Greta Van Fleet und „Anthem of the Peaceful Army“: Believe the Hype?
16.10.2018 | Jonas Mönter
Die kurze Bandbiographie von Greta Van Fleet liest sich wie ein Blaupause für den Traum eines jeden Musikers: Drei Brüder und ein High-School Freund gründen eine Band, veröffentlichen eine EP, werden in einer Chevrolet Werbung und diversen Fernsehserien gefeaturet und landen sogar in den Charts. Es folgt eine zweite EP, die auf Platz 36 der amerikanischen Billboard-Charts landet, Auftritte mit Guns’n’Roses in Europa, bei Rock am Ring und Rock im Park und das innerhalb von knapp zwei Jahren und ohne Album im Rücken.
Der Erfolg von “March of the Peaceful Army” scheint also vorprogrammiert zu sein, die Marketing-Maschine läuft auf Hochtouren und die ganze Welt scheint begeistert. Es stellt sich bei den ganzen Led Zeppelin Vergleichen natürlich die Frage, ob Greta Van Fleet genug Eigenständigkeit mitbringen, um mehr zu sein als eine Kopie, denn es schleicht sich ständig das Gefühl ein, dass man hier ein verschollenes Led Zeppelin Album auf dem Plattenteller hat. Der Effekt von “Wow, hier sind diese vier blutjungen Kerle und die klingen einfach genau wie Led Zeppelin, boah das ist super krass!”, nutzt sich nach ein paar Durchläufen ab und dann bleibt nicht mehr besonders viel eigene Identität übrig. Natürlich hinken diese Vergleiche, schließlich ist alles schon einmal irgendwie dagewesen und eigentlich machen Greta Van Fleet auch nichts falsch. Trotzdem, wenn man auf Bands wie Scorpion Child schaut, die sich vom Stil her in einer sehr ähnlichen Richtung bewegen und nicht einmal im Ansatz eine ähnliche Popularität genießen, entsteht hier schon der Eindruck, dass hier die Großen der Musikindustrie eine junge Band etablieren wollen, für den Tag an dem Guns’n’Roses, AC/DC und Co. das Handtuch werfen.
Rein musikalische gibt es überhaupt nichts zu meckern, im Gegenteil. Was die vier Jungs hier abliefern hat Feeling, wirkt durchdacht und ehrlich. Gitarrist Jake hat sich natürlich von Jimmy Page inspirieren lassen, spielt er hier doch mit der gleichen reduzierten Lässigkeit und dem gleichen Gefühl für Timing wie das große Vorbild. Sänger Josh hat sich ebenfalls von Robert Plant inspirieren lassen, seien es die hohen Schreie oder die Intonation. Bassist Sam liefert geschmackvolle Bassläufe und Licks am laufenden Band und spielt sich immer wieder die Bälle mit Gitarrist Jake zu. “Age of Man” eröffnet das Album überraschend folkig, “Cold Wind” geht im Anschluss wieder mehr nach vorne, auf “Watching Over” hört man schön eingesetzte Sitar Klänge. Auch alle anderen Songs sind gut bis sehr gut und außerhalb des Led Zeppelin Kontextes ist “March of the Peaceful Army” auch ein verdammt starkes Album. Trotzdem fehlt hier (noch) der eigene Stil, aber das ist bekanntlich ein Entwicklungsprozess, für den Greta Van Fleet noch viel Zeit haben.
Wertung
Diesem Album eine Punktebewertung zu geben fiel mir unfassbar schwer. Wie bewertet man ein Album, bei dem eigentlich alles stimmt, der Funke aber nicht so recht überspringen will? Vielleicht ist es hier ein Fall von “too much, too soon”. Greta Van Fleet müssen sich auf jeden Fall noch selbst finden, wenn sie irgendwann aus dem Schatten ihrer Vorbilder treten wollen.
Jonas Mönter
Jonas lebt in Münster und studiert Englisch und Musikpädagogik. Musikalisch mag er alles mit elektrischen Gitarren, hauptsächlich läuft oldschooliger Metal und Hard Rock. Geld hat er nie, weil er das meiste seines Ersparten für Schallplatten und Bandshirts ausgibt.