Knocked Loose und „A Different Shade Of Blue“: Richtig dicker Dampfhammer
26.08.2019 | Merten Mederacke
Drei Jahre nach ihrem Debüt ist „A Different Shade Of Blue“ das in der Hardcorszene wirklich, wirklich lang ersehnte Follow Up der herausragenden Hardcorer Knocked Loose. Hat „Laugh Tracks“ ihnen 2016 weltweit Tor und Tür geöffnet, reißen sie mit „A Different Shade Of Blue“ die Mauern um die Türrahmen herum mir nichts dir nichts ein.
Knocked Loose - "...And Still I Wander South"
Ein ausgefeilteres Songwriting, noch peniblerere und feinere Tempowechsel als bereits auf dem Vorgänger, kombiniert mit der Stimme von Vokalist Bryan Garris, die nach wie vor wie eine extrem wütende Mickey Mouse und das HB-Männchen auf Helium klingt, bestätigen Knocked Looses Status als Next-Level-Hardcore-Band. Wie der Titel mit dem Wortspiel basierend auf der englischen Formulierung „to feel blue“ (zu dt.: "deprimiert sein") bereits vermuten lässt, geht es in den Texten auf „A Different Shade Of Blue“ um Bryans persönliche Abgründe, Gedankenabwärtsspiralen und -käfige. So wirklich würden fröhliche Botschaften auch nicht zu Knocked Looses Mix aus Hardcore und Metal passen. Nebst den unverkennbar schrillen Vocals von Bryan Garris finden sich auf „A Different Shade Of Blue“ pointiert eingesetzte, tiefe Screams, die den Kontrast zwischen Musik und Stimmlage, sowie die Brachialität der zwölf Songs doppelt und dreifach verstärken. In „Misguided Song“ klingt es regelrecht, als würde Tenacious Ds Satan höchstpersönlich seinen sehr, sehr hasserfüllten Teil beisteuern. Dazu kommen als Kirsche auf der Sahne zwei Featuregäste. In „A Serpent's Touch“ gibt sich Emma Boster von Dying Wish die Ehre. Und in „Forget Your Name“ fetzt plötzlich Keith Buckleys (Every Time I Die) einschneidende Stimme markant aus den Boxen.
Knocked Loose - "Mistakes Like Fractures"
Knocked Loose "Mistakes Like Fractures" Official Music Video
Die Wucht und der Grad an Aggressivität, die dieses Album durch die gesamten circa 40 Minuten Spielzeit trägt, ist kaum auszuhalten. Knocked Loose machen ihrem Ruf mit diesem Dampfhammeralbum alle Ehre. Für manchen geht „A Different Shade Of Blue“ ohne Weiteres als Noise durch. Für manch anderen ist es das, was völlig natürlich aus den fünf jungen Midwest-Männern heraussprudelte: Ein düsterer, bitterer, verzweifelter Zweitling. Aber von „Viel Lärm um Nichts“ kann hier nicht die Rede sein. „A Different Shade Of Blue“ beweist Tiefgang und ist das Produkt eines voranschreitenden Reifeprozesses, mehr Erfahrung, viel Geduld und Gefriemel, was Riffs und Melodien (ja, auch sowas gibt es hier!) betrifft.
Wertung
Wenn Knocked Loose für die Popkultur das wären, was "Saures" an Halloween den Süßes-Verweigeren blüht, dann gut' Nacht. "A Different Shade Of Blue" ist 40 Minuten geballte Power aus Hass, Abgrund, Schmerz, Wut, Metal und Hardcore. Wieder und wieder und wieder, bis es vielleicht irgendwann seinesgleichen findet.
Merten Mederacke
Merten hat Soziologie, Politik und Philosophie studiert. Seit Jahren treibt er sich auf Konzerten und Festivals herum und fröhnt allem, was Gitarre, Rotz und Kreativität so ergießen. Bei Album der Woche versucht er stets, den Funken seiner Passion auf jeden Lesenden überspringen zu lassen.