The Day und „Midnight Parade“: Tanz in Zeitlupe
14.01.2019 | Erik Swiatloch
Es gibt sie, diese Alben, die dich von dem ersten Song an in ihren Bann ziehen. Man kann nicht aufhören, sie zu hören. Jeder Track schickt einen auf eine besondere musikalische Reise. Diese Alben sind selten. Aber es gibt sie. „Midnight Parade“ ist ein solches Album.
Das Duo The Day, bestehend aus Laura Loeters und Gregor Sonnenberg, verzeichnet sich selbst irgendwo zwischen Indie, Dream-Pop und Shoegaze. Und auch wenn all diese Genres schon ein großes musikalisches Spektrum vermuten lassen, steckt in ihrem Longplayer mit 13 Tracks noch viel mehr. Er greift dich bei der Hand, zieht dich liebevoll mit auf eine einsame, schöne Insel, die auch ein bisschen geheimnisvoll ist. Der erste Song mit dem Namen „Island“ macht genau das und lässt einen ruhig und doch leicht euphorisch vor der heimischen Stereoanlage verstummen. Die Befürchtung, dass schon am Anfang der Scheibe das ganze gute Pulver verschossen wird, schwindet mit jedem weiteren Song, der zwar die gleichen Emotionen ausstrahlt wie der jeweils vorige, aber dennoch ganz anders klingt, sich nicht wiederholt und schon gar nicht langweilt.
Wenn man bedenkt, dass die beiden Musiker aus Utrecht und Hamburg ihr Album abgesehen von den Schlagzeug-Spuren gänzlich in Eigenregie aufgenommen und produziert haben, beeindruckt der glasklare und absolut hochwertige Sound des Albums noch mehr. Hier sind Musiker am Werk, die sich lange Zeit selbst gesucht, ausprobiert und letztlich phänomenal gefunden haben. Ein Sinnbild von Symbiose und Ausgewogenheit.
Durch die intelligente Instrumentierung, in der praktisch so gut wie nie ein bestimmtes Instrument im krassen Vordergrund steht, sich alles an- und ineinander schmiegt, kommt das ganze Album daher wie ein lang ersehnter Regen nach einem heißen Tag, der den unvergleichlichen und nach Freiheit riechenden Duft von Tropfen auf warmen Asphalt mit sich bringt und klingt gleichzeitig nach einem 44-minütigen Happy End eines Kinofilms, welches dir Gänsehaut bis in die letzte Spitze deines Körpers bereitet.
Letztlich ist „Midnight Parade“ ein wahnsinnig starkes Album, was zu jeder Gefühlslage, zu jeder Tageszeit und fast jeder Aktivität passt. Es ist ebenso unbeschwert wie schwerfällig. Es tröstet oder pusht dich. Es tanzt mit dir durch den Regen oder läuft mit dir einsam durch die Nacht. Doch was es davon tut, liegt am Ende ganz im Ohr des Hörers.
Wertung
„Midnight Parade“ legt gleich mit dem ersten Track die Latte hoch, hält seine ganze musikalische Spannung von Anfang bis Ende aufrecht und zwingt dich dazu, es gleich nochmal zu hören. Wie ein Tanz in Zeitlupe mit deinem liebsten Menschen, in einer warmen Sommernacht unter Bäumen, an den man sich immer und immer wieder gerne mit einem Lächeln auf den Lippen erinnert.
Erik Swiatloch
Erik kommt aus dem nebelverschleierten Thüringer Wald. Das erklärt wohl auch seine Vorliebe für melancholische und bedrückende Klänge. Als Filmkomponist, Musiker und Tonstudiobetreiber hat er in seinem kompletten Alltag mit nichts anderem als Musik zu tun.