Royal Republic sprechen über „Club Majesty“: Revolution im Rückblick
24.04.2019 | Jakob Uhlig
„Wir haben die Möglichkeit für einen Wandel gesehen, weil wir gerade in einer Zeit leben, in der niemand so genau weiß, wo die musikalische Reise hingehen soll. Wir haben es als Herausforderung angesehen, die Grenzen des Rock’n’Rolls auszuloten. Vielleicht haben viele Menschen Angst vor dem Album, weil sie wollen, dass wir eine klassische Rockband sind. Wir haben seit ‚Weekend Man‘ aber aufgehört, uns so zu nennen.“ Per Andreasson kann musikalische Ideen sehr pragmatisch in Worte fassen. Der Drummer von Royal Republic klingt wohlüberlegend, während er seine Gedanken formuliert, unterstreicht Kernpunkte mit klarer Gestik und legt so das Bild eines Analysten an den Tag, das man von ihm im ersten Moment gar nicht erwartet hätte. Immerhin sitzt Andreasson gemeinsam mit seinem Kollegen Jonas Almén gerade im knallig roten Bühnensakko im Tourbus, wird am Abend mit einigen Fans bei einer Pre-Listening-Session feiern und beschreibt die Identität der Musik seiner Band als „tanzbaren Sound mit bescheuerten Texten“. Wer sich aber einmal intensiv mit Royal Republic unterhält, der stellt fest, dass hinter der Fassade der Band mit der dauerhaft guten Laune und dem funkigen Rock’n’Roll-Sound sehr reflektierte Musiker stecken, die sich im Stillstand unwohl fühlen und für die sich hinter der Musik keine Zweckmäßigkeit, sondern die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung verbirgt.
Dass das der Fall ist, liegt auch an einem steinigen Pfad auf dem Weg zur Adoleszenz, den Royal Republic in mittlerweile über zehn Jahren Bandgeschichte zurückgelegt haben. Das erste Album der Band ist eine absolute Spaßgranate, die voll auf Tanzbarkeit und die Umsetzbarkeit auf Konzerten ausgelegt ist. Das funktioniert in der Resonanz der breiten Masse außerordentlich gut, Royal Republic touren unentwegt durch ganz Europa und produzieren ihre zweite Platte „Save The Nation“ quasi im Vorbeigehen, um ihr Momentum nicht zu verlieren. „‚Save The Nation‘ haben wir viel zu schnell gemacht“, beschreibt Andreasson das Album rückblickend. „Gemessen an der Zeit, die wir dafür aufgewendet haben, war es ganz gut, aber ich glaube, dass wir es nach drei Jahren Tour eigentlich Leid waren, eine Partyband zu sein.“ Dieses Gefühl der Unzufriedenheit manifestiert sich schließlich in einem kollektiven Burnout: „Wir hatten den Spaß an der Sache verloren. Wir haben mitten auf der Tour festgestellt, dass wir nach Hause mussten.“ Royal Republic setzen diesen Gedanken in die Tat um und trennen sich für ein paar Wochen voneinander. Sie reden während dieser Zeit kaum. Als sie dann schließlich als Support der Toten Hosen auf die Bühnen zurückkehren, haben sie neue Kraft getankt. Kraft, die sie für ihr drittes Album „Weekend Man“ benötigen, für das ihr Label sie zu professionellen Songschreibern nach Los Angeles verschifft. Die Band ist von dieser Idee alles andere als begeistert, merkt auf diesem Trip aber endlich, was sie wirklich will. „Wir brauchten die vielen Leute, die uns erzählen wollten, was wir zu tun haben, damit wir es anders machen konnten“, reflektiert Andreasson. So entsteht aus „Weekend Man“ ein Neustart für Royal Republic, mit dem sich das Quartett endlich wohl in seiner Haut fühlt.
Angekommen im Jetzt stehen Royal Republic gefestigter denn je vor ihrer vierten Platte „Club Majesty“ und sehen sich so in der Lage, nicht nur weitere Gedanken zur eigenen Identität als Band zu formulieren, sondern ihre Visionen auch in einen breiteren Kontext zu setzen. Rockmusik sieht sich nicht erst seit dem Jahr 2019 mit dem Abrutschen aus dem Mainstream konfrontiert, Hip-Hop ist seit langem auf dem Vormarsch. Dass die breiteste neue Rezeption von Gitarrenmusik mittlerweile sogar von Rappern wie XXXTentacion, Scarlxrd oder dem gruseligen Eminem-Album „Revival“ ausgeht, gleicht für viele langjährige Rock-Fans einer Endzeit, die aus der Stagnation der eigenen Heroen rührt. „Der Fakt, dass der Rock nirgendwo hingeht, bringt ihn um“, analysiert Andreasson den aktuellen Stand des Genres. „Royal Blood gehen zum Beispiel keinen Schritt nach vorne, sondern eher einen zurück. Sie nehmen den Led-Zeppelin-Sound, machen ihn vielleicht ein wenig poppiger und knackiger. Vielleicht ist das auch alles, was du brauchst. Ich liebe Royal Blood, ich finde sie unglaublich. Ich glaube aber auch, dass du diese kleinen Feinheiten ändern musst, um voranzukommen.“
Erstaunlicherweise versucht „Club Majesty“ Lösungen auf diese Problemstellung in der Retrospektive zu finden. Das Album ist stark von der Popmusik der 80er-Jahre beeinflusst. Ein Song wie „Anna Leigh“ könnte mit prägnant wummerndem Phil-Collins-Drum-Intro, schillernden Synthesizern und kitschigen Refrain beinahe aus der Feder von Rick Astley stammen. In „Fireman & Dancer“ greift Royal-Republic-Frontmann Adam Grahl sogar zum Saxophon, das er zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade mal einen Monat spielt. Es erscheint etwas suspekt, dass die Schweden das Fortschreiten des zeitgenössischen Sounds auf den Rückgriff auf eine Zeit projizieren, die schon ein paar Jahrzehnte zurückliegt. Anderseits verwendet das Quartett diese nostalgische Klangwelt eben nur als prägnanten Einfluss, den es geschickt mit den Markenzeichen seines hochentwickelten Rock’n’Roll-Sounds verknüpft und dadurch zu einer eigenen Klangumgebung vermengt. „Um in die Zukunft zu schauen, musst du auch die Vergangenheit kennen“, beschreibt Jonas Almén einen essenziellen Grundsatz von „Club Majesty“. Gleichzeitig stellt er klar, dass die Einflüsse der neuen Platte nicht in erster Linie aus einem Revolutionsgedanken entstehen, sondern ganz natürlich aus den Interessen der Band entspringen: „All die Guilty Pleasures, die du auf dem Album hörst, sind echt. Wir hören diese Art von Musik wirklich. Wir wollten das nicht mehr verstecken.“ Almén und Andreasson unterstreichen diese Aussage, indem sie gemeinsam mit Begeisterung Chers „If I Could Turn Back Time“ anstimmen und danach ins Schwärmen über weitere musikalische Helden dieser Dekade geraten. Sie nennen Michael Bolton, bezeichnen Tina Turners „Simply The Best“ als Grundpfeiler ihrer Playlisten und bekennen sich als Fans von Bryan Adams, den Spice Girls und den Backstreet Boys. „Das liebe ich an Musik“, grinst Almén. „Niemand kann sagen, dass irgendein Song schlechte Musik ist. Er ist vielleicht schlechte Musik für dich, aber es kann da keinen objektiven Konsens geben.“
Royal Republics Emanzipation zu einer Band, die mit diesen Gedanken im Hinterkopf nicht mehr nur zweckdienlich Musik schreibt, sondern eine selbstständigere Vision verfolgt, wirkt sich in „Club Majesty“ auch durch größeren Perfektionismus und eine konsequente Kompromisslosigkeit aus. Ende 2018 verschiebt die Band ihre gesamte Europatour um über ein halbes Jahr, weil sie mit den Arbeiten an der neuen Platte nicht rechtzeitig fertig wird. „Wir hatten da schlichtweg feststellen müssen, dass die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten wollten, keine Zeit hatten“, erklärt Andreasson die Situation. „Wir haben immer großes Pech mit unseren Plattenlabels. Alle Menschen, mit denen wir auf dem letzten Album zusammengearbeitet hatten, wurden gefeuert und durch neue Menschen ersetzt. So machte es keinen Sinn, da konnten wir genau so gut auch woanders schauen. Alles, was wir vorher unterschrieben hatten, war weg. Das Team, das wir aufgebaut hatten, war nicht mehr da.“ Am Ende landen Royal Republic durch ihre Beharrlichkeit nun aber doch bei einer Platte, die die Vision der Band wohl so gut fokussiert, wie es keines der drei Vorgängeralben bisher vermochte. „Club Majesty“ nimmt den Sound, den die Schweden über drei Alben allmählich manifestiert hatten, und schafft durch ungewöhnliche Einflüsse den schwierigen Spagat zwischen Progression und Konstanz. Ob das vierte Album des Quartetts tatsächlich eine musikalische Rezeption erfahren wird, muss die Resonanz nach Release der Platte erst noch zeigen. Aber dass die Band in so großen Kontexten denkt, zeigt nicht nur den dringenden Wunsch nach Transformation und Auferstehung der Rockmusik auf, sondern auch, dass Royal Republic auf Platte wohl nie echter klangen. Andreasson bringt diese Evolution mit einem wichtigen Gedanken auf den Punkt: „Früher haben wir unsere Platten immer mit den Konzerten im Hinterkopf geschrieben. Ein Album war im Grunde immer nur eine Ausrede, um auf Tour zu gehen. Am Ende des Schreibprozesses von ‚Weekend Man‘ sprachen wir mit unserem A&R-Manager, und er sagte, dass er einen bestimmten Song ganz besonders gerne mochte. Wir wussten aber nicht, wie wir den live umsetzen sollten. Da sagte er: ‚Ist doch egal. Ich arbeite für eure Plattenfirma, ich bin interessiert daran, ein Album zu machen. Ihr werdet schon herausfinden, wie das live funktioniert, macht jetzt erstmal eine Platte, die interessant und spaßig zu hören ist.‘ Wir realisierten dann erst, dass Alben und Konzerte zwei verschiedene Dinge sind. Du kannst ein interessantes Album auflegen, ohne dass die Band anwesend sein muss. Die Beatles haben ihre Platten so konzipiert – deswegen sollten wir das auch tun.“
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.