Smile and Burn und “Besser sein als jetzt”: Haben wir noch Pepps?
31.03.2022 | Jan-Severin Irsch
Diese Attitüde scheint sich wie ein subtiler roter Faden durch das Album zu ziehen, bis in Track 10 plötzlich die Pubertät nur so aus einem heraus sprießt. Doch dazu später mehr. Man lacht und brennt innerlich, wenn man “Besser sein als jetzt” zum ersten Mal hört. Und dann natürlich wieder und wieder. Mit ihrem nun sechsten Studioalbum überzeugen Smile And Burn erneut auf voller Länge. Keine Ballade, nur ein straightes Punkalbum, kurze Spielzeit, dafür umso intensiver.
Den Auftakt macht der Song “Egal was gestern war” - ein toller Punktrack über das Leben im Jetzt, mit einer leichten Ähnlichkeit zu Lagwagon. Ordentlich Wirbel an den Instrumenten, während Frontmann Philipp Müller eine schöne, länger gezogene Melodie drüber singt. “In vielen Farben” wurde als zweite Single des Albums ausgekoppelt und ist ein wunderschöner Mittelfinger gegen Rechts. “Leckt mich am Arsch mit eurem Stolz” ist ein Satz, den wohl alle Fans live mitbrüllen möchten, sobald die Band auf Tour geht. Dann ist die Welt wieder in Ordnung, dann ist “Dieses Stück Hoffnung” erfüllt worden und vielleicht gibts ab dann ja auch vielleicht ein kleines Liebeslied, wer weiß. Allein die ersten drei Songs haben schon so viel Power, so viel Leidenschaft so viel Energie in sich - als würde man im Fitnessstudio auf das Pre-Workout scheißen, sich denken “Mensch, das Koks sieht klasse aus” und so viel stemmen wie Schwarzenegger in seinen besten Tagen.
Offenbar wurde für “Krätze” der Gipfel des Schneebergs erreicht. Das Stück zur Halbzeit ist ein großartiger Trip für die Ohren, live sicherlich auch für den Körper und verlangt nach mehr. Viel mehr. Die Ekstase wird auf “Ja, ja, mehr, mehr” fortgesetzt und scheint auch über den Rest der Platte kein Ende zu finden. Smile And Burn fahren mit ihrer Formel auf Deutsch nun Punk zu spielen verdammt gut. Mannomann, macht diese Platte Bock. Schaut man sich die Historie des Trios an, so wird schnell klar: Diese Band ist einiges an Wandel durchgegangen, hat einige Änderungen erlebt und beschlossen, aber immerhin hatten sie da auch Entscheidungsfreiheit. Weniger so auf Track 7 der Platte “Scheißsystem”. Dem ganz findigen Beobachter wird der Gedanke kommen: Vielleicht geht es ja um Systemkritik. Auf einem Punkalbum nicht direkt zu erwarten, aber hey, lasst euch selbst gegen die Wand pusten. “Wir können's nicht ändern, wir können nur zusehen - denn wir lieben dieses scheiß System.” Ein grandioser Satz, der sehr viel mehr Tiefe mit sich bringt, wenn man ihn hört, liest und auf sich wirken lässt. Wenn ihr selbst Systemkritik äußern wollt, dann hier der Tipp: Lass den inneren Affen raus und benimm dich auch so beim nächsten Smile-And-Burn-Konzert.
Eine der besten Ideen in “Meine besten Ideen” war es, den Gitarristen Sören vors Mikro zu stellen und einfach losbrüllen zu lassen. Gott sei Dank kein Autotune, sondern pure rohe Ehrlichkeit und volle Kanne drauf da. “Jeder Scheiß, der sich kohlemäßig echt lohnt, ist keine Kunst, sondern Reproduktion” - schreit es noch einmal, das klingt so schön! Einmal mehr beweist die Band hier, dass sie wirklich großartige Kunst macht. An dieser Stelle sei nochmal gesagt: Danke, dass ihr weitergemacht habt!
Abschließend ist der letzte Track “Computer spielen” der Grund für das “Smile” im Bandnamen. Ey, Punk und Einflüsse aus dem Kabarett - geht das? Mit der zu Beginn des Artikels angesprochenen pubertären Attitüde auf jeden Fall. Wer sich nie mit seinen Eltern wegen des Zockens gezofft hat, hatte keine coole Kindheit. Wenn jemals ein Song so perfekt beschrieben hat, wie stark dieses Verlangen, diese Gedanken als Teenie waren, dann ist es dieser Song. "Ich hasse es ein Mensch zu sein (...) ich will nur Computer spielen". Hervorragender Satz!
Abschließender Tipp: Holt Euch Eure engsten Freunde und pumpt dieses Album bei der nächsten Mario-Kart-Runde. Faire Vorwarnung: Ballerspiele machen im Vergleich nicht aggressiv. Mario Kart - DAS macht aggressiv. Vor allem zu solch energetischer und zugleich großartiger Musik.
Wertung
Hört es euch einfach an. Und dann nochmal! Es ist ein so geiles Album und es tut so unfassbar gut, es zu hören. Unter den persönlichen Top 5 der deutschen Punkalben ist es auf jeden Fall. Danke, Smile and Burn!
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.