Joes VaporPlaza #74: Kratzwerk - "One Night Stand"
23.06.2020 | Johannes Kley
Artist: Kratzwerk
Album: "One Night Stand"
Erscheinungsjahr: 2020
Anspieltipp: "sex"
Stil: klassischer Vaporwave / Future Funk
Link: https://kratzwerk.bandcamp.com/album/--22
Hey du! Ja, genau du! Hast du nicht auch Bock auf ’n kühlen Drink in der Hand, während du in einer Liege am Strand eines Sees oder am Fluss liegst und einfach ’ne geile Zeit mit ein paar Menschen hast? So’n bisschen Miami-Feeling? Sonne, gute Stimmung, du weißt schon. Okay, das ist momentan nicht so einfach und dank eines menschen- und vor allem tierverachtenden Unternehmens könnte es auch bald wieder schwieriger werden, da die Corona-Zahlen wieder steigen. Aber genau dafür habe ich heute ein Album, um euch zumindest auditiv in eine Strandbar zu entführen.
Kratzwerk ist ein deutscher Vaporwaver, der mit „One Night Stand“ das vertont hat, was sich viele Menschen einfach wünschen - ein gute Zeit mit Freunden und Freundinnen und vielleicht ein bisschen Liebe. Die Songs klingen ein bisschen nach 80er-Filmen in Miami und schwanken zwischen tanzbarem Future Funk, bei dem Bilder der Skyline und schnellen Sportwagen, Menschen in Badekleidung und der prallen Sonne vor dem geistigen Auge erscheinen. Die ruhigeren Songs erinnern eher an Sonnenuntergänge, bei denen man die Wellen dabei beobachten kann, wie sie sanft am Strand ankommen, während man allein oder mit einem besonderen Menschen im Sand liegt.
Die sanfte Melancholie, die vor allem in der zweiten Hälfte des Albums mitschwingt, lässt das Album ein wenig wie eine Erinnerung klingen. Als würde man ein altes Video sehen oder sich durch alte Polaroids wühlen, auf denen man Menschen sieht, zu denen man den Kontakt verloren hat und auch die alte Liebe erblickt, mit der es nie so richtig funktioniert hat. Ein wenig Wehmut, der die Erinnerungen an damals aber nicht stört, denn es war dennoch schön. Schwer zu beschreiben, aber das ist der Sound von „One Night Stand“ und was Kratzwerk hier auf knapp 21 Minuten geschaffen hat, ist ein gefühlvoller Begleiter für einen schönen Abend mit Menschen, die man gerne um sich hat, oder eben ein kurzer, aber angenehmer Ausflug aus der Realität.
Ich mag Alben, die Geschichten erzählen und genau das tut „One Night Stand“ auf unaufdringliche und schöne Art und Weise. Die Melodien deuten an und lassen fühlen, ohne dass mit der Holzhammermethode klargemacht werden muss, um was es geht. Man muss sich nicht in der selben Lage befinden, um es zu fühlen. Will man einen schönen Abend haben? Kein Problem, denn mit „One Night Stand“ als Musik passt das super. Will man einfach nur mal ausblenden, was die Welt da draußen gerade wieder für Scheiße baut? Kratzwerk macht das schon. Wer einen Beweis dafür haben will, wie gefühlvoll Vaporwave wirklich sein kann (und bei den 73 vorherigen Ausgaben dieser Kolumne noch nicht überzeugt wurde), sollte sich "One Night Stand" anhören und die Schönheit des Genres hören und fühlen.
„One Night Stand“ ist so ein Album, bei dem man nicht will, dass es jemals endet.
"One Night Stand" is the kind of album which you never want to end.
Johannes Kley
Kolumnist und Konzertmuffel Joe ist Gesundheits- und Krankenpfleger in Bochum, liebt seinen Hund, liest leidenschaftlich gern, gibt ungern Bewertungen für Alben ab, ist Musikliebhaber, irgendwo zwischen (emotional) Hardcore, Vaporwave, Goth-Pop und Nine Inch Nails und versorgt euch unregelmäßig mit geistigen Ergüssen aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt.