Knarre und "Hundeleben": Vom Sinn und Sinnlosen
15.07.2024 | Moritz Zelkowicz
"In der Geschichte passiert alles zweimal: Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." Oder einfacher gesagt, alles kommt irgendwann wieder. So kommt Emo auch wieder zurück. Nun könnte man anmerken, dass er ja nie richtig weg war. Und doch kommt der Trend wieder etwas zurück, meist in ziemlich stumpfen Versuchen große Originale zu imitieren. Wirklich Stimmung ist da nicht auszumachen. Und dann leuchtet da auf einmal Knarre auf in der Ferne. Denn was in Berlin bei den Herren entsteht, ist etwas anderes. Etwas, was vermutlich in keiner riesig breiten Öffentlichkeit funktionieren könnte, was aber jenen, die sich darauf einlassen, viel geben wird.
Aber der Reihe nach. Knarre kommen aus Berlin und haben sich dem Emo verschrieben, auf "Hundeleben" wecken sie Assoziationen mit anderen Größen der deutschen Post-Punk Szene. Sie selber schreiben, "Für Fans von Turbostaat und Muff Potter", und tatsächlich könnte das die Symbiose aus genau diesen Bands sein. Rough aber verletzlich, laut aber klug.
Es geht um die essentiellen Dinge des Lebens. Liebe, Sinn, Gesellschaft und Tod. Also irgendwie um alles zwischen Anfang und Ende. Doch wie macht man weiter, wenn man die richtigen Schlüsse aus all den gestellten Fragen zieht? Wenn man festgestellt hat, dass es den einen Sinn nicht geben kann, und weder Suchen und nicht Suchen überhaupt einen Sinn ergeben? Wie lernt man Selbstwert, wenn man feststellt, dass es ohne ihn schwer wird Liebe zu finden. Wie geht man damit um, wenn man herausfindet, dass auch die, die Veränderung des Systems fordern, von diesem System profitieren und es genau deshalb auch nie ändern werden.
Knarre liefern so viele Antworten auf die wichtigen Fragen im Leben und bleiben doch die wichtigste Antwort erstmal schuldig: Wie macht man weiter, wenn eigentlich alles sinnlos erscheint? Und auch wenn sie es selbst nicht aussprechen, so liefert konkludentes Handeln die Antwort. In dem man einfach weitermacht, denn Sillstand heißt sterben.
Musikalisch bietet "Hundeleben" erfrischenden Emo-Post-Punk, der an deutsche Szene-Granden erinnert, doch inhaltlich ist das auf einer komplett anderen Ebene. Das ist einerseits hoch philosophisch, andererseits so nah und direkt an vielen Lebensrealitäten und Wahrheiten, denen man sich eher ungern aussetzt. Und wer danach nicht mindestens zum Emo wird, den lässt vermutlich alles kalt.
Wertung
Es ist unendlich schwer dieses Album zu bewerten, da es als Kunstobjekt so alleine für sich steht. Es klingt vertraut, doch der Inhalt sucht seines gleichen, da es eine Tiefe offenbart, die auch nicht immer erträglich ist, da es das Leben auf eine Weise beschreibt, in der man sich einerseits sofort wiederfindet, sich aber absolut nicht wiederfinden will. Schwer zu beschreiben, schwer zu verarbeiten, schwer nicht zu lieben.
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.