Teksti-TV 666 und „Vapauden Tasavalta“: Unikum mit Hintertür
07.03.2023 | Jakob Uhlig
Manche Bands und Künstler:innen eignen sich ganz hervorragend, um sie zum Gegenstand nerdiger Partygespräche um ein Uhr nachts zu machen. Mit Karlheinz Stockhausen zum Beispiel können wahrscheinlich eher wenig Gäste von Studi-Discos etwas anfangen, aber dass er mal ein Streichquartett mit vier Helikoptern geschrieben hat, das kann man dann doch für ein paar erstaunte Blicke mal zwischen zwei Drinks fallenlassen. Oder man erzählt von Hanatarash, die mal mit einem Bulldozer durch die Rückwand eines Clubs gefahren sind und daran gehindert werden mussten, einen Molotow-Cocktail in ihr Publikum zu schmeißen. Oder man nimmt eben Teksti-TV 666. Die wollten zwar noch niemanden umbringen, haben aber immerhin in ihren Tracks bis zu fünf (!) Gitarren untergebracht.
Das Ergebnis dieser physisch sehr treffend platzierten umgesetzten Interpretation des Begriffs „Loudness War“ ließ sich auf den Alben der Band auch immer sehr gut nachvollziehen. Angenehm fiel bei dem Septett dennoch immer auf, dass die Ästhetik des Krachs nicht als bloßes Versteckspiel substanzloser Musik diente, sondern zur Plattform wurde, mit denen die vielen tollen Riffs und klugen Prog-Strukturen von Teksti-TV 666 schlichtweg ein durch Brachialgewalt protzendes Soundgewand verliehen bekamen. Die neue Platte der Gruppe trägt nun den Titel „Vapauden Tasavalta“ und macht gerade von letzterem Faktum einen überproportionalen Gebrauch. In den sechs Tracks des neuen Werks würde man das gigantische Instrumentarium nämlich eigentlich kaum vermuten, so klar und nachvollziehbar scheint alles, was einem die Band da mit angemessener Virtuosität serviert. Die sowieso nie so ganz voneinander abzugrenzenden Welten von Krautrock und Post-Punk neigen sich auf dem neuesten Werk zunehmend in Richtung eines manischen Riff-Staccato aus letzterer Tradition. „Vapauden Tasavalta“ nimmt einen deswegen etwas mehr an die Hand als seine Vorgänger – und reißt einen danach dennoch gewaltsam in einen urgewaltigen Dauerstrudel sonorer Klangzelebrierungen.
So klug das alles ist, so mitreißend jede Minute dieser Platte ist und so zurecht auch die Spielart von Rock, die Teksti-TV 666 auf ihrer Platte fahren, gerade auf einem Rezeptionshöhepunkt durch ganz Europa schwimmt: Ein bisschen vermisst man zwischen dem im Verhältnis zur restlichen Diskographie doch eher zahmen Klangbild am Ende doch das Killerargument, durch man diese Post-Punk-Platte den zahlreichen anderen vorziehen will. Dennoch: „Vapauden Tasavalta“ kann immer noch richtig was, und trotz klarerem Soundbild ist all das lange nicht beim ersten Mal zu erfassen. Besonders live mit Sicherheit ein Spektakel.
Wertung
Mit rotierend-monotonen Prog-Partys kriegt man mich einfach immer. Da macht auch dieses Album einer verdammt abgefahrenen Band wieder mal keine Ausnahme.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.