Niru und „Eins“: Melodiöser Punkrock mit Pfeil im Herz
21.04.2019 | Merten Mederacke
Dass eine Welt nur so bunt ist, wie man sie sich malt, möchte man der Braunschweiger Punkrockband Niru entgegnen, wenn man ihre EP gehört hat. „Eins“ berichtet mit vier vortrefflichen Songs vom Werdegang einer oder zwei sich nahestehenden Menschen in der die Herzen erstickenden Großstadt. Nirus Heimatstadt Braunschweig hat bereits ein Händchen für Emo-Punk Bands bewiesen. Und obwohl Braunschweig als Großstadt gilt, malt Sänger Dominik Wagenführ in seinen Texten Bilder eines Orts, die nicht unbedingt dem einer farbenprächtigen, florierenden Metropole entsprechen. Von Trümmern und Staub ist dort die Rede, von verlassenen Fenstern und leeren Häusern und von mangelnder Zukunftsperspektive „in dieser tristen und traurigen Welt“ („Nero“). Da bleibt wirklich nicht viel übrig, als durch die Asche zu tanzen. Und ob Asche oder verrauchte, biergeschwängerte Luft im kleinen Club oder im Juzi in der Nachbarstadt – zum Tanzen lädt Nirus Musik wärmstens ein.
Die Band beweist außerdem ein Talent für kleine, aber feine Melodien. Ob Gitarre oder Gesang, die gelungenen Melodien und Harmonien gesellen sich auf „Eins“ zu flotten und munteren Gitarrenriffs, kullernden Basslines und knackigem Schlagzeug. Die EP ist der Inbegriff von Pogo mit Freunden bevor man in der Stammkneipe versackt. Wagenführs Texte sind von jener Art, in die man eintaucht, von denen man sich umgarnen und umarmen lässt. Seine Worte beschreiben Gefühle und Gedanken, die jede Jugendzeit in betongeprägten Stadtfassaden hervorgebracht haben – von jugendlicher und hoffnungsvoller Liebe, abgelichtet in schlaflosen Nächten vor Backsteinwänden, unsicher lächelnd. Zwischen Anfangen und Aufhören hin- und hergerissen, weil man so vieles noch nicht, aber einiges schon besser weiß. Dennoch versprüht die Musik hinter den melancholischen Texten gute Laune wie mit von Brücken baumelnden Beinen gelöffelte 500-Gramm-Sorbet-Eisbecher vom Discounter schräg gegenüber.
Niru gesellen sich mit ihrer EP „Eins“ zu den Lokalmatadoren GR:MM und Forkupines. Mit Kidnap Music haben sie auch sofort ein tolles Label-Zuhause gefunden. Dem Namen nach macht die Platte Lust und Vorfreude auf mehr. Denn wer A sagt, muss auch B sagen! Oder singen.
Wertung
Für eine Debüt-EP ist „Eins“ einfach klasse. So kann man sich ohne Umschweife präsentieren. Hier wurde echt vieles richtig gemacht und ein paar Jährchen Erfahrung als Musikschaffende stecken da sicher auch drin. Mein persönlicher Anspieltipp: „Nero“.
Merten Mederacke
Merten hat Soziologie, Politik und Philosophie studiert. Seit Jahren treibt er sich auf Konzerten und Festivals herum und fröhnt allem, was Gitarre, Rotz und Kreativität so ergießen. Bei Album der Woche versucht er stets, den Funken seiner Passion auf jeden Lesenden überspringen zu lassen.