Van Holzen: Zwischen Unglaube und Rationalität
09.10.2017 | Jakob Uhlig
Man mag nicht so wirklich glauben, dass Florian Kiesling und Daniel Kotitschke tatsächlich zwei Drittel von Warner Musics größter neuer Hoffnung im Alternative-Bereich sind. Die Gesichter der beiden wirken eigentlich viel zu jung, um schon einen Major Deal in der Tasche zu haben. Und auch musikalisch sind Van Holzen deutlich zu reif für eine Band, deren Mitglieder gerade so die Schwelle des Erwachsenenalters überschritten haben. Doch wer sich etwas näher mit der Geschichte dieses Projekts beschäftigt hat, weiß auch, wie viel Arbeit hinter dem Erfolg des Trios steckt. Die Geschichte von Van Holzen begann schließlich nicht mit dem Ruf des großen Labels, sondern als die Protagonisten gerade einmal neun und zehn Jahre alt waren.
„Wir haben ganz banal damit angefangen, Songs wie ‚Smoke On The Water‘ zu covern“, erklärt Kiesling den Ursprung seiner Band. „Irgendwann wollten wir dann eigene Songs schreiben und haben das auch gemacht. Daraus wurde so eine freche Teenie-Punkband – das ist alles schon so lange her, die Anfänge sind wirklich nur noch schleierhaft vorhanden.“ Wer Van Holzen heute kennt, weiß, dass von der „frechen Teenie-Punkband“ nicht mehr viel übrig ist. Kaum ein Foto des Trios ist nicht in schwarz-weiß, die Songs von Van Holzen sind düster und emotional einnehmend. Privat wirken Kiesling und Kotitschke allerdings überhaupt nicht so, auch wenn sie ihre Arbeit stets mit der nötigen Ernsthaftigkeit betrachten. Das dunkle Image sieht Kiesling aber als Notwendigkeit für die Wirkung seiner Kunst: „Unsere Rolle als Van Holzen ist ein Mittel, um schnell die Silhouetten zu ändern. Wenn wir als wir selbst auf die Bühne kommen würden, wäre es ein ganz anderer Prozess, sich in bestimmte Stimmungen zu versetzen. Man müsste so seine eigene Persönlichkeit immer wieder in neue Richtungen zerren. So aber können wir die verschiedenen Rollen als eine Art Maske sehen, die wir auf- und wieder absetzen können.“
Dass Van Holzen zu solch künstlerischen Gedankenschritten in der Lage sind, ist nicht das Ergebnis radikaler Erziehungsmaßnahmen der Musikindustrie, sondern die Früchte jahrelanger Eigenarbeit. „Für Außenstehende wirkt das alles immer so wahnsinnig schnell, für uns ist das aber gar nicht so. Wir machen das ja schon seit acht Jahren. Alle Dinge, die gerade passieren, sind für uns logische Schritte, die nach so langer Zeit eben eintreten.“ Trotzdem räumt Kotitschke ein, dass ihm die derzeitigen Erlebnisse mit seiner Band teilweise immer noch den Atem verschlagen: „Manchmal ist das alles wirklich noch ziemlich krass, gerade, wenn man für Bands wie Billy Talent supporten darf. Die habe ich als Kind total abgefeiert, und du denkst, das sind die krassesten Typen überhaupt. Und dann steht man da und schüttelt dem Sänger plötzlich die Hand.“
Man kann sich wohl nur schwer vorstellen, wie eine Band, die bereits während ihrer Schulzeit einen Major Deal in der Tasche hatte, die Welt betrachten muss. Kiesling sieht in diesem Problem auch einen Grund für den Titel ihres Debütalbums „Anomalie“: „Natürlich fühlst du dich in unserer Gesellschaft als Anomalie, wir haben uns immerhin bereits mit neun und zehn dazu entschlossen, eine Band zu gründen. Wir gehen halt einen anderen Weg als der Rest. Damit kommt man aber klar, sobald man aufhört, sich dafür bei irgendwem rechtfertigen zu wollen.“
Am Abend spielen Van Holzen dann schließlich ihr Konzert in der Hamburger Prinzenbar. Trotz aller Ernsthaftigkeit merkt man dem Trio an, dass es liebt, was es tut. Und so birgt die Geschichte dieser faszinierenden Band wohl genug Anlässe, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Das nächste Album ist schon in Arbeit, und die Chancen stehen gut, dass es der nächste konsequente Meilenstein in Van Holzens andauernder Ära werden könnte. Und dass die Band so jung ist, hat mit ihrer Erfolgsaussicht mit Sicherheit nichts zu tun.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.