Shoreline und "Growth": Mutmacher
28.01.2022 | Jannika Hoberg
Kaum eine Band befasst sich musikalisch so beeindruckend mit Themen wie Rassismus oder der Klimakrise wie Shoreline – auch wenn es aktuell wirklich viele versuchen. Schon die vorab erschienenen Singles haben völlig zu Recht ein wahnsinnig positives Echo aus der Szene erhalten und mit den angesprochenen Themenkomplexen einen Vorgeschmack auf das Album geliefert. „Konichiwa“ beispielsweise erzählt von Erfahrungen mit antiasiatischem Rassismus und der elendigen Frage, wo man denn eigentlich herbekommt. Dazu gibt es übrigens auch eine Plattensprung-Folge mit dem Shoreline-Sänger Hansol Seung (schamlose Eigenwerbung). Der Track „Meat Free Youth“ verfügt nicht nur über eine unendlich eingängige Hook, mindestens genau so prägnant sind Textzeilen wie „You think there’s time left for doing what you do“, die den ignoranten Fleischkonsum des größten Teils der Bevölkerung sowie die gesamte Maschinerie dahinter kritisiert. Shoreline verpacken die Wut und Verzweiflung darüber, dass wir gar keine andere Wahl mehr haben als politisch zu werden, weil unsere Generation eigentlich alle Themen direkt und persönlich betreffen, in Musik.
Musikalisch ist „Growth“ irgendwie schwer greifbar. Auf der einen Seite gibt es vor allem in den Hooks manchmal härtere Shouts über rotzigen Instrumentals, fast in klassischer Punkmanier, auf der anderen Seite wird sich mit dem Album-Intro „I Grew Up On Easy Street“ und dem Outro „Growth“ in nahezu sphärische, meditative Klänge mit cleanen Gitarren und ganz weichem, mit einem Echo belegtem Gesang begeben. Wer den Soundtrack von Life is Strange kennt – ungefähr so magisch klingt der Song „Growth“. Shoreline schaffen es, jedem einzelnen Refrain so viel Ohrwurmpotential einzuhauchen, dass das Gehirn nach dem Hören des kompletten Albums überfordert ist, welchen Song man jetzt tagelang nicht aus dem Kopf bekommen soll. „Growth“ macht trotz - oder gerade wegen - der angesprochenen Themen wahnsinnig viel Spaß.
Wertung
Shoreline verpacken die negativen Themen unserer Zeit eindrücklich in Musik – und schildern gleichzeitig den Versuch, nicht in dem Sumpf aus Weltschmerz unterzugehen, der bei Themen wie Rassismus oder der Klimakrise stetig präsenter wird. Ein hörenswertes Album, das wie kaum eines für unsere Generation und die nötigen intersektionalen Kämpfe steht. Es macht Mut.
Wertung
Erfüllt von Selbsthass kreieren Shoreline eine Art tobende, mitreißende Energie, welche sich über das gesamte Album erstreckt. In jedem Schrei stecken mehr Emotionen als in einem kompletten Deutschrap-Album.
Jannika Hoberg
Jannie begeistert von Punk über Metal bis hin zu Hardcore alles, ob aggressive Beats oder auch mal soft - auch außerhalb dieses Genrespektrums. Neben der Leidenschaft für Konzertfotografie ist Jannie mit verschiedenen Instrumenten für diverse Jamsessions zu haben. Zuhause ist dey auf Konzerten und Festivals, ansonsten studiert Jannie nebenbei noch Umweltingenieurwesen in Weimar.