Honeckers heimliche Hitparade: Die Top-Songs der DDR
05.11.2020 | Mark Schneider
Erfolg und Bekanntheit von Musik in der DDR zu messen war nicht ganz so einfach, wie im früheren Westdeutschland. Es gab keine Hitparaden nach Verkaufszahlen, besser bekannt als „Charts“. Die Begrenzung des Materials Vinyl und die Tatsache, dass nicht alle Künstlerinnen und Künstler ihre Musik als Single veröffentlichen konnten, machte die Verkaufszahlen schwer vergleichbar. Daher gab es im Radio und im Fernsehen sogenannte Wertungssendungen wie zum Beispiel „Beatkiste“ oder „Tip-Kiste“. Aus diesen Wertungssendungen wurden die „Hits des Jahres“ ermittelt, die ihr vom Jahr 1975 bis ins Jahr 1990 hier nachlesen könnt. Unsere TOP 5 erzählen die Geschichten vom Soundtrack einer jugendlichen Subkultur, vergessenen Farbfilmen, fragwürdigen Coverversionen oder Nachrichtensendungen im zypriotischen Rundfunk.
Sandow – Born In The GDR (1989)
Sandow wurden 1982 in Cottbus gegründet und nach dem gleichnamigen Cottbusser Stadtteil betitelt. Die Band prägte für eine jugendliche Subkultur in der DDR die Zeit der Wende. Auch wenn die Band den Song laut eigener Aussage als Parodie auf Bruce Springsteens „Born in the U.S.A.“ meinte, wurde er teilweise als Lobhymne auf die DDR interpretiert und aufgrund dieses Missverständnisses eine Zeit lang aus dem Live-Programm der Band gestrichen. Der Text wurde anschließend verändert und das Lied 1998 wieder in das Liveprogramm aufgenommen. Hier die Version aus 1989:
Nina Hagen & Automobil – Du hast den Farbfilm vergessen (1974)
Im Jahr 1974 von Michael Heubach komponiert, wurde „Du hast den Farbfilm vergessen“ für Nina Hagen und die Gruppe Automobil zu ihrem größten Hit in der DDR. Das Lied vereint den Kontrast zwischen fröhlicher Musik und wütendem Text. Das lyrische Ich ist dabei wütend auf den Partner Michael, der den wohlverdienten Urlaub nur in Schwarz-Weiß fotografieren kann. Der Titel wurde mehrfach gecovert und wurde unter anderem in diesem Jahr von Radio Havanna auf der Cover-Beilage zum Album „VETO“ neu interpretiert.
Puhdys – Alt wie ein Baum (1976)
Auch „Alt wie ein Baum“ ist bis in die heutige Zeit allgegenwärtig und immer wieder zu Hören. Der Titel bezieht sich auf das Gedicht „Alt möchte ich werden“ von Louis Fürnberg. Spätestens seit der Coverversion von Peter Wackel und der Veröffentlichung auf „Ballermann Hits 2012“ ist der Song auch der jüngeren Schützenfestgeneration wieder ein Begriff und ein zudem ziemlich hartnäckiger Ohrwurm.
Karat – Über sieben Brücken mußt du gehen (1978)
Nein, dieser Titel stammt ursprünglich nicht von Peter Maffay. Auch wenn er mittlerweile mehr mit Maffay in Verbindung gebracht wird, bat dieser Karat darum, „Über sieben Brücken mußt du gehen“ nachspielen zu dürfen. Das Lied geht auf eine 1975 von Helmut Richter geschriebene Liebesgeschichte zurück und wurde inzwischen gefühlt öfter gecovert, als die DDR an Jahren existierte. Zuletzt versuchten sich Heino im Jahr 2018 und Oli P. im Jahr 2019 am Hit von Karat. Ob Karat das wirklich verdient haben?
City – Am Fenster (1977)
Mir fallen auf Anhieb Personen im Umkreis meiner Eltern ein, bei denen „Am Fenster“ seit vielen Jahren und heute noch fester Bestandteil JEDER Geburtstagsplaylist ist. Der Titel gilt als absoluter Klassiker der DDR-Rockmusik und fällt vor allem durch den Einsatz von Streichinstrumenten auf. Es war der Erfolg von „Am Fenster“, durch den City fortan in Westdeutschland auftreten durften. Im Jahr 1978 erschien der Song mit einer Länge von 17 Minuten und 40 Sekunden zum ersten Mal auf Langspielplatte und erlangte auch in Griechenland große Bekanntheit. Im griechisch beeinflussten Teil Zyperns verwendete ein Rundfunksender das Lied sogar alle sechs Stunden als Hintergrundmusik der Kulturnachrichten. Insgesamt wurden Tonträger mit dem Lied mehr als zehn Millionen Mal verkauft. City sind also noch lange nicht weg vom Fenster.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.