Alles besser bei Stefan Raab?
10.09.2021 | Steffen Schindler
Wie viele „Deutschland such den Superstar“-Kandidat:innen fallen euch spontan ein? Höchstens eine Handvoll wahrscheinlich: Alexander Klaws, den ersten Sieger und heutigen Musical-Darsteller, Beatrice Egli, die sich als Schlagersängerin etablieren konnte, vielleicht noch Pietro Lombardi und Wincent Weiss. Das sind - auf die bisher 18 Staffeln hochgerechnet - nicht sonderlich viele.
Bei den folgenden Namen wird aber sicher etwas klingeln bei euch: Max Mutzke, Stefanie Heinzmann, Gregor Meyle, Lena Meyer-Landrut. Was die vier gemeinsam haben? Alle waren ebenfalls Kandidat:innen in Castingshows. Allerdings nicht bei DSDS, sondern bei SSDSGPS, SSDSDSSWEMUGABRTLAD und USfO. Hinter diesen Monsterabkürzungen steckte Stefan Raab. Der Moderator, Produzent und nicht zuletzt Musiker schaffte etwas, woran Dieter Bohlen fast immer scheiterte: er konnte viele seiner Schützlinge dauerhaft in der deutschen Pop-Musik etablieren. Wie machte er das?
Wie Bohlen war auch Raab bereits vor seinen Castingshows sowohl vor als auch hinter den Kulissen musikalisch tätig: Mit seinen Blödelsongs schaffte er es regelmäßig in die Charts und sogar bis zum Eurovision Song Contest: einmal als Komponist für Guildo Horn, einmal trat er selbst auf. 2003 wollte er es wieder wissen und veranstaltete im Rahmen seiner Sendung TV Total die Casting-Show „Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star“, kurz SDSGPS. Der Sieger Max Mutzke wurde zum deutschen Vorentscheid des ESC 2004 geschickt – und gewann dort gegen die totale Antithese: Scooter. Mit „Can't Wait Until Tonight“ belegte Mutzke beim folgenden Wettbewerb Platz 8 (übrigens die beste deutsche Platzierung bis 2010).
2007 folgte dann eine noch unhandlichere Abkürzung: SSDSDSSWEMUGABRTLAD steht für „Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte, und gerne auch bei RTL auftreten darf!“. Der Titel erklärt sich aus einem Streit zwischen Raab und RTL, die dem Ex-DSDS-Kandidaten Max Buskohl untersagten, bei TV Total aufzutreten. Stattdessen saß dessen Vater Carl Carlton in der Jury. Siegerin wurde Stefanie Heinzmann, den zweiten Platz erreichte Gregor Meyle. Beide stiegen in die Charts ein und sind bis heute musikalisch aktiv, teilweise sind sie sogar international bekannt. Doch Stefan Raabs größter Casting-Erfolg war seine Rückkehr zum ESC: Mit Lena Meyer-Landrut castete er „Unseren Star für Oslo“, die den Wettbewerb souverän gewann. Trotz misslungener Titelverteidigung wurde sie eine der erfolgreichsten deutschen Pop-Sängerinnen der 2010er.
Vor allem die ersten beiden Shows begannen als Gag, doch die Umsetzung war an den richtigen Stellen absolut ernst gemeint: Die Songs profitierten von Raabs Songwriter-Talent, die Kandidat:innen von seiner Medienerfahrung und der Einbettung in die Management-Strukturen des ProSieben-Konzerns. All das konnte Dieter Bohlen zwar auch bieten, doch Stefan Raab stellte sich nicht wie er in den Mittelpunkt. Für Bohlen war DSDS seine Plattform – Raab brauchte die nicht, immerhin hatte er eine fast tägliche Show und regelmäßige Sondersendungen. Er konnte sich auch zurücknehmen und wusste, wie wichtig die Förderung seiner Schützlinge war, gerade wenn keine Kamera lief. Er behandelte sie nicht wie Wegwerfware, von denen es nächstes Jahr wieder welche geben würde. In der neuen Staffel DSDS ist Dieter Bohlen nicht mehr mit dabei. Ob sie von Stefan Raab lernt und uns der/die Sieger:in länger als ein paar Wochen im Gedächtnis bleibt, wird sich zeigen.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.