Das Gesetz der Straße
29.07.2020 | Felix ten Thoren
Zuallererst: Einen allgemeingültigen Guide für Straßenmusik in Deutschland gibt es nicht. Generell kann jede Stadt – ja sogar jeder Stadtteil – eigene Regeln festsetzen. So ist in Städten wie Köln, Erfurt oder Leipzig das Musizieren auf der Straße grundsätzlich geduldet, während andere Kommunen den Erwerb einer Sondernutzungserlaubnis vorschreiben. Diese Lizenzen sind zwar zumeist nicht sonderlich teuer und bereits ab ca. 10€ pro Trag zu haben, jedoch ist das Kontingent in der Regel limitiert. Zudem werden die Papiere nur von der zuständigen Behörde und nur zu den jeweiligen Öffnungszeiten ausgegeben. Eine gute Vorbereitung und ein frühes Aufstehen sind daher definitiv von Vorteil, um sich böse Überraschungen zu ersparen. Besonders schwer haben es Straßenmusiker übrigens in München: Dort werden offiziell nur zehn Lizenzen pro Tag vergeben, für die man sogar im Rathaus vor einer ausgewählten Jury vorspielen muss.
Auf der Straße selbst sind die Vorschriften ähnlich vielfältig, einige Grundregeln lassen sich jedoch auf die meisten Städte übertragen. Dazu gehört die Spielzeit, die zumeist bei ca. 30 Minuten und maximal bei einer Stunde liegt. Anschließend muss man den Spielort wechseln, das heißt mindestens 200 Meter weiterziehen. Wo man sich zum Spielen niederlässt, kann eigentlich jeder Musiker frei entscheiden, jedoch sollte man sowohl die Bestimmungen der Stadt als auch die Raumansprüche etwaiger Geschäfte respektieren. Wer sich ungefragt vor einem Schaufenster aufstellt, ist in aller Regel schnell weg von diesem Fenster. Ganz verboten ist das Spielen in Einkaufsmeilen, da diese keinen öffentlichen, sondern einen gewerblichen Raum darstellen. Zudem muss man die Ruhezeiten der jeweiligen Stadt einhalten (meistens mittags von 12-15 Uhr und ab 20 Uhr nachts), zu denen autonomes Musizieren untersagt ist.
Die Wahl des Instruments ist ebenfalls entscheidend und die Bestimmungen hierzu nicht immer ganz gerecht. Ganz schlimm trifft es Blechbläser und Schlagzeuger – und am allerschlimmsten Dudelsackspieler, deren Instrument nahezu überall auf der roten Liste steht. Besondere Probleme bereitet das sich immer weiter durchsetzende Verbot elektronischer Verstärkung. Dazu gehört nicht nur die Gesangsverstärkung über Mikros, sondern auch Ghettoblaster – und ja – auch Verstärker für E-Gitarren. Wer gleich noch einige CDs an den Mensch bringen will, blickt ebenfalls in die Röhre – der Verkauf von Waren ist grundsätzlich verboten.
Trotz all dieser Bestimmungen sollte man sich nicht gleich entmutigen lassen. Wer die Regeln seiner Stadt kennt, hat eigentlich nichts zu befürchten und wird eine gute Zeit haben. Und selbst wenn die Ordnungswächter mal auf den Plan treten, ist das noch kein Beinbruch. Die meisten Beamten sind bei erstmaligen Verstößen oft sehr nachsichtig und beschlagnahmen nicht sofort das ganze Equipment. Wer freundlich und kooperativ bleibt, macht nicht nur sich eine Freude, sondern auch den Passanten. Sich dabei ein wenig naiv zu stellen, schadet jedoch auch selten.
Felix ten Thoren
Felix widmet sein Studium der historischen und systematischen Musikwissenschaft in Hamburg. Er wurde mit HipHop sozialisiert, findet aber auch Gefallen an diversen Stilrichtungen von Blues bis Hardcore.