Unter dem Radar #15: INTRIGEN
20.08.2019 | Felix ten Thoren
Heimatstadt: Hildesheim
Genre: Post-Punk
Bisher veröffentlicht: „Monotonie“-EP, „Tunnelblick & Fressen“
Für Fans von: Love A, Modell Bianka, Berengar
INTRIGEN – Der Name suggeriert Verschwörung, Komplott, heimliche Machenschaften im Kampf um Macht und Einfluss. Falls die Bandmitglieder aus Hildesheim dergleichen planen, so lassen sie es sich zumindest nicht anmerken. Es ist einer der heißesten Tage des Jahres und Frontmann Peter, Benni und Jens haben sich jeweils mit einem Capri-Eis ausgestattet, während sie über ihr musikalisches Quartett plaudern. Immer wieder geht es dabei auch um ihre Heimatstadt, genauer gesagt, um die Hildesheimer Kleinstadt-Monotonie. „Hildesheim ist wie ein viel zu großes Dorf“, erklärt Peter. „Es ist eigentlich nicht wirklich schlimm. Nur trotz dessen, dass es eine Studentenstadt ist, hat man das Gefühl, zu wenig zu haben.“
Seit Anfang letzten Jahres bereichern die INTRIGEN selbst das kulturelle Leben ihrer Stadt; mit melodiösem Post-Punk, der sich irgendwo zwischen Die Nerven und Love A verorten lässt. Peter und Benni haben sich bei der Aufnahmeprüfung eines Freundes kennengelernt. Beide studieren auf Lehramt; Peter Musik und Geschichte, Benni Geschichte und Kunst. Schnell entdecken sie ihren gemeinsamen Draht zur Musik und proben im April 2018 das erste Mal zusammen mit Schlagzeuger Eric in einem Kellergewölbe der Hildesheimer Kulturfabrik. Seitdem hat sich vieles getan. Noch im selben Jahr erscheint die erste EP „Monotonie“, im Mai 2019 stößt zudem Jens hinzu und unterstützt fortan an die Gitarrensektion. Aktuell arbeitet die Band an eigenen Musikvideos, von denen „Tunnelblick & Fressen“ bereits erschienen ist. In bester Black-Mirror-Manier marschiert dort eine ominöse Gestalt mit Motorradhelm und Plüschanzug durch die Stadt, zunächst triumphal, später verfolgt und gejagt von den Handykameras der Passanten. Am Ende bricht die Person zusammen und wird von den Voyeuristen regelrecht zerpflückt. Eine Allegorie auf Selbstdarstellungswahn und sozialen Druck in Zeiten von Social Media?
„Bei Tunnelblick & Fressen geht es darum, die Perspektive einer Person einzunehmen, die hinter so einem Social-Media-Profil steckt“, erklärt Peter. „Man plustert sich auf, koppelt sich ab, um der digitalen Welt zu zeigen – Nur das bin ich, so dürft ihr mich sehen. Die Person hinter den Bildern ist dabei nicht mehr so wichtig.“
Der kritische Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen bildet eine Konstante in der Diskographie der Hildesheimer. Insbesondere der Digitalisierung gilt mit all ihren Chancen und Einschränkungen ein gesondertes Augenmerk, so zu hören auch auf „Digital“. „Du wirst ausgekoppelt, aussortiert“ heißt es da, und „Du bist nicht frei. Eingesperrt“. Es geht jedoch nicht nur um das persönlich empfundene Gefühl der Unfreiheit, sondern auch um ganz reale Entwicklungen in Bezug auf äußerliche Kontrollmechanismen, wie Peter anfügt: „Überwachung ist so ein Riesenthema, dass in Deutschland zum Glück noch nicht so präsent ist, in anderen Ländern und Städten aber schon längst zum Alltag gehört. In China zum Beispiel, oder in London, wo an jeder Ecke Überwachungskameras hängen.“ So wird auch auf „Digital“ das Smartphone zum mobilen „Überwachungsautomaten“ mit Selfie-Funktion.
Trotz aller Kritik, ganz rausnehmen können sich die Hildesheimer aus dieser digitalen Welt dann auch nicht. „Es ist halt ein zweischneidiges Schwert. Einerseits will man ja auch dazugehören und hat den Bedarf sich zu connecten, anderseits beschneidet man sich selbst, sobald man beginnt, seinen Tag nach Postings auszurichten“ meint Jens. „Gerade als Musiker ist es heute ja leider so, dass man um den ganzen Social-Media-Kram nicht herumkommt.“
Ihre eigenen Social-Media-Profile halten die INTRIGEN in Anlehnung an ihre „Monotonie“-EP in schlichten Grautönen. Diejenigen, die ihnen dort folgen, können sich in den nächsten Wochen auf ein weiteres Musikvideo freuen. Für Ende dieses Jahres sind zudem Aufnahmen für eine zweite EP eingeplant.
Felix ten Thoren
Felix widmet sein Studium der historischen und systematischen Musikwissenschaft in Hamburg. Er wurde mit HipHop sozialisiert, findet aber auch Gefallen an diversen Stilrichtungen von Blues bis Hardcore.