Flares und "Allegorhythms": Hier und jetzt
11.12.2018 | Julius Krämer
Schließlich zeichneten sich die Pioniere des Prog-Rocks nicht durch waghalsige technische Spielereien aus, sondern oft dadurch, sich die nötige Zeit für Arrangements und das Erzählen einer musikalischen Idee zu nehmen. Insofern täuscht der Opener "Amusement Rides" etwas darüber hinweg, was sich sonst wie ein roter Faden durch "Allegorhythms" zieht. Der Song besticht durch wunderbar verkorkste Frank Zappa-Rhythmik und gibt so einen energetischen und stellenweise fast schon euphorischen Einstieg ins Album. Der autarke zweite Teil des Songs führt direkt eine weitere große Referenz von Flares an: Den Hochglanz-Rock eines Steven Wilson, der sich mit seinem letzten Album "To The Bone" auch immer eingängigeren Sounds angenähert hatte.
Mit "Sonde 4" beginnt aber bereits Flares' Vorliebe für sphärische Flächen-Romantik: Durch den Reverse-Fleischwolf gedrehte Gitarren-Sounds geben den Ton für die folgenden fünf Songs vor. Die fünf Musiker beginnen ihre fast durchgängig instrumental gehaltenen Kompositionen üblicherweise mit repetitiven Melodiebögen, die sie mit leichter, aber stetiger Veränderung bis in eine trance-artige Ekstase steigern. Diese Zeit für lange Spannungsbögen offenbart, dass sich die Band Mogwai wohl näher fühlt als Can. "Savannah" etwa beginnt mit dezentem Ambient-Teil voller ruhiger, cleaner Gitarren, geht aber immer mehr in einen treibenden, arabisch anmutenden Funk-Part über.
Leider hat man während des gesamten Albums nicht das Gefühl, dass Flares dem Prog/Post-Rock-Kosmos sonderlich viel Neues hinzuzufügen hätten. Weite Teile des Albums hat man Oceansize oder Porcupine Tree schon besser und ausgereifter gehört – was aber selbstverständlich nicht der Maßstab sein muss. Aber spätestens, wenn im letzten Song "Ikarus" der charakteristische Blade-Runner-Synthie erklingt, sind die stilistischen Vorbilder des Albums klar.
Wertung
Proggiger Post-Rock aus dem Saarland klingt erstmal ungewöhnlich, so ganz neu ist der Sound von Flares jedoch nicht. Macht aber nichts, die gelungenen ausschweifenden Instrumental-Arrangements von "Allegorhythms" laden zum ausgiebigen Schwelgen im 60er und 70er-Jahre-Krautrock ein, ohne gewollt retro zu klingen.
Julius Krämer
Julius stammt aus dem hoffnungslos unterschätzten Wuppertal und studiert momentan Musikpädagogik und Politikwissenschaft in Münster. Neben seiner Tätigkeit als Gitarrist in verschiedenen Bands begeistert ihn alles von Prog über Alternative bis Hardcore, er unternimmt aber auch gerne Ausfüge in HipHop, Jazz oder elektronische Musik und mag dabei besonders die Verarbeitung übergeordneter Gedankengänge oder des Zeitgeschehens in der Musik.