Goldzilla und „Goldzilla vs Dortmund“: Deutschland muss sterben. Deutschpunk aber auch.
26.06.2022 | Steffen Schindler
Mit einem Statement eröffnen Goldzilla ihr Langspieldebüt: „Neuer Deutschpunk ist ab heute inklusiv, antirassistisch, feministisch und queer“ heißt es in „Repariert, was euch repariert“ hat. Es ist eine Abrechnung mit einem Genre, das sich oft als progressiv darstellt, aber dann oft nur Macker beherbergt, für die das Lippenbekenntnis „Nazis raus!“ das höchste der politischen Gefühle darstellt.
Überhaupt sind Macker immer wieder das Ziel der Wut von Goldzilla und den Feature-Gäst:innen: Dass Rap-Punk auch ohne fehlende Oberbekleidung und mit ehrlicher Selbstreflektion funktionieren kann (wenn man jemals einen Auftritt von Swiss und den Anderen gesehen hat, will man das gar nicht glauben), beweist Basbi Tollwut auf ihrem Feature-Part in „Straßenbahn“. „Feminismus oder Schlägerei“ ist die Parole auf „Ultraviolett“, den Sabrina von der Band Lügen singt.
Wer sich jetzt denkt, „diese verklemmten Feminst:innen sollen uns mal den Spaß lassen“, hört das Album bitte noch einhunderteinundsechzig Mal. Wer es dann immer noch nicht verstanden hat, warum es solche Songs braucht, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Aber wer Spaß haben will: „Goldzilla vs Dortmund“ bietet auch angenehm stumpfen Wortspiel-Core („Satiere“, „Cops aufs Maul“) und sogar vertonte Memes („Sodastreamfan“).
Apropos Memes: „Hausverbot im Flixbus“ könnte zu einer Hymne der Sylterstürmung werden. Auch wenn diese Idee wahrscheinlich nie so gut war und schon längst tot ist, war die Nordseeinsel für ein paar Wochen der Code für einen Versuch, sich Freiräume zu erobern, dem Alltagstrott zu entfliehen und das gute Leben zu führen. Diese Sehnsucht findet sich immer wieder auf dem Album: „Das Lagerfeuerlied“, „Die Südsee und Berndt“ oder „Mein Herz ist ein illegaler Rave“ sind Songs über nie stattfindende Ausbrüche, die damit einhergehenden Resignation und Zweifel werden in die fast schon rachutschen „Unterwasser“ oder „Tricks“ gegossen.
Hier kommt der Dreampop-Einfluss, den die Band immer wieder betont, zu Tragen. Flirrende Gitarren und klagender Gesang bauen sich so auf, dass sie einem beim Hören immer wieder Gänsehaut bescheren. Auch der Wechselgesang auf Songs wie „DDD“ sorgt für intensive Momente. Dass diese Gefühle nicht das ganze Album über präsent sind, verwundert bei 17 Songs mit vielen musikalischen und inhaltlichen Kontrasten kaum. Trotzdem ist das Album gut durchhörbar, es fühlt sich kein Song zu viel an. Entweder sind sie angenehm kurz oder haben eine Hook, die sich beim Konzert im AZ problemlos mitbrüllen lässt. Im oft erreichten Idealfall sogar beides.
Wertung
Deutschpunk ist nicht tot, er riecht nur komisch. Goldzilla räumen diese Scheiße weg und Dortmund gleich dazu. Der Rest von Deutschland ist hoffentlich auch bald dran.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.