Alex Mofa Gang und "Euphorie am Abgrund": Tiefes Loch oder Licht am Ende des Tunnels?
14.10.2024 | Mark Schneider
Ladies and Gentlemen, es ist kaum zu glauben, aber "Nacht der Gewohnheit" als letztes Album von Alex Mofa Gang ist auch schon wieder über zweieinhalb Jahre alt. Für die Band aus Berlin Grund genug, um noch einmal nachzulegen und zehn Jahre nach der ersten EP "Vorwort" Studioalbum Nummer Fünf rauszuhauen. Das Zentrum des Plattencovers bildet ein grinsender, gelber Smiley, während sich drum herum in lila gehaltene und nach außen größer werdende Kreise auf schwarzem Grund befinden. Passend zum Titel "Euphorie am Abgrund" sieht das Ganze also entweder aus wie ein großes Loch von oben, auf dessen Grund sich der stellvertretend für die Euphorie stehende Smiley befindet, oder aber auch wie ein Licht am Ende des Tunnels. Vielleicht befindet sich die Euphorie am Abgrund, ist aber noch nicht darüber hinweg befördert worden? Beide Varianten sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Ausgangssituationen, zum einen Pessimismus, zum anderen Hoffnung auf bessere Zeiten. Welche Variante passt aber zum neuen Album von Alex Mofa Gang?
"Euphorie am Abgrund" umfasst zwölf Songs und hat eine Spieldauer von knapp 39 Minuten. Hier haben wir im Bereich des Punkrock schon deutlich kürzere Werke gehört und bekommen, sofern die Platte denn gefällt, eine ordentliche Spieldauer vorgelegt um das Album in vollen Zügen zu genießen. Oder in leeren Regionalbahnen, ist ja auch angenehmer. Spaß beiseite, Alex Mofa Gang lagen in der Vergangenheit mit keiner ihrer Alben wirklich daneben und, so viel sei vorweg verraten, ändern an dieser Quote auch im Jahr 2024 nichts. "Euphorie am Abgrund" klingt vor allem dank Saschas Stimme typisch nach AMG und bedient darin nicht erst seit heute das ganz große Wiedererkennungsmerkmal der Band. Bereits zu "Nacht der Gewohnheit" wurde in der Musik sehr stark in die persönliche Perspektive gewechselt und das auch nun zu allergrößten Teilen beibehalten. Nur selten, zum Beispiel in "Eiszeit in Berlin", wird eine eher beobachtende Rolle eingenommen. Die Tagesordnung von Alex Mofa Gang sieht jedoch meistens persönliche Texte mit einer gehörigen Portion emotionaler Tiefe vor. Und wenn Sascha mal nicht aus der Sicht des lyrischen Ich singt, dann doch wenigstens vom Du. In diesem Beispiel wird sogar zumindest noch ein Wir daraus.
Wer Alex Mofa Gang und ihrem neuen Album "Euphorie am Abgrund" das eigene Ohr leiht, bekommt ein Punkrockwerk mit auflockernden Aspekten präsentiert. Die Band ist meilenweit weg davon, stumpf drei Akkorde und Parolen zu kloppen. Einflüsse von Pop, die hier bereits zum letzten Werk als radiotauglich betitelt wurden, gehören ebenso zum Sound der Berliner wie die Klavierballade "Ich sing nicht mehr", die sich inhaltlich eher hoffnungslos und in der Variante des Lochs (auf dem Cover) positioniert. Auch "Mach neu" beschreibt die eigene Bequemlichkeit sowie das Zusammenstürzen des eigenen Kartenhauses, wettert gegen das Patriarchat und fordert eine Neuordnung, "wenn der Reichtum verschenkt ist". Doch es heißt in diesem Track auch "Lang lebe die Liebe", hier befindet sich die Euphorie definitiv noch am Abgrund. Es gibt noch Hoffnung. Sie braucht nur andere Voraussetzungen.
Eine dieser Voraussetzungen ist das Abschaffen des "Mann von gestern", der sich im gleichnamigen Song immerhin bereits im Museum befindet, dort können allerhand schwierige Attribute begutachtet werden. Alex Mofa Gang haben eine Haltung zum Leben und lassen diese auf "Euphorie am Abgrund" nicht zu kurz kommen. Sie haben Einstellungen, sogar Verbesserungsvorschläge. Und zu guter letzt haben Alex Mofa Gang einen Featuregast auf "Game Over" platziert, der aufgrund zahlreicher Kooperationen in den letzen Jahren noch weniger ein Unbekannter ist, als er es nach seiner Zeit bei Die Prinzen sowieso schon nicht mehr war: Sebastian Krumbiegel. Ob es hier noch einen weiteren Titel mit der unverkennbaren Stimme des Gastsängers gebraucht hat, sei unbeantwortet offen gelassen. Der Song an sich ist immerhin stimmig, so wie das gesamte neue Werk von Alex Mofa Gang, die uns 39 Minuten neue Musik an die Hand gegeben haben, die es Wert ist ihr Gehör zu schenken.
Wertung
Alex Mofa Gang ist eine dieser Bands, wo schon viel schief laufen müsste damit ich ihr den Rücken zukehren würde. "Euphorie am Abgrund" reiht sich lückenlos in eine Reihe von Veröffentlichungen ein, die bei mir allesamt auf Zuneigung gestoßen sind. Die Musik der Band lebt von einer unverkennbaren Stimme und einer Leichtigkeit, wie sie manch alteingessesener Punkrockband manchmal gut tun würde. Wer sich in den letzten Werken der Band bereits wohlgefühlt hat, kann bedenkenlos wieder zugreifen.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.