Frittenbude und „Rote Sonne“: Trotzphase
24.02.2019 | Sarah Ebert
Dass „Rote Sonne“ im Spätsommer des letzten Jahres entstanden ist, hört man den Songs der Platte unweigerlich an. Nach intensiven Jahren hatten sich Frittenbude ihre erste längere Pause vom Bandleben gegönnt, um wieder zu sich selbst zu finden und um mit neuer Energie Studioalbum Nummer fünf zu produzieren. Das Ergebnis ist eine Reihe von Titeln, die an Sommer, durchtanzte Nächte und den ernüchternden Kater des nächsten Morgens erinnern. Irgendwo zwischen Glückseligkeit und Weltschmerz klingt das Album weder so hedonistisch wie einst „Nachtigall“ noch so melancholisch wie „Küken des Orion“. Vielmehr macht sich das Gefühl breit, dass Frittenbude zwar immer noch alles scheiße finden, sich mit dieser Tatsache aber mittlerweile abgefunden haben und für die Missstände unserer Zeit nur noch ein müdes Lächeln übrig haben.
„Insel“ vertont die gewählte Trotz-Haltung der Band, die chronisch unzufrieden ist und dennoch das Beste daraus macht. „Süchtig“ kommt mit einem unverschämt eingängigen Feelgood-Sound daher, während die Lyrics vom Hochgefühl des Rauschs und der beklemmenden Leere nach dem Erwachen handeln. In „Kanister“ wird mit bedrohlich knarzenden und kreischenden Sound-Arrangements und Textzeilen wie „So gut wie es geht, lassen wir es uns geh’n/ bis es nicht mehr gut geht und wir rot wie Blut seh’n“ das kollektive Augenverschließen angeprangert. Insgesamt zeichnen sich die Songs der Platte durch einen vielschichtigen und breiten Sound aus, der Johannes Rögners Sprechgesang gekonnt in Szene setzt. So wird „Brennen“ mit rhythmisch-flirrenden Gitarrensounds, durchdringendem Dröhnen und eingespielten Stimmfetzen eröffnet, um schlussendlich ein nachhaltiges Kopfnicken bei der Hörerschaft auszulösen.
Gemeinsam mit Jörkk Mechenbier von Love A erteilt die Band mit „Die Dunkelheit darf niemals siegen“ eine klare Abfuhr gegen alles und jeden. Die zugleich verspotteten und gefürchteten Idioten werden nicht nur als „Rechtspopulisten, Identitäre, Faschos“ identifiziert, sondern in allen Gesellschaftsschichten und vermeintlich alternativ-toleranten Sparten ausgemacht.
Nachdem sich Frittenbude also wieder ausgiebig durch die Untiefen des gesellschaftlichen Verfalls gegraben haben, darf die beanspruchte Hörerschaft bei „Goldie“, „Vida“ oder „Emma“ endlich wieder aufatmen und atmosphärischen Songs mit weniger Gewicht lauschen.
Obwohl sich der Großteil der Tracks mit Ablehnung, Hass und seinen Folgen auseinandersetzt – sei es plakativ oder gewohnt kryptisch – haftet ihnen doch ein Gefühl der Zuversicht und des Aufbruchs an. Die Zeiten der ungehemmten Eskalationen und laut geschrienen Parolen haben Frittenbude wohl endgültig hinter sich gelassen - die Message, die ihrer Musik innewohnt, scheint allerdings unverändert.
Wertung
„Rote Sonne“ flimmert wunderbar zwischen den Stimmungen und klingt tanzbar, wütend, atmosphärisch und zuversichtlich zugleich, sodass das Album schon nach dem ersten Hördurchlauf in Dauerschleife rotierte. Frittenbude revolutionieren ihren Sound nach der kreativen Schaffenspause allerdings nicht, sondern kreieren eher einen wohlsortierten Querschnitt ihrer bisherigen Diskographie.
Wertung
Kann man mal machen: Ein kürzerer Albumtitel bedeutet hier jedoch nicht automatisch auch Kurzweiligkeit. Frittenbude tun, was sie immer tun. Freshen Electro-HipHop bzw. Indierap auf selfmade Synthiebeats und Gitarrenakkorde mit System-, Sozial- und Gesellschafts-, sowie Selbstkritik, die in „Die Dunkelheit darf niemals siegen“ ihren absoluten Höhepunkt entlädt. Und auf der anderen Seite das Druffi-Deutschpoetentum, das irgendwie zum Lifestyle der Jungs, zumindest aber auf jede Frittenbude-Platte gehört. Neu erfinden tut sich die Band auf „Rote Sonne“ also nicht. Aber nach 2019 klingt die Platte allemal.
Sarah Ebert
Sarah lebt in Frankfurt und hat ihr Studium der Germanistik, Philosophie und den Erziehungswissenschaften gewidmet. Sie brennt für gute Musik aller Art, lässt sich aber wohl am ehesten zwischen Punk, Rock & Indie verorten.