Interview mit Smile and Burn: Besser Sein Als Jetzt
13.05.2022 | Jan-Severin Irsch
Smile and Burn sind eine Berliner Punkband, sind seit über Zehn Jahren fleißig am Spielen, Touren und Alben schreiben und haben mit “Besser sein als Jetzt” ein hervorragendes Punkrock Album auf Deutsch geschrieben. Keine ruhige Minute, nur brachiale Energie, die auch von ihren Anfängen zeugt.
Kurzer Bandhintergrund: Philipp ist gebürtiger Mainzer, der sich in den 2000ern dazu entschieden hat nach Berlin zu ziehen, hat da dann relativ schnell die Berliner Hardcore/Punk Szene kennengelernt, darunter auch Ben Hartmann von Milliarden (die beiden hatten auch jahrelang ne Band zusammen) und aus dieser Bubble hat sich dann Smile and Burn gefunden. Nach mehreren erfolgreichen englischsprachigen Alben und dem Ausstieg zweier Bandmitglieder ist das Trio nun seit 2020 in der deutschen Sprache angekommen und bringt nun das zweite Album auf deutsch und zu dritt raus. “Dieses ganze Album und die EP ist nicht einem großen Plan gefolgt. Das ist alles sehr aus jucks und dollerei entstanden. Ich bin heilfroh, dass das alles fertig ist. Bisher ist ne schöne Resonanz gekommen und die Stimmung ist gut.” Hört man sich das Album in Gänze an, besticht der letzte Track direkt. “Computerspielen” heißt das Schmuckstück und wurde nicht nur von SAB, sondern auch von Bands und Künstlern wie Shoreline oder Emmerich vertont. “Wir haben diesen Song im Januar 2020 geschrieben. Beziehungsweise einfach vor uns hingespielt, und da eh alles abmikrofoniert war haben wir uns gedacht, dass wir einfach mal einen Take machen. Also das, was ich da singe ist eins zu eins das aus dem Bandraum. Das ist entstanden, wir hatten diesen Mitschnitt und fanden den halt witzig. Der Song hat aber keinen Hintergrund. Man kann versuchen sich in die tiefere Ebene reinzureden aber das ist halt alles quatsch.” Um Musiker zu bleiben und während Corona gewütet hat haben SAB also Songs geschrieben. Das Vorgängeralbum war bereits draußen, doch gab es dann ein paar Songs, die für eine Fortsetzung der “Morgen Anders” Geschichte nicht gepasst hätten. Deshalb wurde der Beschluss gefasst: Wir machen ein DIY Punkalbum. Auch wenn dieses Album nicht mit dem Hintergedanken entstanden ist, dass es ein weiterer Release wird, sondern eine B-Seite für ein nächstes Album.
"Besser sein als jetzt" sollte Anfangs nur auf Vinyl zu einem anderen Album, zum nächsten kommenden Album, erscheinen. Die Vinyl Presszeiten sind ja vollkommener Horror und dann haben wir gedacht, dass wir das eben als Beiwerk zum nächsten Album digital veröffentlichen. Allerdings wurde uns dann ans Herz gelegt daraus einen eigenständigen Release zu machen, weil die Platte zehn Songs stark ist und doch irgendwie besser geworden ist als wir gedacht haben. Dementsprechend ist es eben auch sozialkritisch wie immer aber einige Songs sind eben auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Deshalb ist diese Computerspielnummer drauf. Man will ja auch ab und zu einfach nix machen und nur zocken.” SAB sind selbst passionierte Zocker und daher haben sie quasi den Multiplayer für Ihre Musik freigeschaltet und Ihren Song an Künstler:innen und Bands ihres Vertrauens gegeben. Allerdings nur den Song ohne Gesang. “Ich hatte aber auch echt schlaflose Nächte. Man bringt da ein ernstes Album wie “Morgen Anders” raus und dann kommst du mit solchen Songs um die Ecke. Zum Beispiel “In vielen Farben” mit “Leck mich am Arsch mit eurem Stolz”. Das sind auch Sachen, die wir so unterschreiben und auch immer sagen würden, aber das so vertexten, so singen ist eigentlich nicht so unsere Art Musik zu machen. Man will ja auch nicht in so ne komische Richtung abdriften und dann bringst du so ne Nummer wie “Computer spielen” und dann checken die Leute vielleicht gar nicht mehr was wir hier machen.
Auf deutsch zu schreiben ist für Philipp “weiterhin gut, sodass ich mir einen Switch zurück auf englisch gar nicht mehr vorstellen kann, sag ich jetzt. Ich komme da mehr bei mir an.”
Sein Anspruch ist es das Kerngefühl zu treffen von dem was er sagen möchte, egal ob verklausuliert oder einfach, aber es muss etwas in ihm drin zum schwingen bringen. Die Englische Sprache ist runder und weniger Eckig als das Deutsche und erlaubt es so, für Philipp, besser Melodien zu finden. Dementsprechend ist es eine höhere Herausforderung auf deutsch, allerdings macht es mehr Spaß weil es sich ehrlicher anfühlt. Aber woher kommt der Startschuss für die Entscheidung, auf deutsch zu schreiben? Man könnte meinen, dass es der Vorschlag aus dem 2015 Video “Action Action” war (hervorragendes Musikvideo, sehr zu empfehlen), tatsächlich ist es aber das Cover zu “Alles Cool” von Jennifer Rostock gewesen, welches die Band 2019 veröffentlicht hat. “Das war der Moment, in dem wir alle gemerkt haben: Oh, das macht aber Spaß!”
Daraufhin ist man also beim Deutschen geblieben. Neben dieser Neuerung hat die Band im Laufe ihrer Karriere auch den Ausstieg zweier Bandmitglieder verkraften müssen. Vielleicht klingt “Morgen Anders” deshalb nach Verarbeitung und “Besser sein als Jetzt” als abgehakt. Philipp überlegt, beginnt den Satz ein paar mal neu und sagt schließlich: “Morgen Anders hat angefangen…es wurden Themen aufgemacht, dann hast du “Besser sein als Jetzt” zum Luft holen…inhaltlich und das was auf “Morgen Anders” aufgemacht wurde geht weiter auf nem anderen Album. Das neuste Album ist entstanden weil wir uns gedacht haben: Lass doch mal drei Hardcore-Punksongs schreiben, einfach so aus Jucks und Dollerei. Und daraus sind dann zehn entstanden.” In das jetzige Album spielt also auch die gute alte punkige “scheiß drauf” Attitüde rein. Die Texte sind zum Großteil von Gitarrist Sören und behandeln Themen, die die Band zwar schon immer einmal angehen wollte, aber eben nicht auf einer Platte wie “Morgen Anders”. Daraufhin kommt Philipp wieder auf die Frage zurück und sagt mir “dementsprechend ist "Morgen Anders" inhaltlich noch nicht abgeschlossen. Aber das Ganze ist kein Konzeptalbum. Jedes ernstgemeinte Album ist ein Seelen-Striptease und das war “Morgen Anders” auf jeden Fall. Das darauffolgende Album ist das sogar noch mehr. Aber “Besser sein als Jetzt" ist halt einfach ein Album aus einer anderen Zeit für die jetzige Zeit. Das ist ein Album was wir hätten schreiben wollen als wir angefangen haben Musik zu machen. Also Amps voll aufgedreht, volle Distortion, Hauptsache schnell. Und vor allem diese Einfachheit und dieses Egal sein. Also egal was es gerade ist, Hauptsache es ist schnell und laut. Eben das was einen am Punkrock immer fasziniert hat.”
Wenn das die Prämisse ist, wie heftig wird dann die kommende Tour? Mit gleich zwei neuen Alben auf Tour, auf deutsch, und mit der Spielwut, die sich über die Pandemie angestaut hat, wird es sicherlich ein Test für die körperliche Fitness. “Sport hilft da” sagt Philipp zwinkernd und schaut fast schon sehnsüchtig aus dem Fenster.
Um die Spannung aber zu halten verrät mir Philipp, dass “Besser sein als jetzt” parallel “zu einem anderen Album entstanden ist. Da sind dann auch ruhigere Stücke drauf und das Album ist sogar schon fertig.” Das Album, dessen Namen noch nicht genannt werden darf, bleibt aber leider noch ein Geheimnis. “Ich würde dir wahnsinnig gern soo viel über dieses Album erzählen, aber das was gerade in den Startlöchern steht ist erst mal das harte schnelle Punkrock-Album,” sagt er in Berliner Schnauze und lacht.
“Besser sein als Jetzt” ist durch und durch ein DIY Album. Selbst geschrieben, selbst aufgenommen. “Wir haben uns da auch ein bisschen übernommen” sagt er. Trotz zweifacher Nachfrage bleibt Philipp standhaft und sagt mir nur “Ich würde wirklich gern so viel erzählen, aber Sören würde mir die Ohren langziehen, das kann ich gerade nicht”.
Smile and Burn können aber nicht nur auf deutsch schreiben und singen, sie können auch, wie sich das für Männer um die 30 in der Pandemie gehört, einen hervorragende Podcast aufnehmen. Spaß beiseite; “Konfettikanone im Jammertal” heißt das bandeigene Schmuckstück und die Fans dürfen sich auf ein paar neue Folgen freuen. Allerdings hat der Running Gag des Deutsch-Raps in SAB bisher noch keine Früchte getragen, vielleicht kann da die Fan-Gemeinschaft ja mal ein paar Vorschläge unterbreiten. Philipp muss herzhaft lachen als ich ihn darauf anspreche, doch winkt er dankend ab und überlässt das lieber den Profi-Rapper:innen.
Mit Rap oder ohne, auf die Bühne freuen sich alle wie Bolle. Der Tourstart ist am 12.06 in der Domstadt Köln und Philipp feiert dem schon eifrig entgegen. Zwar verdienen die Musiker ihr Geld durch andere Tätigkeiten, doch ist es die Musik, die das Leben erst lebenswert macht. Durch heimeliges Schreiben hatte man Output für zwei Alben und die müssen jetzt auf die Bühne. Auch während er Pandemie ist die Musik ein Lichtblick, der einem immer wieder Halt gegeben hat. “Ich mach Musik seit ich 15 bin, ich bin jetzt 38. Auch Sören meinte das schon, diese Band ist das, was Alle am aller längsten machen. Das hat so unsere Persönlichkeiten geformt, das ist das was ich bin.” philosophiert Philipp. Zumal ist es durch die nun kleinere Anzahl der Bandmitglieder “einfacher und besser zu dritt. Es hätte diese Alben nicht gegeben, wären wir noch zu fünft oder zu viert gewesen. Für manche Sachen ist es manchmal vielleicht cooler würde ich nur am Mikro sein, aber so ists schon gut.” Zwar wird im Backstage vor der Show der berühmte Huddle aus dem Football nicht gemacht, aber es wird immer ein Wodkashot gekippt und sich die Hand gegeben, gepaart mit Namensgebung a la Sergeant oder Governor angelehnt an die Filmreihe “Die nackte Kanone”. Nun ist also auch das Rätsel um den Crewneck gelüftet, der einen erschrockenen Leslie Nielsen zeigt.
Philipp bedankt sich für das Gespräch und verabschiedet sich an den Herd. Gerade könnte tatsächlich nichts besser sein als jetzt.
Die Tour von Smile and Burn zum Album “Besser Sein Als Jetzt” findet in diesen Städten statt:
12.06.2022 - KÖLN
13.06.2022 - WIESBADEN
14.06.2022 - NÜRNBERG
16.06.2022 - MÜNCHEN
17.06.2022 - KELHEIM
18.06.2022 - LEIPZIG
29.06.2022 - HANNOVER
30.06.2022 - OSNABRÜCK
01.07.2022 - HAMBURG
05.07.2022 - STUTTGART
06.07.2022 - LUZERN
08.07.2022 - BERLIN
30.07.2022 - ALTHEIM
18.08.2022 - DÜSSELDORF
Wertung
Hört es euch einfach an. Und dann nochmal! Es ist ein so geiles Album und es tut so unfassbar gut, es zu hören. Unter den persönlichen Top 5 der deutschen Punkalben ist es auf jeden Fall. Danke, Smile and Burn!
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.