Jahresrückblick Dave 2021
26.12.2021 | Dave Mante
Beste Entscheidung des Jahres
Fangen wir mal mit der besten Entscheidung des Jahres, die war es nämlich und ja, die Schleimspur ist sehr breit, mal beim Album der Woche anzufragen, ob man hier noch mitmachen kann. Nicht nur das mega tolle Team beflügelt mich in dieser Entscheidung, sondern auch die Möglichkeit, mich endlich wieder textlich entfalten zu können. Das musste ich im März 2020 notgedrungen auf Eis legen. Gleichzeitig kann man also auch sagen, dass mein Eintritt in das AdW auch mein AdW-Moment des Jahres ist, allein wegen der vielen Running Gags, die mich schon jetzt im Alltag verfolgen.
Aber jetzt mal wirklich.
Überraschung des Jahres
Es war wirklich schwierig, über das Jahr hinweg eine Überraschung des Jahres auszumachen. Denn die meisten Alben waren erwartet großartig oder zumindest so gut, dass sie nicht negativ erwähnt werden müssen. Dann jedoch kamen Knocked Loose mit ihrer EP „A Tear in the Fabric of Life“ um die Ecke und entschlossen sich, auch mal eine Entwicklung durchzumachen und etwas von ihrem Standardsound abzuweichen. Vor allem die Kombi aus „Where Light Divides the Holler“ und „God Knows“, also den ersten beiden Songs, läuft bei mir weiterhin rauf und runter.
Nun habe ich darüber bereits einen Text geschrieben, welche die EP in genug Worten lobt. Den findet ihr hier: https://www.album-der-woche.de/reviews/knocked-loose-und-tear-fabric-life-something-brutal-way-comes-31615
Comeback des Jahres
Ich denke, das für mich größte „Comeback“ war das des guten alten Baukasten-Metalcores. Nachdem die Welle der neuen Corebands irgendwann wieder abebbte und nur wenige wirklich im Genre blieben bzw. groß wurden, war es (für mich) etwas ruhiger in dieser Richtung. Nichts Neues, uninspirierter Mist oder die vierte Wage War Kopie. Doch dann kam 2021 und ballerte die klassischen Metalcore-Songs nur so raus. Egal ob Memphis May Fires „Blood & Water“, „In Another Life“ von Crown the Empire oder sehr aktuell der wahnsinnig brutale Song „Daggers“ von We Came As Romans. Ich meine, hört euch vom Letzten einfach mal den Breakdown an und schwelgt in Erinnerungen an den 2013er Metalcore, welchen sicher viele von euch lieben und schmerzlich vermissen!
Bestes Konzert (ja wirklich, es gab welche)
Erinnern wir uns kurz an den diesjährigen Sommer. Ihr wisst schon, als die Inzidenzen moderat waren und wir uns alle etwas im Genuss der Normalität wälzen konnten. In dieser Zeit fanden auch einige ansatzweise normale Konzert statt. So auch ein Konzert der Berliner Band Milliarden, welches ich mit Kamera und Notizheft begleiten konnte. Nun sind Milliarden generell schon eine fantastische Liveband. Was jedoch das wirklich einprägende war, ist die Tatsache, dass es das erste größtenteils normale Konzert seit knapp 17 Monaten (!) für mich war. Also ohne Autos, Bierbänke, Picknickdecken oder Ähnlichem. Und dann dazu noch Milliarden, welche spielten, als gäbe es kein Morgen oder Übermorgen mehr. Wunderschön!
Auch dazu gibt es im Übrigen einen detaillierten Text: https://www.album-der-woche.de/konzertberichte/konzertbericht-milliarden-bei-den-filmnaechten-am-elbufer-31399
Enttäuschung des Jahres
Puh schwierig. Es gab genug Enttäuschungen außerhalb der gepressten Musik. Zum Beispiel das Chelsea Grin und Darko sich als Schwurbler Deppen entpuppen oder ähnliche Vorfälle bei den Besitzern der Großen Freiheit und dem Docks in Hamburg. Jedoch möchte ich diesen Leuten so wenig Bühne wie möglich (in meinem Jahresrückblick) geben. Daher zu einem Album, welches mich enttäuscht hat. The Plot In You sind als Band schon immer eine Randerscheinung für mich, während sie oft mal mit einzelnen Songs genau den Nerv in meinem Kopf treffen, der den Song dann immer und immer wieder anhören will, schaffen sie es nie, mich mit einem Album komplett abzuholen. Leider schlägt es eher immer ins Gegenteilige über.
Ihr neues Album "Swan Song" ist da leider keine Ausnahme. Erneut haben sie es geschafft, mich mit den Singles zu überzeugen. Vor Allem das sehr minimalistische „Face Me“ hat mich so sehr gepackt, dass ich mich wie sonst was auf die Scheibe gefreut hab. Als sie dann jedoch rauskam, musste ich feststellen, dass sie nicht unbedingt in diese Richtung gehen sollte, sondern eher eine sehr seichte Melodic-Metalcore Platte ist, welche nicht mal ansatzweise die Genialität und den Ideenreichtum der Singles weiterspinnen konnte. Sehr schade. Ich würde gern noch ausführlicher werden, leider würde dies den Rahmen sprengen.
Song des Jahres
Hier musste ich wahrlich lang überlegen, was ich auswähle. „To The Hellfire“ von Lorna Shore mit seiner wahnsinnigen Härte und der reinen Epik. „Afterlife“ von Holding Absence durch die hochgradig emotionale Genialität und Finesse oder doch Danger Dans „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, weil DUH!
Aber nein, es war nicht mal 2021, als Architects die erste Single ihres aktuellen Albums „For those that wish to Exist“ droppten und damit anfingen, eine große Schneise in die Riege ihrer Fans zu treiben. Stellvertretend für das ganze Album wähle ich daher „Animals“ als meinen Song des Jahres. Nicht unbedingt, weil es der beste Song des Jahres (oder des Albums) ist, aber weil ich einerseits den Mut sehr respektiere, den die Briten mit dieser Platte an den Tag gelegt haben und andererseits der Song das Aushängeschild und die Repräsentation des Albums selbst ist. Heraus kam ein interessantes und unerwartetes Album, welches es trotzdem ohne Probleme schafft, Architects weiterhin zu einem Primus ihres Genres zu machen. Und erneut kann ich sagen, dass alle, die ihnen wegen dieser Platte Kommerz oder Ähnliches vorwerfen, ziemlich respektlos, dreist und auch dämlich sind, vor allem wenn sie denken, dass sie die Band und ihren Sound in irgendeiner Weise beeinflussen könnten. Habt gern eure Meinung, aber fangt an, sie konstruktiv zu begründen und nicht nur "Jetzt sind die auch noch Kommerz :(" oder "Ohne Blergh, ohne mich!" zu schreiben. Veränderungen akzeptieren ist eine Fähigkeit, welche leider nicht genug Leuten gegeben ist!
Album des Jahres
Wahnsinnig leichte Entscheidung in dem Punkt. Mein Album des Jahres ist „The Greatest Mistake of My Life“ von Holding Absence. Ich weiß nicht, wie lang es her ist, dass ich ein Album in diesem Maße gehört oder auf den Plattenteller gelegt habe und vor allem mich so sehr darüber freute, als das Pressemuster seinen Weg in mein Postfach fand und das auch noch zwei Wochen früher als gedacht. Ich kann es nicht beschreiben, wie sehr ich dieses Album mag. Sämtlich Songs egal ob ruhig oder etwas härter tun es mir jedes Mal aufs Neue an und laufen in Dauerschleife. Vor allem „Afterlife“ „In Circles“ oder „Curse me with your Kiss“ sind jetzt schon wahre Klassiker und an Genialität und schierer Perfektion kaum zu übertreffen. Funfact: Als Beispielrezension für meine Bewerbung auf dieser Seite habe ich in fünf Minuten ein kleines Fazit für das Album zusammengeschrieben, welches ich hier eben einmal zitieren möchte.
"Jetzt bin ich gehyped." Das hab ich damals gesagt, als ich 'Afterlife' zum ersten Mal in Dauerschleife laufen gelassen hab. Ich war hoffnungsvoll, aber auch sehr skeptisch, ob diese Qualität gehalten werden kann. Holding Absence machen es ihren Hörer:innen mit "The Greatest Mistake of My Life" nicht leicht. Das Durchhören ist nämlich eine emotionale Fahrt mit einer melodischen Achterbahn, welche unerwartet in eine brachiale Kurve fährt und dort emotionale Loopings durchläuft. Einerseits mit einem Song wie 'Afterlife' durch die Wohnung tanzen, gleichzeitig aber Taschentücher für ein Lied wie 'In Circles' bereithalten ist ein wahrer Drahtseilakt, welcher der Truppe aus Großbritannien mehr als gelingt und mit dem 'Mourning Song' zu einem, phänomenalen Abschluss bringt. Nach dem Hören der Platte fühlt man sich emotional fertig, aber auch mehr als glücklich, dass man gerade einem phänomenalen Album beiwohnen durfte.
Ich hoffe auf weitere Fahrten wie diese und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss melancholisch auf die drehende PVC-Scheibe schauen, welche sich noch immer regelmäßig auf meinem Plattenteller dreht.“
Dazu sind die Jungs von den Britischen Inseln übrigens auch meine persönliche Entdeckung des Jahres. Da ich natürlich auch das erste Album rauf und runter gehört habe, bevor „The Greatest Mistake of My Life“ erschien.
Epilog
Ich habe mich für einen sehr klassischen Rückblick mit klassischen Kategorien entschieden. Es gab irgendwie nicht so wirklich den Platz für spezielle Kategorien und ich wusste auch nicht so recht, wie ich dafür Textfetzen formulieren sollte. Das hat nicht mal was mit Unlust oder so zu tun, eher mit der Tatsache, dass es bis auf einige Ausschläge ein sehr klassisches Musikjahr war. Ohne wirklich viele Live-erfahrungen fehlen dann auch viele witzige und einprägende Momente außerhalb des Hörens der Musik. Nächstes Jahr dann eventuell, vielleicht bringe ich irgendwann auch mal meine Wunschkategorie "Die schlechteste Albumrezension des Jahres" unter und es fällt erst auf, wenn der Shitstorm eintrudelt (Spaß, das mach ich wenn, dann auf nem eigenen Blog).
Ach und eins noch, ich und viele andere hatten wahnsinnig schöne Kulturmomente in diesem Jahr und sicher wollen wir alle nicht noch mal bis zum Sommer warten, bis diese wieder für ein paar Augenblicke da sind. Das schaffen wir nur, wenn wir endlich anfangen, aktiv gegen Covid-19 zu agieren und das können wir nur mit Vernunft und wenn wir uns konsequent impfen lassen. Also holt euch endlich eure Impfe und wenn ihr die Möglichkeit habt, auch jetzt schon euren Booster, damit wir auch nächstes Jahr wieder auf Konzerten zusammen schwitzen und tanzen können! Dazu gab/gibt es in der Kulturlandschaft übrigens gerade eine super Aktion, welche sich "Impfen schützt auch die Kultur" nennt. Denn ohne eine flächendeckende Impfung kann diese nicht mehr so stattfinden, wie sie sonst getan hat. Ein Link dazu hier: https://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/impfen-schuetzt-auch-die-kultur/
Wir sehen uns dann hoffentlich nächstes Jahr alle wieder. Und wehe, da kommt wieder kein Stick to Your Guns Album raus!
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.