Holding Absence, "The Greatest Mistake Of My Life": ...wäre, nicht reinzuhören
10.04.2021 | Jan-Severin Irsch
Das Album beginnt mit einem schönen, sphärischen Intro. In "Alive" öffnet man quasi die schläfrigen Augen mit dem geflüsterten Satz „I’m Alive“, um im darauffolgenden Track „Celebration Song“ so richtig aufzuwachen. Mit der gleichbleibenden Tonart und dem simplen, aber wirksamen Übergang zieht besagter Song den Zuhörer in eine Mischung aus Panic! At The Disco und Moll-lastigen Collegepunk. Sänger Lucas Woodland versteht es - nicht nur in diesem Song - seine Stimme zu kontrollieren und eine starke Performance abzuliefern. Auch wenn die Becken im Hintergrund etwas zu leise klingen, führen Synthies und der Rest des Drumsets den Song zu einem tollen Ende. Die gleiche Tonart wird beibehalten und so geht es in „Curse Me With Your Kiss“ mit einem lauten Schrei über Falsettstimmen hin zu einer ehrlich klingenden Strophe. „In Circles“ sticht etwas aus der Tracklist hervor, indem dort zum ersten Mal eine gewisse melancholische Ruhe zu hören ist. Mit einer einfachen Tonleiter wird der Refrain eröffnet und Sänger Woodland singt die Line „People just go on and on in Circles“. Beim ersten Hören ein eher unscheinbarer Satz, der neben einem Ohrwurm aber auch durchaus einen Denkanstoß bereithält.
Schließlich eröffnet „nomoreroses“ die zweite Hälfte des Albums und ändert die Dynamik. Leichte 30-Seconds-to-Mars-Vibes sind in der Strophe zu hören, doch entwickelt sich der Song dann in eine Mayday-Parade-Richtung. Schöne Kombination, schöne Komposition, auch wenn der Schmerz des Protagonisten der Geschichte deutlich hör- und spürbar ist. Die erste Strophe kann als erster Wutausbruch in einer Trennung gedeutet werden. Alle Emotionen müssen zunächst herausgebrüllt werden. Es folgt ein innerer Monolog mit vielen rhetorischen Fragen, untermalt von krachenden Drums und epischen Streichern. Der Song erreicht mit dem Ausruf, „I never believed in you, because you never believed in me“ seinen Höhepunkt. Eine tolle Art, Geschichten zu erzählen und diese mit der musikalisch-kompositorischen Dynamik zusammenzufügen.
Holding Absence haben schön komponierte Alternative-Rock-Songs mit einer starken Pop-Note geschaffen. Der Einsatz von Synthesizern (seien es Pads oder Streicher) sorgen für den immer unterliegenden, flächigen Klang. Die Varietät des stimmlichem Einsatzes reicht von Falsett über Bruststimme bis hin zum gut gekonnten Scream. Der mehrstimmige Gesang sorgt für die schöne Note Ehrlichkeit, um die es in diesem Album letztendlich geht. So mag die Platte in manch einem (jungen) Erwachsenen den pubertierenden 16-jährigen Jugendlichen wiederfinden, der die Welt gerade nicht wirklich versteht und durch solche Musik eine Art Halt findet.
Wertung
"Holding Absence haben eine tolle Gratwanderung mit ihrem Album hingelegt. Die verschiedenen Genres sind deutlich zu hören, doch ist alles gut aufeinander abgestimmt. Die Thematik wird mit voller Inbrunst und gutem kompositorischen Können den Zuhörer*innen dargelegt. Reinhören lohnt sich."
Wertung
„Tonnenschwere Melancholie, bodenlose Emotionalität – im Hause Holding Absence scheinen steinige Startbedingungen die Grundlage für durchaus qualitativen Output zu sein. Zuweilen zehrende, aber allzeit mundende Kost.“
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.