So lernt man Green Day: Die Album der Woche-Hochschule
07.01.2022 | Jannika Hoberg
Ganz zu Beginn: Lasst bitte einfach die Finger von „Father of all…“, dem 2020 erschienenen Schandfleck von „Album“ in Green Days Diskografie. Warum, könnt ihr hier nachlesen.
Bachelor: Die Anfänge, „Kerplunk“ und „Dookie“
Chronologisch anfangen, um sich in die Diskografie einzuarbeiten, ist bei den meisten Bands sicherlich eine gute Idee – nicht so bei Green Day. Das erste Album, „1039/Smoothed Out Slappy Hours“ ist für das Gesamtwerk in etwa so belanglos wie der absolut nicht SEO-taugliche Albumtitel. Und auch „Kerplunk“ von 1992 ist nicht ganz so relevant – der einzige nennenswerte Song „Welcome To Paradise“ ist auch auf dem zeitlich folgenden Album „Dookie“ zu finden. „Dookie“ ist eines dieser Alben, das jeder kennt, ob vom einprägsam explosiven Cover im Comicstyle oder wegen „Basket Case“ – der bis heute der (wahrscheinlich zurecht) meistgestreamte Green Day Song ist. Aber auf „Dookie“ findet sich neben dem eben erwähnten „Welcome To Paradise“ auch „When I Come Around“, der schon früh gezeigt hat, dass Green Day auch andere Seiten als die Schublade Punkrock bedienen können. Vom 1997er Album „Nimrod“ gehört „Good Riddance (Time of Your Life)“ in absolut jede nostalgisch-emotionale Sommerplaylist, darüber hinaus sammelt sich auch auf diesem Album nicht viel Wichtiges an.
Master: Die 2000er, „American Idiot“ und „21st Century Breakdown“
Mit „Warning“ wird dann das neue Jahrtausend eingeläutet, allerdings braucht es für wirklich spannende Tracks das 2004 erschienene, vermutlich bestbekannteste Album „American Idiot“. Besagtes Album verdient als erstes in der Green-Day-Historie auch ein komplettes Durchhören am Stück. Jeder einzelne Track steht großartig für sich selbst und für den Sound von Green Day, und doch ergänzen sie sich zu einem fantastischen Album. Spannend sind auch die Übergänge, denn alle Songs gehen ohne Pause ineinander über, was das Album noch stärker als Gesamtkunstwerk wirken lässt. Die Tracks, die man von diesem Album aber auf jeden Fall mal gehört haben sollte, sind „American Idiot“, „Wake Me Up, When September Ends“ (wer den Song noch nicht gehört hat, sollte dringend eine Erklärung abliefern, wie man daran vorbei kommen konnte!), „Boulevard Of Broken Dreams“, „St. Jimmy“ und „Too Much Too Soon“ (der aus irgendeinem Grund nie im Mainstream angekommen ist).
Auch das 2009 erschienene Album „21st Century Breakdown“ ist zurecht relativ bekannt geworden. Die meisten der Songs positionieren sich noch deutlicher (gesellschafts-)politisch als die Vorgänger, ganz passend zum Zeitgeist, in den auch andere Punkbands (wieder) eingestiegen sind. Stark empfehlenswert ist neben den Klassikern „Know Your Enemy“ und „21 Guns“ auch der sehr ruhige Track „See The Light“, als Song, der absolut unter dem Radar durchfliegt. Ähnlich verhält sich das mit „Peacemaker“ und „Murder City“, die beide einfach auch wahnsinnig viel Spaß machen und ein bisschen aus dem klassischen Green Day Sound ausbrechen.
Promotion: „Uno!“, „Dos!“ und „Tré!“
Die drei Alben „Uno!“ (Billie), „Dos!“ (Mike) und „Tré!“ (offensichtlich Tré) sind alle 2012 erschienen und bieten jedes für sich 12 (bzw. 13) einzelne Songs, mit unterschiedlich vielen Highlights. Auf „Dos!“ findet sich auf jeden Fall „Stray Heart“, ein starker Track, der die sonstige Unbedeutsamkeit des Albums wenigstens ein bisschen aufwiegen kann. Vom Album „Tré!“ sind direkt ein paar mehr Tracks empfehlenswert, besonders die „Rockballaden“ „Brutal Love“ und „Missing You“ haben mehr als nur eine Daseinsberechtigung. Schließlich macht auch „99 Revolutions“ extrem viel Spaß. „Uno!“ wurde nicht nur dreimal so oft verkauft wie die anderen beiden Alben zusammen, das Album macht auch wieder wie „American Idiot“ als Gesamtwerk Sinn. Besonders hervorzuheben sind hier die Tracks „Carpe Diem“, „Fell For You“, und „Stay The Night“, die zufälligerweise alle eher an den unteren Streamingzahl-Grenzen von Green Day kratzen.
Habilitation: „Revolution Radio“
Das Album, das (nach FOAMF) die wenigsten Green-Day-Fans mögen, was aber dennoch sehr viel gute Musik bietet, erschien erst 2016 und trägt den Titel „Revolution Radio“. Im Jahr des neugewählten US-Präsidenten Trump und allen damit einhergehenden (weltpolitischen) Skandalen ein zeitgeschichtlich interessantes Album, das neben einigen musikalisch spaßigen Songs auch wieder viel politische Positionierung beinhaltet. So ist der vorletzte Track „Troubled Times“ gespickt von zitierwürdigen Zeilen, beispielsweise „What good is love and peace on earth, when it's exclusive?“ oder „What part of history we've learned, when it's repeated?“ – vermutlich einer der textlich stärksten Tracks in der gesamten Bandgeschichte (und das Lyricvideo lohnt sich, siehe Verlinkung unten). Aber auch der albumtitelgebende Song sowie „Still Breathing“ und „Bang Bang“ verdienen Aufmerksamkeit – ach, das ganze Album ist so viel besser als sein Ruf und auch für Green-Day-Neulinge oder Menschen auf der Suche nach einem genießbaren politischen (Pop-)Punk-Album etwas!
Jannika Hoberg
Jannie begeistert von Punk über Metal bis hin zu Hardcore alles, ob aggressive Beats oder auch mal soft - auch außerhalb dieses Genrespektrums. Neben der Leidenschaft für Konzertfotografie ist Jannie mit verschiedenen Instrumenten für diverse Jamsessions zu haben. Zuhause ist dey auf Konzerten und Festivals, ansonsten studiert Jannie nebenbei noch Umweltingenieurwesen in Weimar.