Body Count und „Carnivore“: Fett und blutig
01.03.2020 | Felix ten Thoren
Body Count feiern Geburtstag, ihren Dreißigsten, um genau zu sein. Genug Zeit also für die Urväter des Rap/Metal-Crossovers, um durch diverse Zerwürfnisse, Unterbrechungen, kreative Flauten und persönliche Schicksalsschläge reichlich Abfuck für eine siebte Platte anzusammeln. „Carnivore“ heißt diese, wobei hinter der titelgebenden Zerfleischung weniger Agenda steckt als manch besorgter Beyond-Meat-Bürger im Vorfeld vermutet hatte: „Wir dachten uns, alles was Fleisch frisst, geht ziemlich steil nach vorne – wir sind Fleischfresser“, so die bestechende Logik von Frontmann Ice T.
Steil nach vorne geht dann auch gleich der Titelsong „Carnivore“, dessen widerlich fette Produktion zudem um comichaft-lautmalerische „Roar, Roar“-Ausrufe ergänzt wurde. Das ist alles genauso sinnbefreit wie spaßig und somit der perfekte Einstieg in ein Album, das ohnehin lieber zu dick als zu dünn aufträgt, sei es bei Splatter-Fantasien wie „No Remorse“, der Midtempo-Hardcore-Nummer „Point The Finger“ oder dem obligatorischen Motivationssong „Another Level“. Ein Hauch von Evanescence weht mit „When I’m Gone“ herein, sobald sich Westcoast-Urgestein Ice T auf ein düsteres Duett mit Gastsängerin Amy Lee einlässt. Und natürlich finden sich wieder diverse sozialkritische Wutausbrüche auf „Carnivore“, neben dem erwähnten „Point The Finger“ insbesondere die Up-Tempo-Rocknummer „Bum-Rush“ und der dramalastige Closer „The Hate Is Real“. Also alles beim Alten bei Body Count? Ja, nur scheinen Ice T, Ernie C und die anderen Kumpanen nach 30 Jahren Bandgeschichte endlich ihren finalen Sound gefunden zu haben.
Wertung
Die besten Crossover sind ja eigentlich immer die, bei denen man nicht sofort merkt, dass es Crossover sind. Eine Ausnahme scheint für die Urväter dieses Genres zu gelten. Auf ein wenig Trash und Übertreibung muss man sich schon einlassen können, dann aber macht Body Counts "Carnivore" wirklich Spaß.
Wertung
Die karikaturhafte Überzogenheit von "Carnivore" sorgte bei mir zuerst für stirnrunzelnde Skepsis, entwickelte sich aber nach ein paar Durchläufen zu wilden Luftgitarrensoli und spontanen Chewbacca-Imitationen.
Felix ten Thoren
Felix widmet sein Studium der historischen und systematischen Musikwissenschaft in Hamburg. Er wurde mit HipHop sozialisiert, findet aber auch Gefallen an diversen Stilrichtungen von Blues bis Hardcore.