Squid und „Bright Green Field“: Einfach mal viel richtig machen
17.05.2021 | Lukas Moore
Bereits nach den vorab veröffentlichten Singles durfte man mehr als gespannt auf das Anfang Mai erschienene Album sein. Mit „Narrator“ ließen Squid sofort einen acht Minuten langen Song ans Licht der Öffentlichkeit, der es in sich hatte. So startet ein zackiger Drumbeat, der über sechs Minuten verteilt immer mehr an musikalischer Masse ansetzt und sich dann in einem gewaltigen Finale entlädt, mitsamt schriller „Sirenenschreie“, die eine gewisse Dramatik noch einmal untermauern und schon grob ahnen ließen, was mit dem Album so auf die Hörer:innen zukommt. Ein unglaublich ausdauerndes Werk, welches sich nicht von zurzeit angesagten Tracks aus anderen Genres unter Druck setzen lässt, die im Vergleich gerade einmal knappe zweieinhalb Minuten Songlänge auf die Waage bringen.
Selbstsicher produzieren Squid auf ihrem Album Tracks, die sich genau die Zeit nehmen, die sie benötigen. Die Band macht keine Kompromisse. Keine Idee wirkt weggekürzt. Das macht die gesamte Platte so unglaublich vielschichtig und regt dazu an, ruhig tiefer in die verschiedenen Facetten von „Bright Green Field“ einzutauchen.
Die fünfköpfige Band aus Brighton schafft es mit ihrer einzigartigen Performance, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das mag am Sänger Ollie Judge liegen, der das schier unmögliche Kunststück vollbringt gleichzeitig, auch noch der Drummer der Band zu sein. Sein energischer und durchdringender Gesang erinnert dabei schnell mal an Frank Blank von den Pixies. Generell fehlt es dem Album nicht an deutlich hörbaren Einflüssen anderer erfolgreicher Bands.
„2010“ bietet beispielsweise einen eher jazzigen Flow auf dem Ride-Becken und wirkt wie eine Hommage an den Radiohead-Klassiker „Paranoid Android“. Der Track bedient sich weiterer Elemente, die stark an die Struktur der britischen Artrock-Vorreiter erinnern, so auch die unerwarteten Tempowechsel oder die markanten Gitarrenriffs. Ähnlich durchdacht wirkt „Peel St.“ mit seinen Krautrock-Elementen und einem stark nach Kraftwerk klingenden Disketten-Orchester, das sich in einen immer mehr zum Sturm werdenden Jam mündet.
Weite Teile des Albums funktionieren einfach sehr gekonnt. Die Experimentierfreude der Band ist mit jedem Track hörbar. Genau macht das Durchstöbern und Entdecken der verschiedenen Facetten so viel Spaß. Es sind gerade die dynamischen Zusammenspiele der Band, die einen packen. Ollie Judge legt so viel Gewicht in seine energische Stimme und das macht Songs wie „Paddling“ und „Pamphlets“, so herrlich punkig.
Ähnlichkeiten zu anderen starken Releases sind „Bright Green Field“ nicht abzusprechen. So reiht es sich nahtlos neben das ebenfalls sehr vor Kraft strotzende Shame-Album „Drunk Tank Pink“ ein und man ertappt sich sehr oft doch auch dabei zu überlegen, ob nicht doch gerade ein Track aus dem Debütalbum von Black Country, New Road läuft. Bei allen drei Bands wird auf das bewährte Zusammenspiel von interessanten, stellenweise Mathrock-artigen Drumparts, den variierenden Geschwindigkeiten der Songs und sehr viel kanalisierter Energie gesetzt. Ein richtiger Genre-Name dafür muss scheinbar noch erfunden werden. Die bloße Kategorisierung unter Post-Punk scheint einfach nicht mehr auszureichen oder zeitgemäß zu sein.
An einigen Stellen hapert es leider an dem Gespür für gelungene Übergänge zwischen den Songs. Dadurch, dass die elf Songs zum Teil so unterschiedlich wirken, sind manche plötzlichen Wechsel in der „Ansprache“ beispielsweise durch den Gesang sehr plötzlich und reißen einen gerne mal aus der Stimmung.
Trotz einiger kleiner und verzeihbarer Aussetzer ist das Debütalbum „Bright Green Field“ ein starkes Pfund. Squid reihen sich damit nahtlos in die Reihe von Post-Punk-Releases aus diesem Jahr ein und schaffen es durch facettenreiche Tracks und durch die selbstbewusste Implementierung wirklich neuer Elemente, eigene herausragende Akzente zu setzen.
Wertung
So manche einschlägige Musikjournalist:innen haben das Album zurecht auf ihren Radars und man darf sich in den diversen Jahresrückblicken sicher sein, dass „Bright Green Field“ nicht fehlen wird.
Lukas Moore
Als Westfale ins Rheinland gezogen, spielt Lukas Schlagzeug in einer Shoegaze-/ Post-Punk-Band. Seine Wurzeln liegen, seinem Gitarrenlehrer-Vater geschuldet, im Jazz. Er arbeitet in Düsseldorf im Kulturausschuss mit und studiert nebenbei Sozialwissenschaften.