Mein Lieblingssong von "Meteora"
13.12.2022 | Moritz Zelkowicz
Aufgrund mangelnder Seriösität kann ich leider keine Bewertung des qualitativ hochwertigsten Songs von Meteora vornehmen. Alles kommt von innen und vor allem von früher. Mein Bruder hat mir so viel Musik gezeigt, so auch Meteora. Und leck mich, "Faint" hatte mich derart brutal in seinen Bann gezogen. Es war schnell, es war hart, es war laut. Mike Shinoda rappt alles was ich bis dahin an Rap kannte (Fanta 4 und das Titellied von Bibi Blocksberg) in Grund und Boden und dann rotzt Chester Bennington den Chorus in den Raum und ich rotze mit, ohne Ahnung was ich da gerade schreie. Hatte mit Englisch wohl auch eher wenig zu tun. Und bis heute gibt es wenig Songs, die mich so energetisieren wie Faint (außer das Titellied von Bibi Blocksberg). Naja, Es fällt doch recht schwer sich von frühen Einflüssen zu lösen, warum auch, wenn die so fantastisch sind. Und ich bleibe dabei, Chester war nie wieder so gut wie mit Brille. (Hot Take)
Weitere Anspieltipps: "Figure.09", "Nobody Listening", "Numb"
Moritz scheint in letzter Zeit meine musikalsichen Nerven in Sachen Themenauswahl für Mein Lieblingssong sehr gut zu treffen. "Meteora" ist nicht nur das erste Album, für das ich mein eigenes Taschengeld auf den Tresen legte (alles davor belief sich eher auf "guck mal, hab dir was aus der Bücherei mitgebracht" - CDs meiner Eltern), wäre mein Musikgeschmack die Pinnwand eines FBI-Profilers, wäre "Meteora" das Album, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Auch wenn ich die Platte vor diesem Artikel seit Jahren nicht gehört hatte, sind Chester Bennington und seine Band doch maßgeblich daran beteiligt, dass ich heute den ganzen Quatsch mag, den ich mag. Die Synthese aus Rap, Metal, Rock und allerlei elektronischen Kinkerlitzchen, die Linkin Park auf den ersten beiden Alben fabrizieren, führte mich auf allerhand musikalische Abwege. Wie da also den "besten" Song, oder auch nur einen Lieblingssong, aussuchen?
Ich mach's trotzdem, und entscheide mich für "Breaking the Habit". Der Song ist bei jeder Erwähnung Dauergast in meinem Ohr, und die ungewohnte Melodik, die Linkin Park hier vor allem im Kontrast zu den Emo-Bangern wie "Numb" oder "Faint" (btw.: bin ich der Einzige, den das Intro von "Faint" unweigerlich an "Toxic" von Britney Spears erinnert?) an den Tag legen, eine mehr als wilkommene Abwechslung. Außerdem mag ich Songs mit Meta-Ebenen, und den Song, der sich vielleicht am meisten vom bisherigen Output der Band unterscheidet, "Breaking the Habit" zu nennen, trifft unweigerlich meinen Humor.
Ich weiß nicht, welches Jahr es genau war, es muss irgendwann um 2010 herum gewesen sein. Aber ich weiß, dass es der Radiosender Bayern 3 gewesen sein muss, weil bei uns zuhause lief immer Bayern 3, die „Popwelle“ des Bayerischen Rundfunks. Die spielten dann so Dinge wie die aktuelle Single von Katy Perry und „Nur noch kurz die Welt retten“, ab und zu vielleicht auch mal Powerballaden aus den 80ern, insgesamt das, was Programm-Macher*innen „durchhörbar“ nennen. Aber dann war da Linkin Park. Ich weiß auch nicht mehr, welcher der erste Linkin Park-Song war, den ich bewusst wahrgenommen habe. Wahrscheinlich war es „In the End“ oder „Leave out all the Rest“, einer der ruhigeren Songs. Aber wirklich in mein Gedächtnis eingebrannt hat sich „Numb“, dieser verzweifelte Aufschrei von einem Song, wie aus einer Seele kurz vor ihrem endgültigen Zerbrechen. Weniger wegen dem Inhalt, mit dieser Emo-Dramatik á la „Every step that I take is another mistake to you“ konnte ich damals noch nichts anfangen und mittlerweile auch nicht mehr. Aber augenöffnend war für mich, wie Chester Bennington diesen Text vortrug: während er in den Strophen noch melodisch sang, näherte sich im Refrain klanglich einem Schrei. Plötzlich lernte ich, dass Rockmusik nicht gefällig sein muss, dass sich die Emotionalität des Inhalts auch in der Form eines Songs manifestieren konnte und dann sogar direkter spürbar wurde. Vielleicht war das der Startpunkt für meine Begeisterung an Hardcore? Aber je tiefer ich dort eintauchte, desto gefälliger schienen mir Linkin Park selbst und das Interesse an der Band erlosch zusehends. Schade eigentlich, denn jetzt wo ich für diesen Beitrag wieder in "Meteora" reingehört habe, merke ich wieder, wie großartig diese Band eigentlich war. Und dass sie einer ganzen Generation den Weg in die härteren Stile der Musik gezeigt haben, rechne ich ihnen hoch an.
Weitere Anspieltipps: Faint, Breaking the Habit, Session
"Meteora" erinnert mich an eine Zeit, in der sowohl ich als auch die Welt irgendwie sehr anders war. Linkin Park waren noch relativ frisch zu meiner ersten musikalischen Voll-Obsession erklärt worden, während ich mich gerade an der Schwelle zum Teenager-Dasein befand. "What I've Done", eine Single des damals aktuellen Albums "Minutes To Midnight", hatte für einen Erstkontakt mit der Band gesorgt, "Hybrid Theory" war zu meinem zwölften Geburtstag ein Geschenk meiner Eltern und sorgte für mindestens zwei Jahre musikalischer Monopolstellung. Das Verrückte: Trotz einer unzweifelhaften Linkin-Park-Besessenheit wusste ich lange Zeit nicht, dass "Meteora" überhaupt existierte. Die Weiten des Internets standen mir zwar damals auch schon offen, aber anscheinend war mein Zugang zu Informationen damals dennoch ein anderer - schließlich kenne ich heute teilweise komplette Diskographien von Bands, die ich gar nicht mag. So aber musste nach der neuen Erkenntnis ein Gang in die lokale Bücherhalle (!) folgen, um diese musikalische Lücke schnellstmöglich zu füllen. Was "Meteora" mir daraufhin klanglich anbot, spielte mir damals exakt in die Karten. Zugegeben: Heute würde diese Platte ohne Nostalgie-Bonus bei mir wahrscheinlich ziemlich klar durchfallen. "Don't Stay" als Opener war damals der absolute Oberbrecher, heute bin ich von 2000er-Nu-Metal dann aber doch eher gesättigt. "Breaking The Habit" macht deswegen aus heutiger Sicht immer noch die beste Figur: Ein Song, der ganz anders ist als der Rest der Platte und balladesk getrieben wird, ohne dabei in Schwülstigkeit zu verfallen. Ein bisschen weniger strukturelle Klischeehaftigkeit hätte dem Track durchaus gut getan - aber die Instrumentation entschädigt für Vieles.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.