Solitary Man Records: Indie goes international
22.03.2020 | Kai Weingärtner
Schon der erste Satz des Wikipedia-Artikels von Solitary Man Records steckt voller Kuriositäten: “Solitary Man Records ist ein deutsch-japanisches Independent-Label mit Sitz in Münster und Tokio.” Nischig hat einen neuen Namen. Schaut man dann aber, wer alles schon so via Solitary Man veröffentlicht hat, wird diese Nische plötzlich zu einem breit geöffneten Scheunentor. Unter den insgesamt 53 Veröffentlichungen finden sich neben den Donots auch die Beatsteaks, Placebo, Dropkick Murphys, Boysetsfire und und und. Ganz schöner Output für so ein Zwei-Mann-Unternehmen, aber wer die Donots kennt, weiß auch, dass DIY-Ethos da nicht nur groß geschrieben wird, weil es ein Nomen ist.
Die Gründung von Solitary Man verlief wie folgt: In ihrer zeit bei GUN Records, einem Sublabel von Sony BMG, waren die Donots vermehrt auch außerhalb Deutschlands auf Tour unterwegs. Da ging es dann in die USA, und eben auch nach Japan. Nachdem man dort feststellte, dass der eigene Musikgeschmack in den Regalen der einschlägigen Plattenläden spärlich bis gar nicht repräsentiert war, beschloss man kurzerhand, diesen Missstand selbst glattzubügeln. Tatsächlich ist so eine Label-Gründung natürlich nicht mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt, aber soweit die romantisierte Fassung.
Seit 2006 gab es dann also Solitary Man Records. Das Label veröffentlichte zunächst vor allem Platten von befreundeten Bands wie den Beatsteaks und Muff Potter. Deren Alben wurden sogar eigens für den japanischen Markt auf Englisch übersetzt, ähnlich wie das später mit dem ersten deutschen Donots-Album “Karacho”, beziehungsweise “¡Carajo!” der Fall war. Auch beim Übersetzen der Muff-Potter-Alben hat Donots-Frontmann Ingo mitgewirkt. Solitary Man entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren zu einer derartigen Institution, dass selbst Bands wie Placebo an das Label herantraten, um ihre Musik über Solitary Man nach Fernost zu bringen. Ein kultureller Wandel in der japanischen Musik-Kultur führte dann allerdings nach der Fukushima-Katastrophe 2011 dazu, dass Punkrock und andere internationale Gitarrenmusik in der Gunst der Japaner sank und dort nun vor allem KünstlerInnen aus dem eigenen Land gehört werden. Viele der exklusiv in Japan veröffentlichten Platten sind bis heute in Europa nur schwer zu bekommen und dementsprechend heiß begehrt.
Solitary Man zog sich also aus Japan zurück. Das sollte aber nicht das Ende der Geschichte sein, denn mit “Karacho” erschien 2015 auch das erste Album von Solitary Man Records in Deutschland. Zunächst noch als Joint Venture mit Universal und später als komplett eigenständiges Indie-Label, erscheinen alle Donots-Platten seitdem über Solitary Man. Der deutsche Ableger der Firma gehört, anders als der japanische, der noch ein Baby von Ingo und dem damaligen Donots-Manager Florian Brauch war, allen Bandmitgliedern zu gleichen Teilen. Mittlerweile ist Solitary Man ein fester Bestandteil des Donots-Kosmos mit drei in Deutschland veröffentlichten Alben, eigenem Merch und dem hauseigenen “Heavy Kranich”-Studio in Münster. Im Outback Recordings Podcast quatscht Ingo mit Host Benedikt Hain über die Geschichte von Solitary Man und erwähnt dabei auch, dass er eigentlich schon lange plant, auch das zweite deutschsprachige Album “Lauter als Bomben” nochmal international umzutexten. Ob und wann das passiert steht wohl in den Sternen, aber es besteht Hoffnung auf weitere internationale Veröffentlichungen von Solitary Man.
Kai Weingärtner
Kai studiert zur Zeit mehr oder weniger erfolgreich Politikwissenschaft und Anglistik in Osnabrück. Da man damit natürlich keinerlei Aussichten auf einen “vernünftigen” Job hat, ist er nun bei Album der Woche angeheuert um sich seine Zukunft als Taxifahrer etwas aufzulockern. Sein Musikgeschmack umfasst alles, was E-Gitarre und Schlagzeug hat oder anderweitig Krach macht.