Van Holzen liefern ein beeindruckendes Debüt
06.03.2017 | Jakob Uhlig
Deren erste Platte übt sich nämlich nicht in Bescheidenheit, sondern fesselt von Anfang an mit einer unheimlichen Wucht an düsteren Klängen, bedrückender Unruhe und eigenständigen Gedankengängen. Ein bissiges Stück Musik, das seine ganz eigenen Welten erschafft
Woran man bei Van Holzen ist, wird schnell klar, wenn sich die ersten Töne vom Opener „Herr der Welt“ in die Gehörgänge fräsen. Eine verstörend tief verzerrte Gitarre donnert zu einem erbarmungslos hetzenden Schlagzeugbeat so gerissen, dass es keine bessere Möglichkeit zu geben scheint, die Farbe Schwarz in Akustik zu verwandeln.
Van Holzen zelebrieren auf zwölf Tracks ein Monster aus Finsternis und Kummer, das mal wie in „Jagd“ oder „Erfolg“ mit schallendem Gelächter seinen Wahnsinn aus rasantem Treibstoff entzieht, und mal wie in „Hyäne“ oder „Nie“ die Schrauben in quälend langsamen Perioden durch die Schläfe presst. Musikalisch findet die junge Band ihre Mitte irgendwo zwischen einer finsteren Version von Royal Blood, den neueren Werken von Heisskalt und einem Übermaß an Fuzz-Verstärkern, ohne dass auch nur eine dieser Beschreibungen dem tatsächlichen Sound annähernd gerecht werden könnte.
Der über der Akustik wallende Sprechgesang von Florian Kiesling schwebt über dem Ganzen wie der anführende Moll-Akkord eines Requiems und setzt mit seinen selbstzerstörerischen Worten der klanglichen Atmosphäre die Krone auf. Das durch einen sehr leuchtenden Halleffekt kontrastierte, schon fast bizarr wirkende „Schieß mir in den Kopf“ in „Karneval“ ist bei weitem nicht die einzige Textzeile, die sich mit dem Freitod auseinandersetzt. Eine Portion Wahnsinn, Depression und Raffinesse scheinen die Zutaten für Van Holzens Erstling zu sein, den sie beeindruckend stilsicher und bestimmt zusammengemixt haben. Eine Erfahrung, die mit Konventionen aufräumt und keinen Hehl aus ihrem Hass macht. Aber auch eine Erfahrung, die der ein oder andere vielleicht erstmal schlucken muss.
Van Holzen wollen nicht auf ihr junges Alter reduziert werden, und das müssen sie auch gar nicht. „Anomalie“ bietet auch so einen unheimlich eigenständigen, reifen, angsterfüllten, geheimnisvollen und interessanten Sound. Das Debütalbum des Trios aus Ulm ist eine erschreckend offene tiefenpsychologische Untersuchung eines schwer kranken Patienten. Anstrengend, verstörend – und doch so unglaublich packend.
Wertung
Mit ihrem Debütalbum setzen Van Holzen ein großes Ausrufungszeichen, das seinen Platz garantiert in vielen Toplisten des Jahres finden wird. „Anomalie“ ist finsterer und selbständiger Trip geworden, der der Band eine große Zukunft verspricht.
Wertung
Bisschen Punk, bisschen Indie, bisschen Rock, von allem was dabei und von allem genug. Gut aufeinander abgestimmt mit überragenden Lyrics. Beim Debüt schon reifer als manch andere Bands beim fünften Release.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.