Joes VaporPlaza #11: esc 不在 – „MIDI Dungeon“
21.03.2019 | Johannes Kley
Artist: esc 不在
Album: „MIDI Dungeon“
Erscheinungsjahr: 2011
Anspieltipp: „After Hours“
Stil: Classiv Vaporwave
Link: leider kein legaler Link verfügbar
Im Vaporwave gibt es kaum etwas, was es nicht gibt. Office Soft, Mall Soft, Broken Transmission oder Weatherwave sind nur ein paar obskure Untergenres, welche eine Romantisierung der Vergangenheit zelebrieren, wenn auch teilweise mit sozialkritischem Einschlag. Die Magie alter PC-Rollenspiele ist im Vaporwave auch nicht selten, aber kaum ein Album ist damit so konsequent wie „MIDI Dungeon“.
2011 war Vaporwave noch in der Anfangszeit und ungeformt. Es gab deutlich weniger Künstler als heutzutage und viele Alben, welche als Kassette heute für dreistellige Summen auf ebay verkauft werden, tauchten damals einfach bei Bandcamp auf. esc 不在 veröffentlichte am 2. August 2011 die Alben „Black Horse“ und „MIDI Dungeon“, welche nicht nur ähnlich klingen, sondern bis auf ein getauschtes Bild auch das gleiche Cover haben. Zur Künstlerin sollte man wissen, dass sich hinter dem Alias die Musikerin Ramona Xavier versteckt, welche auch als Macintosh Plus das bekannteste Vaporwave-Album „Floral Shoppe“, schuf.
MIDI, kurz für Musical Instrument Digital Interface, ist ein 1983 standarisiertes Interface für Sounds und Musik und wurde oft in Videospielen genutzt. „MIDI Dungeon“ klingt so, wie man sich den Sound der alten Teile der „The Elder Scrolls“-Reihe vorstellt, wenn man sie nicht gespielt hat. Das looplastige Album entführt in eine Rollenspielwelt mit Dungeons, Städten und tiefen Wäldern. Es gibt keine Sprachsamples auf dem Album und die Musik könnte, würde man sie leise genug drehen, problemlos in einem Videospiel auftauchen. Die Platte klingt mysteriös, ab und an bedrohlich, so als würde man eine dunkle Höhle betreten, und dann wieder ruhig, so als würde man in einem beschaulichen Städtchen stehen, auf dem die NPC ihre immer gleichen Wege ablaufen und außer drei vorprogrammierten Sätzen nichts zu erzählen haben. Die polygonarme Grafik ist egal, denn die Welt ist einnehmend und berauschend, ebenso wie die Musik, die aus den Boxen rauscht.
Ich habe nie „TES: Daggerfall“ gespielt, aber genauso stelle ich mir die Musik vor, die die Spieler begleitet hat. Natürlich passt diese Musik auch zu den alten Teilen der „Tomb Raider“-Reihe und deren mystischen Höhlen oder ähnlichen Spielen.
Der simple Klang und die kurzen Loops lassen eine Welt entstehen, in welcher Stunden verbracht werden könnten und die Zeit beim Erfüllen von Quests oder Missionen verfliegt, bis die Sonne aufgeht und die Schule oder Arbeit ruft. Es gibt keine Gesangs- oder Sprachsamples auf „MIDI Dungeon“, was der Atmosphäre nicht schadet, sondern eher gut tut. Die Musik ist meist unaufdringlich, bleibt im Hintergrund und würde im Getümmel eines Spiels eventuell sogar untergehen. Umso schöner ist es, dieses Album von esc 不在 voll zu genießen und sich von den Klängen einnehmen zu lassen.
Kaum ein Medium hat sich so stark weiterentwickelt wie Videospiele. Je nach Alter der lesenden Person sind die Klassiker der Kindheit aus heutiger Sicht nur noch pixeliger Matsch mit wenig Fans. Aber jeder Mensch hat wohl ein Spiel aus dieser Zeit, an welches er gern zurückdenkt und ein wenig wehmütig wird, weil er die Magie dieser Zeit nie wieder spüren kann. esc 不在 ist eine auditive Zeitreise in die Zeit von hakeliger Steuerung, überkomplizierten Quests und einer kopfschmerzerzeugenden Grafik. „MIDI Dungeon“ ist hypnotisch und in seiner Einfachheit unglaublich begeisternd.
Unter dem Namen esc 不在 wurden leider nur zwei Alben veröffentlicht. „MIDI Dungeon“ ist ungewöhnlich, aber fesselnd und ich würde gerne einen Nachfolger erleben. Aber auch so ist dieses Album eine Reise in eine fremde Welt und klingt dabei einfach gut.
There are only two records released under the name esc 不在. „MIDI Dungeon“ is strange but addictive and I’d love to see a successor. But even without that, „MIDI Dungeon“ is a trip in a foreign world and just sounds great.
Johannes Kley
Kolumnist und Konzertmuffel Joe ist Gesundheits- und Krankenpfleger in Bochum, liebt seinen Hund, liest leidenschaftlich gern, gibt ungern Bewertungen für Alben ab, ist Musikliebhaber, irgendwo zwischen (emotional) Hardcore, Vaporwave, Goth-Pop und Nine Inch Nails und versorgt euch unregelmäßig mit geistigen Ergüssen aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt.