Dave und die Schatten aus dem Schrank: Polaris, Leoniden, Die Nerven
05.08.2024 | Dave Mante
Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder Material habe, um eine weitere Ausgabe meiner Pile of Shame Kolumne zu machen. Aber nun ja, hier sind wir und erneut habe ich drei Alben gehört, die ich mit den Worten „Ja, hör ich später!“ zwar irgendwo abgespeichert, aber nie auch nur daran gedacht habe sie mir anzuhören. Also machen wir das eben jetzt. Und da es diesmal keine Einführung in meine Idee braucht, fangen wir auch direkt an.
Polaris - The Death of Me
Fangen wir mal mit einem Qualitätsgaranten an... also dachte ich. Denn „The Death Of Me“ der Band Polaris ist ein Metalcore-Album, welches in Toplisten des Genres recht oft genannt wird. Jetzt habe ich einzelne Songs wie „Landmine“ schon immer mal gehört und für gut befunden, jedoch nie das Album in Gänze angehört. Nun ja, ich sag es mal so, hätte ich es mal gelassen. Einzeln sind die Songs auf dem Album eine sehr gute Blaupause dafür, wie dieses Genre funktioniert. Da harte und schnelle Strophe, hier emotionaler und epischer Refrain, dann Breakdown, alle finden die Härte super krass. Und mit dieser simplen Struktur kann ich mich durchaus anfreunden. Allerdings nicht, wenn diese in sieben von zehn Songs so gut wie exakt gleich ist. Wirklich, beim sechsten exakt gleich aufgebauten und sehr ähnlich klingenden Breakdown musste ich den Durchlauf pausieren. Denn ich war trotz der Tatsache dass ich wusste, dass Metalcore genau dieses Problem der Abwechslung hat enttäuscht, dass das auch hier wieder so gravierend ist. Ich mag einen guten Breakdown und die hier sind nicht schlecht, aber halt beim dritten Mal ziemlich öde. Dazu bietet das Album zu wenig andere Merkmale, als dass ich es wirklich empfehlen kann. Schade!
Lieblingssong: „Landmine“
Vibe: Man mag ein bestimmtes Gericht so richtig gern, dass man sagt „Das könnte ich jeden Tag essen“. Wenn man es aber dann wirklich mal macht, wird es am vierten Tag echt öde, obwohl es gut schmeckt.
Leoniden – Complex Happenings Reduced To A Simple Design
Wird sicher schockieren, aber ich als ein Indie-Rock Connaisseur habe noch nie mehr als die gängigen Singles der Leoniden gehört. Jap, das war Ironie. Aber mehr als das Cover habe ich von dem Album wirklich nie gesehen. Jedoch gefiel mir eigentlich immer das, was ich gehört habe. Und im Gegensatz zu Polaris bin ich ganz froh, jetzt mal das ganze Album gehört zu haben. Das Album mit dem langen Namen überzeugt vor allem durch die herausragende Dynamik, welche hier aufgefahren wird. Balladen, Punk-Rock-Tracks und vor allem viel sehr melodisch, schneller Indie Rock treffen immer wieder auf wilde Mischungen aus diesen drei Varianten von Songs oder man variiert mit Überschneidungen aus diesen Varianten, um an das Genre ranzugehen. So möchte ich zu „New 68“ an einer Straße am Strand mit einem Cabrio fahren, bei „Boring Ideas“ alles kaputt schlagen oder bei „L.O.V.E“ in einem Kellerclub tanzen. Auch an der Featurefront wird hier nicht gespart: Drangsal, Ilgen-Nur und the allmighty Pabst bringen noch mal mehr Spice in das eh schon hervorragende Album. Die Platte hat für mich nur ein Problem: Mit fast 52 Minuten ist sie ungefähr zehn Minuten zu lang, denn irgendwann stellen sich Ermüdungserscheinungen ein und die Kreativität kennt leider dann doch auch hier Grenzen.
Lieblingssong: Schwierig, aber ich denke „Freaks“, weil Pabst sind Love, Pabst sind Life!
Vibe: Im Skatepark rumhängen und die Halfpipe blockieren, weil man nicht skaten kann. Dazu ne kalte Saftschorle und viele Zigaretten.
Die Nerven – Fake
Das ist peinlich, geb ich zu. Ich finde Post-Punk super und höre da echt viel über das Jahr, vor allem deutsches Zeug. Trotzdem noch nie in eines der wohl wichtigsten Werke reingehört zu haben, ist wirklich ein Sakrileg. Und nun ja, "Fake" von Die Nerven ist ein wahres Bollwerk der dumpfen, verzogenen und lauten Musik. Dabei ist die Kreativität des Max Rieger schon hier unermesslich und beschert uns mit jedem Song eine neue Art brutal zu zeigen, dass Gitarrenmusik selbst im gleichen Genre gravierend anders klingen kann. Mal sehr langsam und melancholisch, dann von hinten anschleichend bis hin zu den Verstärker ins Gesicht drückend ist alles irgendwo dabei. Dazu der fast sakrale Gesang mit den abstrusen Lyrics, wie man es von dieser Band ja eh gewohnt ist. „Fake“ hat mich sehr schnell positiv überrollt und auch nicht wirklich losgelassen. Und ich glaube, mit jedem Durchlauf ist da noch mehr zu finden. Eventuell sprechen wir uns also irgendwann nochmal dazu!
Lieblingssong: „Frei“ und direkt danach „Roter Sand“, weil ich Kontraste gern mit der Brechstange ins Gesicht gedrückt bekomme.
Vibe: Ein Museumsbesuch, aber man begreift erst nach zwei Tagen, was die Bilder bedeuten. Keine Ahnung, wie beschreibt man ein Album, welchen von verschiedensten Vibes lebt und alles darauf aufbaut?
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.