Elfmorgen und "Zuhause": Eingängige Eintönigkeit
05.12.2019 | Meret Stursberg
Beim neuen Album "Zuhause" von Elfmorgen erwartet uns eine Mischung aus Bands wie Radio Havanna, ZSK oder den aktuellen Toten Hosen. Wer auf diese Richtung deutschen (Pop-)Punks steht, ist mit dem Album perfekt bedient: Klar gegen Nazis, humorvolle und gefühlvolle Songs - damit ist so ziemlich alles dabei, was das angesprochene Publikum benötigt, um mitzutanzen und zu singen. Sowohl für Hörer und Hörerinnen, die sich gerade an Punk herantasten, als auch jene, die generell diesen eher weichgespülten kleinen Bruder des harten Punk-Rocks bevorzugen, bieten Elfmorgen ein gutes Album. Doch was mir persönlich und vermutlich auch einigen anderen Musikliebhabern aufstoßen wird und das Album etwas abwertet, ist das ständige "Oh-Oh-Oh" in fast jedem Lied. Was sich vielleicht gut zum Mitgrölen eignet, hat man leider auch schon Überall gehört und nimmt musikalische Qualität. Es geht zwar schnell ins Ohr, aber wirkt auch leider sehr eintönig. Ähnlich sieht es mit den gewählten Melodien aus: Keineswegs schlechte Umsetzung oder grausam anzuhörende Musik. Dafür aber viel zu vorhersehbare Pausen, zwar passende, aber auch nicht wirklich überraschende Bridges und immer gleiche Beats. Die Ska-Einflüsse werten dieses Bild wieder ein wenig auf und bringen etwas Abwechslung in das immer gleiche Muster. Live macht die Band bestimmt sehr viel Spaß. Für Fans von eher härterer Musik bietet dieses Album aber wenig und wird vermutlich schnell langweilig.
Die inhaltliche Positionierung der Band ist gleichermaßen wichtig wie bekannt. Es ist gut und keinesfalls obsolet immer wieder darauf zu beharren, dass man gegen Nazis ist, gerade in den heutigen Zeiten. Jedoch wirken die Formulierungen etwas ausgelutscht und auch hier wäre etwas mehr kreativer Spielraum wünschenswert. Ein einfaches "[...] gegen Adolf Hitler, gegen die NPD, gegen diese Nazi-Wichser, gegen die Spinner der AfD", zeigt zwar klar die Positionierung, bietet aber wenig mehr. Die restlichen Texte handeln von altbekannten Themen: Liebe, Älterwerden, Individualismus, Bier, Freundschaft - insgesamt das Leben mit all seinem Drum und Dran. Alles Themen, die der Band am Herzen liegen und bei denen sich wohl viele Fans identifizieren können. Schön ist die Aussage des Liedes "Kind", wo es darum geht, individuell und kindisch in einer verwelkenden Welt zu bleiben. Es ist ihr hoch anzurechnen, wenn eine Band nach so langer Zeit des gemeinsamen Musizierens noch immer nicht ihr inneres Kind verloren hat. "Krach für euch" wirkt wie eine weitere Ausführung des Zitats "Ihr habt die Rolex, ich die Zeit". "Schön" oder "Nur für dich", wie typische Liebeslieder, welche keine sein wollen.
Trotz all der Kritik merke ich, dass das Album von Herzen kommt, die Band und die Fans sicher viel Spaß damit hatten und haben werden. Bemerkenswert ist, dass die Band nach all den Jahren immer noch zusammen Musik macht und vielleicht erklärt das lange Bestehen der Band auch die meist altbekannten Themen.
Beim Lied "Bei aller Liebe" bringt das changieren zwischen "Oh-eh-oh", "La-la-la" oder "Ba-da-ba-da-ba" leider auch keine wirkliche Abwechslung bringt. "Alle trinken mit auf das, was früher war" erinnert sehr an die aktuellen Toten Hosen in einem schnellerem Gewand. Der Song generell scheint aus den typischen Parolen zu bestehen: "Alle springen, alle tanzen, keiner bleibt zurück". Das Lied soll Spaß machen, geht schnell ins Ohr und zeigt die Gefühle der Band, und ist damit sehr beispielhaft für das Album. Auch dieses Lied hat mich aber leider nicht wirklich überzeugen können, da es mir wenig wirklichen kreativen Inhalt gegeben hat.
Die altbekannten Themen der Band, kann man damit verteidigen, dass es schwierig ist, in Zeiten, wo es ja quasi alles schon gibt und über alles schon einmal gesungen wurde, etwas Neues zu erschaffen. Aber das gesamte Zwischenspiel des Albums in Hinblick auf Verpackung und Inhalt, kommt einem wie durchgekautes Kaugummi vor - zwar schmackhaft, aber nach ein paar Minuten verliert es mehr und mehr an Intensität und wird zäh.
Wertung
Für Fans dieser Richtung ein gutes Album, musikalisch sauber und mit inhaltlich wichtigen und vernünftigen Aussagen - sowohl Humor, Gefühl, als auch Ernsthaftigkeit sind abgedeckt. Definitiv mitsing- und tanzbar. Dennoch schwimmen Elfmorgen im Meer des deutschen Pop-Punks in die selbe Richtung wie viele Andere, zwar ohne unterzugehen, aber auch ohne obenauf zu schwimmen. Mir persönlich hat es mit den ständigen "Oh-oh-oh"s und recht gleichklingender Musik schon nach der Hälfte die Lust am Zuhören genommen.
Wertung
Großartiger Punkrock mit Herz, Hirn und Humor. Vielleicht sind die Jungs alterstechnisch etwas fortgeschritten, aber tragen die jugendliche Attitüde stolz auf der Brust. Texte und Musik die ins Ohr gehen und live sicherlich eine super Erfahrung sind. Elfmorgen müssen unbedingt weiter Musik machen; sie sind die Art erwachsener Menschen, die Art Band, bei denen das innere Kind überlebt hat. Gott sei Dank! Bitte immer gerne mehr davon.
Meret Stursberg
Momentan studiert Meret Philosophie in Düsseldorf und arbeitet ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, treibt sich aber ansonsten die ganze Zeit auf Konzerten oder Festivals quer durch Deutschland und in anderen Ländern rum. Sie liebt Reisen und lernt auch im Ausland viele interessante Musiker kennen. Ansonsten spielt sie selber mehr schlecht als recht Bass in einer kleinen Punk-Band. Musikalisch kann sie fast jedem Genre etwas abgewinnen und bezeichnet ihre Playlist auch als Büchse der Pandora, weil zwischen Punk, Indie, Rock, Ska, Metal, Trash und Hip Hop manchmal auch einfach klassische Musik oder Kinderserien-Intros anspringen.