ist von einem Fotografen aus Philadelphia, den wir sehr mögen. Es schien uns sofort passend zu den Themen des Albums zu sein. Und ja, ich denke dieses Ignorieren beschreibt tatsächlich, wie wir eine Zeit lang gelebt haben, und auch wie die Welt, in der wir uns befinden, lebt. Ich denke, es sollte aber immer etwas Ungeplantes im Leben geben, und letztendlich bin ich sehr zufrieden, wie sich alles gefügt hat. Denn am Ende kam alles zusammen, und wir haben einfach eine gute Scheibe gemacht.
In der Band arbeiten wir als Team zusammen, kein Song wird alleine geschrieben. Dadurch bringt jeder seine eigene Perspektive in die Musik
Geht ihr denn immer ganz ungeplant an das Schreiben eines neuen Albums heran?
Das Einzige, was wir eigentlich tun, ist zu versuchen, gemeinsam an der Musik zu arbeiten. Wir sitzen lange in unserem Proberaum in Toronto, schreiben gemeinsam an Songs und gehen dann irgendwann ins Studio. Manche Songs sind zu diesem Zeitpunkt schon komplett fertig, andere erreichen dieses Stadium erst während den Aufnahmen. Wir experimentieren dann viel, und haben letztendlich eine Platte, die zwar in gewissen Teilen vor den Aufnahmen entstand, teilweise aber auch erst im letzten Moment den nötigen Feinschliff erhalten hat.
Hat sich die Entstehung von „The Dream Is Over“ denn stark von der ersten Platte unterschieden?
Es war in dem Sinne anders, als dass wir einfach ein bisschen mehr Zeit hatten, und dass ich glaube, dass wir durch das viele Touren einfach zu besseren Musikern geworden sind. Jeder kann nun noch besser mit den anderen zusammenarbeiten, und ich finde, das hört man auch. Das neue Album ist viel selbstbewusster und gewitzter als das erste. Die Aufnahmen selbst waren dann aber wieder das gewohnte Erlebnis. Vielleicht finden wir ja neue Wege für die dritte Platte, daran denken wir im Moment aber noch gar nicht.
Du weißt also noch nicht wirklich, in welche Richtung eure nächste Platte gehen könnte.
Nein, wir hatten im letzten Sommer einfach so wahnsinnig viel zu tun. Nach dieser Tour werden wir uns aber wahrscheinlich zu Hause hinsetzen und anfangen, neue Songs zu schreiben. Wir alle haben noch so viel Material auf unseren Handys, das wir gerne verarbeiten würden. Es gilt dann herauszufinden, welcher dieser kleinen Ausschnitte es wert ist, zu einem ganzen Song zu werden. Weiter als in dieser Phase sind wir aber noch nicht.
Die Sorge, ihren Sänger oder generell ein Mitglied zu verlieren, ist ein Problem, dem sich viele Bands früher oder später einmal stellen müssen. Glaubst du, dass der Ausstieg von einem von euch das Ende von PUP wäre?
Ja, das glaube ich tatsächlich. In der Band arbeiten wir als Team zusammen, kein Song wird alleine geschrieben. Dadurch bringt jeder seine eigene Perspektive in die Musik. Es ist ein bisschen wie bei einem Strickpullover: Würde man anfangen, einen Faden herauszuziehen, hätte man schnell gar keine Pullover mehr. Und dieser Pullover sind wir alle.
Könntest du denn sagen, welche Einflüsse welches Bandmitglied mitbringt?
Stefan hat eine sehr eigene und besondere Art, Gesangsmelodien zu schreiben. Nestor, unser Bassist, ist auch ein verdammt guter Gitarrenspieler, deswegen schreiben wir die Riffs manchmal zusammen. Zack hat ein großes Verständnis für Rhythmus und Struktur. So arbeiten wir als Band zusammen, und versuchen auch, abgefahrenen Sachen Raum zu geben. Stefan schreibt zum Beispiel manchmal Riffs in Siebenerrhytmen, was ziemlich untypisch klingt. Davon lassen wir uns aber nicht abhalten, wir wollen keiner Norm entsprechen. Das finde ich auch so toll an dieser Band, wir sind nicht einfach nur eine normale Punkband, das wäre mir auch zu langweilig. Ich komme etwa eher aus der Jazzszene, ich denke, davon bringe ich auch das ein oder andere Element in die Band. Für mich sind solche Bands die spannendsten, in denen alle Mitglieder ihre eigene Handschrift in die Musik bringen. Das beste Beispiel sind die Beatles: Jeder von ihnen war wichtig, und das war es auch, was ihre Musik so großartig und interessant gemacht hat.
Vielen Dank für das schöne Interview!
Review zum Album
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.