"Am Ende des Tages sind wir alle gefickt“ - so direkt und doch verträumt ist das neue Album von Love A
01.05.2017 | Ole Lange
Vielleicht liegt es einfach an der Stimme von Jörkk Mechenbier, vielleicht sind es die eintönigen Gitarren- und Bassmelodien, der Klang des Schlagzeugs oder aber einfach das Gesamtpaket, aber jedes Lied von „Nichts ist neu“ ist zu einhundert Prozent Love A. Zum Glück. Ein viertes Album sorgt oftmals für Veränderungen, doch dies trifft hier nicht zu. Mit der ersten Veröffentlichung „Nichts ist leicht“ gab die Band schon einen klaren Einblick in das musikalische Universum, in dem sich das Album befinden würde. Mit einer melancholisch tanzenden Leichtigkeit wird jeglicher Weltschmerz mit Hilfe von verspielten Gitarrenklängen und direkten Texten angesprochen.
Insgesamt behandeln Love A eigentlich nicht greifbare Themen sehr direkt, aber irgendwie fällt das durch die Natürlichkeit der Band nicht auf. Gerade bei „Nachbarn II“ geht es um die Ignoranz der Menschen, in Bezug auf beispielsweise Alkoholmissbrauch oder Selbstmord. Eingängige Gitarrentöne und eine gewisse Arroganz oder Ironie in der Stimme putzen diese Themen auf eine gute Art herunter. Man merkt schnell, wie ernst es die Band meint, doch fasst man dies erst mit dem zweiten Mal Hören genau auf. Oder mit dem dritten.
„Wir müssen Risse haben, damit das Licht herein kann. Wir müssen Kanten haben, damit es Risse gibt.“
In einem Interview meinte Jörkk Mechenbier einmal, dass er es nie schafft, mehr Zeit in die Texte zu stecken. Vielleicht sorgt gerade das für die Offenheit, die Love A an den Tag bringt. Gleichzeitig merkt man ihm aber auch dieses verträumte Denken an. „Wir müssen Risse haben, damit das Licht herein kann. Wir müssen Kanten haben, damit es Risse gibt“ heißt es im Lied „Kanten“ - eines der schönsten Zitate des Albums. Die Fingerfertigkeit von Gitarrist Stefan Weyer ist aber auch prädestiniert für die fantastischen Illusionen, die das Album bietet.
„Weder noch“ ist mit das Sinnbild aller Vorurteile. Post-Punk klang noch nie so harmlos und hat gleichzeitig so stark die Meinung auf den Tisch gebracht. Man könnte bei der Energie der vier Jungs glatt meinen, es wäre eine Band Anfang der Zwanziger mit der Weisheit eines 74-Jährigen. Love A suggerieren nicht, Love A sprechen aus, was sie denken. Die gewisse Eigenheit, welche sich die Band erarbeitet hat, nutzt sie in jeder Sekunde des Albums. „Treeps“ ist indes der kraftvollste Song von „Nichts ist neu“ und setzt mit gewaltiger Aggression eine ordentliche Backpfeife. Die Wut auf sich selbst wird mit einem vielfältigen Arrangement zwischen Gitarre, Bass und Schlagzeug exzellent vermittelt.
Fast schon jazzig ist „Sonderling“. Und weil der Song nicht nur so heißt, sondern auch eine besondere Stellung hat, ist er sozusagen der Geheimtipp. Widerspiegeln tut er auch genau das. Ruhigere Klänge bedienen den Text, wodurch man auch zum Zuhören angepriesen wird. Der deutlichen Ansprache, dass jede Meinung Gewicht hat, kann wirklich keiner entgehen.
Nichts ist neu“ klingt zusammengefasst schon gar depressiv menschlich. Wut, Hass, Zorn, Trauer und Angst vor der Zukunft sind sinnbildliche Begriffe für die neue Platte von Love A. Textlich gesehen zumindest. Musikalisch setzt die Band wieder einmal auf hohe Gitarrentöne und einzigartigen Gesang, wodurch oftmals die gedrückte Stimmung der Texte auf gar schon krasse Art verharmlost wird. Freude kommt auf, wenn man der Melodie in jedem Lied folgt und man vergisst, obwohl man es eigentlich hinter die Ohren geschrieben bekommt, das ganze Unheil dieser Welt.
Wertung
Das Album hat mich sofort gepackt. Es zerrte mich praktisch in den Bann und ich hab es sicherlich schon 30 Mal komplett durchgehört. Es ist keine 10/10, weil ich für mich selbst nicht sagen kann, wie eine 10/10 genau klingen muss und ich mir daher Luft nach oben lasse. Doch sie wird dünn!
Wertung
Love A ist ein ganz eigenartiges Phänomen: Eigenartige Stimme des Sängers, eigenartige Texte, eigenartige Melodien. Genau das mag ich an dieser Kapelle und genau das gefällt mir an "Nichts ist Neu".
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.