The Notwist und „Vertigo Days – Live From Alien Research Center“: Aus Bayern zu den Sternen
09.03.2023 | Steffen Schindler
The Notwist sind ein Haufen Nerds aus der bayerischen Provinz, die vom Hardcore zur Elektronik fanden, um schließlich bei einer Art Stubenhocker-Clubsound zu landen. Von Covid zum Stubenhocken gezwungen machten sie „Vertigo Days“ 2021 dennoch zu einem Album, das sich mit dem furchtbaren Begriff „Weltmusik“ am besten beschreiben lässt. Begleitet von Gäst:innen aus Japan, den USA und Argentinien zehren die Stücke von unterschiedlichsten Einflüssen, die beim Hören vertraut erscheinen, aber irgendwie auch fremd, wie von Aliens empfangen.
Passenderweise heißt das Homestudio der Band, das immer noch im oberbayerischen Weilheim steht, „Alien Research Center“. Dort entstand, Überraschung, „Vertigo Days – Live From Alien Research Center“, auf dem die Band ihr letztes Album nochmal eingespielt hat, aber diesmal in einem Raum und ohne Gäst*innen.
Das Setting sorgt dafür, dass die Tracks dringlicher und direkter klingen, als wenn sie aus vielen E-Mail-Anhängen zusammengebaut sind, wie das beim ursprünglichen „Vertigo Days“ notwendig war. Die Live-Umgebung lässt den Musiker*innen aber auch den Raum, zu improvisieren, bestimmte Sektionen zu verändern, neu zu denken. Manchmal ist das holprig, aber das ist okay.
Es verankert das Album da am Boden, wo die Studioversion den Kopf in den Wolken verliert. So erscheint das ausschweifende Intro zu „Into The Ice Age“ plötzlich doch menschengemacht, die Klänge sind viel eher ortbar und trotzdem fragt man sich immer wieder, woher eigentlich dieser Sound kommen kann.
Das klingt jetzt vielleicht, als würde „Live From Alien Research Center“ ewig mäandernd um sein eigenes Songmaterial kreisen, aber tatsächlich kommt es in einer Dreiviertelstunde locker auf den Punkt, seine Unmittelbarkeit lässt aus schönen, aber distanzierten Songs wie „Into Love/Stars“, „Exit Strategy To Myself“ oder „Sans Soleil“ mitnickbare Hits werden.
Wertung
„Vertigo Days“ war ein Statement darüber, dass Musik von der Interaktion mit Anderen lebt, „Live From Alien Research Center“ ist die überzeugende Beweisführung dazu.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.