“Wir wollen eine saubere Alternative für ein dreckiges Produkt bieten”: Im Gespräch mit Homesick Merch
27.02.2020 | Kai Weingärtner
Als Jenny und Josua 2011 im Keller ihrer WG anfingen, in Eigenregie ein paar T-Shirts für die eigene Band zu bedrucken, hätten sie sich wohl nicht träumen lassen, dass daraus knapp neun Jahre später eine Firma mit acht Mitarbeitern und 10.000 Textilien Auflage pro Monat werden sollte. Wunderbarerweise ist es aber genau dazu gekommen, und schon seit 2013 gibt es deshalb Homesick Merch. Die kleine Halle steht mitten im Herzen von Münster, gerade einmal fünf Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt. Seit der Druckwerkstatt im WG-Keller hat sich einiges getan. Homesick haben mittlerweile ihr eigenes Klamottenlabel, sind ein Ausbildungsbetrieb für Siebdrucker und setzen sich weiterhin für fairen und nachhaltigen Konsum ein.
Die Liste der Bands, für die Homesick Merchandise drucken, liest sich wie das Traum-Festival-Lineup für so manchen Punk- und Hardcore-Fan: Fjørt, Heisskalt, Adam Angst, Shoreline, Snareset, The Deadnotes und und und… Dass all diese Künstlerinnen und Künstler auf faires Merch setzen, dürfte kaum jemanden verwundern. Denn, so Josua, wer will schon in einem AZ auf der Bühne für eine bessere und gerechtere Gesellschaft einstehen, und dann am Merch-Tisch doch die billigen Gildan-Shirts verkaufen? Da spricht er eine Thematik an, die auch Jakob in seinem Konzertbericht zu Kummer schon bemängelt hat, der trotz klarer Aussagen gegen kopflosen Konsum immer noch genau solche Massenware anbietet. Dabei ist Homesick aber auch wichtig, sich nicht auf der Aussage “Hey, unsere Shirts sind übrigens 100% Bio-Baumwolle” auszuruhen. “Was bringt mir das faire Shirt, wenn ich das dann mit billiger Plastisolfarbe bedrucke?” Kurzer Exkurs: Plastisolfarbe besteht aus thermoplastischen Polymeren. Die wiederum bestehen aus Erdöl, was die daraus hergestellten Farben zwar zum Siebdrucken unkompliziert und günstig macht, aber eben auch für eine Menge schwer zu entsorgenden Müll sorgt. Homesick verwendet deshalb ausschließlich wasserbasierte Farben.
Dabei geht es aber nicht um tiefgreifende Systemveränderungen oder Aussteigertum. “Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass wir Merch machen. Das ist im Endeffekt ein nicht-essentielles Produkt, das es eigentlich gar nicht bräuchte.” Bei Homesick geht es deshalb darum, den verschwenderischen Produktionsverhältnissen der Riesen-Druckereien eine saubere, bewusste Alternative entgegenzustellen. Und wer sich mal an den Merch-Ständen der großen Festivals umschaut, erkennt relativ schnell, dass zu hohe Einkaufspreise für fair gehandelte Textilien kein Grund sein können, warum dort auf die billigen Alternativen zurückgegriffen wird. Aber klar, warum auch 2 Euro mehr in der Produktion ausgeben, wenn einem die Leute auch das Billig-Shirt für 35 Euro aus den Händen reißen? Immerhin scheinen auch dort die alternativen Ansätze von Überzeugungstätern wie Homesick Merch nicht unbemerkt zu bleiben, immerhin setzen auch das Hurricane und Southside mittlerweile auf fair gehandeltes Merch.
Wenn man über fair gehandelte Produkte spricht, kommt man oft zu der Frage, ob man sich damit nicht nur das gute Gewissen einkauft. Immerhin bieten auch Riesenkonzerne wie McDonald's vegane Burger an und werben für den Wohlfühlfaktor mit Kartoffeln aus deutschem Anbau. Jenny und Josua sehen das optimistisch als einen ersten Schritt hin zu einem besseren Bewusstsein für den eigenen Konsum. Es fängt vielleicht damit an, das eigene Gewissen zu beruhigen, aber wenn das Thema gesellschaftlich immer mehr in den Fokus rückt, setzt man sich vielleicht auch genauer damit auseinander. Und vielleicht denkt man dann demnächst zweimal drüber nach, ob man diesen Big Vegan TS jetzt wirklich braucht. Homesick retten mit ihrem Merch mit Sicherheit nicht die Welt, aber sie zeigen, dass es eben doch anders geht. Und die Zahlen geben ihnen recht: Die Auflagen von Herstellern fair gehandelter Textilien steigen stetig und das Thema sozialverträgliches Merch ist im Mainstream angekommen.
Kai Weingärtner
Kai studiert zur Zeit mehr oder weniger erfolgreich Politikwissenschaft und Anglistik in Osnabrück. Da man damit natürlich keinerlei Aussichten auf einen “vernünftigen” Job hat, ist er nun bei Album der Woche angeheuert um sich seine Zukunft als Taxifahrer etwas aufzulockern. Sein Musikgeschmack umfasst alles, was E-Gitarre und Schlagzeug hat oder anderweitig Krach macht.