Holding Absence und ihr selbstbetiteltes Debüt: Melodramatisch melodisch
05.03.2019 | Johannes Kley
Das selbstbetitelte Album kommt mit elf Songs, von denen vier bereits vorab veröffentlicht wurden. Wie schon bei den bekannten Songs, sind auch die restlichen Tracks eine emotionale Achterbahnfahrt, wobei die Talfahrt deutlich überwiegt. Probleme wie Depressionen, sterbende Liebe und Verlust sind vorherrschend, wobei das Hauptthema beinahe immer die Liebe bleibt. Untermalt werden die mal sehr direkten und mal metaphorischen Texte von sanften Melodien, welche problemlos in die Gefilde des Melodic Hardcore übergehen können.
Musikalisch bewegen sich Holding Absence irgendwo zwischen Casey und AFI in der Zeit um „Decemberunderground“. Es gibt viel Melodie und geschickt eingesetzte Härte, um den Texten eine gute Grundlage zu bieten. Einzig und allein „Marigold“ sticht heraus, da dieser Track eine reine Piano-Ballade ist, sich aber gut in das Album einfügt. Gitarren, Bass und Drums schaffen den Spagat zwischen sanftmütig und hart, wenn auch teilweise ein wenig überproduziert. So klingen die Drums manchmal ein bisschen zu bombastisch. Aber das gehört wohl aktuell zum guten Ton im Genre. In Kombination funktionieren Instrumentalisierung und Vocals jedoch sehr gut. Sänger Lucas besticht dabei durch eine hohe und sanfte Gesangsstimme, welche auch die ruhigen Stücke und Momente tragen kann. Screams oder Shouts gibt es nicht, wobei der raue Gesang dafür auch keine Notwendigkeit aufkommen lässt. Der Gesang passt sehr gut zu den harten Momenten des Albums und verleiht den Texten die nötige Dramatik. Wenn Lucas die Hörerschaft darum anfleht, ihn einer Lobotomie zu unterziehen, damit er wieder lieben kann, erzeugt das zweifelsfrei Gänsehaut.
Textlich sind Holding Absence so emotional wie nur irgendwie möglich, ohne dabei in den Kitsch abzugleiten. Zeilen wie: „Just give me a lobotomy and cure these things inside of me. And maybe I can be free to love you for an eternity. If in another life my heart is beating fine and love is on my mind you’ll be the first in line“ dürften die ein oder andere Emo-Band neidisch werden lassen. Es wird lyrisch gelitten und die zuhörende Person eingeladen, ja beinahe gezwungen, es dem Sänger gleichzutun.
Wie melodisch darf Melodic Hardcore sein? Eine Frage welche Bands wie Casey immer wieder gestellt haben. Holding Absence geben keine Antwort, zeigen aber, wie gut der Mut zur Melodie klingen kann. Emotional nicht einfach und wohl gerade deshalb ein mehr als gelungenes Debütalbum.
Wertung
Ich habe die Band erst kurz vor Veröffentlichung des Albums entdeckt und war sofort in ihrem Bann. Die Kombination aus Musik, Texten und dem wunderschönen Gesang machen Holding Absence und ihr gleichnamiges Album zu meinen derzeitigen Favoriten im Melodic Hardcore.
Johannes Kley
Kolumnist und Konzertmuffel Joe ist Gesundheits- und Krankenpfleger in Bochum, liebt seinen Hund, liest leidenschaftlich gern, gibt ungern Bewertungen für Alben ab, ist Musikliebhaber, irgendwo zwischen (emotional) Hardcore, Vaporwave, Goth-Pop und Nine Inch Nails und versorgt euch unregelmäßig mit geistigen Ergüssen aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt.