First Breath After Coma und "Nu": Und watt nu?
26.02.2019 | Julius Krämer
Dass es auch anders geht, zeigen First Breath After Coma mit einem im besten Falle mittelmäßigen Album "Nu". Das dritte Werk der Portugiesen setzt immer noch auf das alte Credo "weniger ist mehr", entfernt sich jedoch deutlich vom Postrock der beiden Vorgänger und orientiert sich an zeitgemäßem Sound-Design und modernen Soul-Spielereien, die in den meisten Fällen und besonders im Gesang an das schon erwähnte Post-Soul-Wunderkind James Blake erinnern. Flächige Reverb-Gitarren im Ambient-Stil gehören der Vergangenheit an, stattdessen setzt das Quintett als harten Kontrast auf pseudo-analogen Single-Note-Bombast, der sich wie in "The Upsetters" oder "Feathers And Wax" hörbar am Hiphop-Multiinstrumentalisten Mike Dean orientiert. Dieser zeigte sich schon für den charakteristischen Gitarrensound bei Kanye West oder Travis Scott verantwortlich und prägte schon den unverwechselbaren Sound der Österreicher Bilderbuch.
Ansonsten dominieren auf "Nu" experimentelle Drums, Klavier und ein oft mehrstimmiger Falsett-Gesang – eine Kombination, die nach einem Hybrid aus Woodkid und Sampha klingt, auf Songs wie "Heavy" aber nicht viel mehr unternimmt, als diese beiden Klangwelten übereinander zu legen. First Breath After Coma schreiben keine schlechten Songs und ihr Album hat durchaus seine Momente, das verschrobene Gitarrensolo über die stimmige Produktion von "Feathers And Wax" etwa. Allerdings versucht die Band dauernd, wie eine experimentellere Version von Portugal. The Man zu klingen und findet trotz ihrer Neuorientierung nicht zu einem stimmigen, eigenen Sound. Der letzte Song "I Don't Want Nobody“ etwa würde gerne die intime Energie der frühen Coldplay entfachen, verkommt mit seinen neun Minuten jedoch zu einem Beispiel für Langeweile.
Wertung
Trotz einiger guter Ansätze verspielen First Breath After Coma ihre Chance, ein portugiesisches Pendant zu James Blake mit Post-Rock-Einfluss zu werden. So bleibt "Nu" die nette, aber unbeholfene Kopie seiner Vorbilder.
Julius Krämer
Julius stammt aus dem hoffnungslos unterschätzten Wuppertal und studiert momentan Musikpädagogik und Politikwissenschaft in Münster. Neben seiner Tätigkeit als Gitarrist in verschiedenen Bands begeistert ihn alles von Prog über Alternative bis Hardcore, er unternimmt aber auch gerne Ausfüge in HipHop, Jazz oder elektronische Musik und mag dabei besonders die Verarbeitung übergeordneter Gedankengänge oder des Zeitgeschehens in der Musik.