Shame und „Drunk Tank Pink“: Ein Album gegen den Pandemie-Blues
21.01.2021 | Lukas Moore
Als Shame im Jahr 2018 ihr Debütalbum „Songs Of Praise“ veröffentlichten, war darauf nicht ein einziger Track, der einen auch nur im Ansatz hätte zur Ruhe hätte kommen lassen können. Die Band weckt in einem das krasse Gefühl von plötzlich überkommendem Übermut, gepaart mit spät einsetzender jugendlicher Ausgelassenheit. Shame sind eine „Anthem of an Angry Youth“ und dabei liegt die Betonung auf „Youth“. Punk ist über die Jahre zum hundertsten Mal totgeglaubt und selbst die hochgeliebten Idles können daran wenig rütteln. Shame schaffen es dagegen aber mehr als andere, neuen Schwung in das sonst vernachlässigte Genre zu bringen. Sie wirken frischer und frecher als Idles‘ „Ultra Mono“, welches im Spätsommer 2020 erschien und vor allem durch enorm politisch korrekte Texte überzeugte.
Im Vergleich zur Experimentierfreude eines „A Hero‘s Death“ von Fontaines DC wirken Shame vielleicht weniger ambitioniert. Aber auch auf ihrem neuen Album „Drunk Tank Pink“ finden sich starke und zugleich ruhige Songs, die im direkten Vergleich zum Debüt durchaus mit wechselnden Dynamiken und artistischen Stimmungen spielen. Die Platte ist das solide zweite Studio-Album. Es ist durchdachter, punktiert ruhiger und bedenklicher, aber verliert dabei nicht an Energie und Angriffslust von „Song Of Praise“. Die Drum-Parts auf der ganzen Platte machen unglaublich viel Spaß. Jeder Song bringt eine neue Perspektive in das Album und man verliert nie die Lust, mehr der neuen Songs zu erkunden.
Insgesamt versammelt die Platte eine Reihe starker Songs. Dazu zählen klar auch die Vorab- Releases wie „Alphabet“, welcher noch sehr an Songs des Debüts erinnert. „Snow Day“ hingegen geht neue Wege, ist unruhig, auch durchaus tiefgreifender und entwickelt Dynamiken, die durch den begleitenden Bass und die Background-Shouter gewaltig wirken. Dieses Muster findet sich auch in weiteren Songs wieder. Tracks wie „Water in the Well“ sind hingegen verspielter und könnten sogar als Soundtrack eines Coming-of-Age-Films dienen. Vor allem zeigen sie aber das Talent des Sängers Charlie Steen, während des ganzen Albums verschiedene Rollen anzunehmen. Somit wird „Drunk Tank Pink“ stellenweise zu einer Theaterinszenierung.
Shames Stärken bleiben die fetzigen Tracks, die man am besten laut genießt. Dennoch lohnt es sich, auch den ruhigeren Songs eine Chance zu geben. Mit seinen bestechenden Lyrics ragt „Human, For A Minute“ hervor. Ebenjenes gilt auch für „Station Wagon“, welcher hervorragend komponiert und als würdiger Closing Track gewählt wurde.
Das Album wirkt insgesamt unkonventioneller als das Debüt „Songs of Praise“ von 2017. Es büßt etwas ein, was man beim Vorgänger noch „frech“ genannt hätte, ohne dass die Band dabei ihre musikalischen Wurzeln verleugnet oder gar gänzlich verliert.
Wertung
Unterm Strich macht das Hören einfach Spaß. Und genau das wünsche ich mir von einem Punkrock-Album. „Drunk Tank Pink“ birgt viele Momente und Nuancen, die mich mitgenommen und gefesselt haben und genau deswegen ist es ein würdiger Kick-Off in das Jahr 2021.
Lukas Moore
Als Westfale ins Rheinland gezogen, spielt Lukas Schlagzeug in einer Shoegaze-/ Post-Punk-Band. Seine Wurzeln liegen, seinem Gitarrenlehrer-Vater geschuldet, im Jazz. Er arbeitet in Düsseldorf im Kulturausschuss mit und studiert nebenbei Sozialwissenschaften.