Im Interview mit Nico Laska: "Das Tagebuch umschreiben"
20.10.2021 | Jan-Severin Irsch
“Was hörst Du denn so für Musik?” fragt mich Nico Laska zu Beginn unseres Interviews. Sympathische Frage - und zu Beginn einfach mal die Rollen zu vertauschen ist auch mal was Neues. Von Punk über Rock bis Pop und Rap - Nico Laska hat einige Einflüsse aus verschiedenen Genres kombiniert, trotz der Tatsache, dass ihm einige Leute über die Jahre die altbekannte “Du klingst voll wie Ed Sheeran”-Floskel dargeboten haben. Kompliment oder subtiler Stich? So oder so, er lässt sich davon nicht aus der Fassung bringen. Sonst hätte er wohl kaum ein erstes eigenes Album geschrieben. Nachhaken muss ich da doch noch mal, denn in einem seiner Songs singt Nico über Ed-Sheeran-Covershows, oder vielmehr darüber, dass er sich vor diesen hat retten können. “Der Song ist auf den Track 'Boys Without A Home' von den Blackout Problems zurückzuführen, der eigentlich eine Art Hymne an die gesamte Crew der Band ist, die durch die ganze Republik fährt. Ich war früher und bin immer noch viel mit ihnen auf Tour. Mario war der Erste, der mir gesagt hat: 'Hey ich find's geil was du machst. Lass uns Songs machen.'”
Mario, der Sänger der Blackout Problems und Nico saßen immer hinten im Sprinter der Münchner Band. Durch diese Begegnung hat Nico die Textzeile “Where would I be without the backseat, I don’t know, probably, out there doing Ed Sheeran cover shows” verfasst. "Wenn wir uns nie begegnet wären, wüsste ich nicht, ob ich jetzt nicht ein Hochzeitssänger wäre, der 'Perfect' 35.000 Mal im Jahr singt. Die Jungs und vor allem Mario waren der Anreiz dafür, ein eigenes Ich zu finden.” Nico guckt lächelnd zur Seite und erinnert sich offenbar kurz zurück an ein paar wichtige Momente. Die Verbindung zwischen ihm, den Blackout Problems und Mario darf hier nicht außer Acht gelassen werden. Nicht nur war und ist Nico der Mann für alles auf ihren Shows, doch ist diese Freundschaft auch ein Schlüsselelement für die Entstehung des Nico Laska. “Ich sage dir ganz ehrlich, ich hatte vorher einen anderen Singer/Songwriter-Namen, das war ein Bandname. Ich wollte nicht als Singer/Songwriter initiiert werde. Ohne Mario würde es Nico Laska nicht geben." Nico Laska und die Blackout Problems sind eng verzahnt, das ist für Fans der beiden Artists kein Geheimnis. Doch wie viel färbt ab?
“Bei diesem Album hat der musikalische Aspekt weniger auf mich abgefärbt, sondern vielmehr der Aspekt, dass die Blackout Problems schon immer eine Band waren, die schon immer musikalisch das gemacht haben, worauf sie Bock hatten.” Das Mindset also, der in dem Fall gute Scheuklappenblick. “Ich hab mich nicht verkauft, bin immer noch beim selben Label, hab immer noch nur 6000 Follower auf Instagram und keine Millionen. Wenn sich so verkauft haben anfühlt, habe ich irgendwas falsch gemacht. Ich hab diese Fuck-Off-Mentalität mitgenommen und das ist etwas, wo die Band und Mario mich sehr beeinflusst haben.”
Das ist mal eine Aussage. Eine sehr schöne noch dazu. Auch wenn besagte Band von ihrem Genre sehr viel rockiger und härter ist, ist sie zumindest musikalisch nicht direkt ein großer Einfluss. “Bei meinen ersten beiden EPs war es tatsächlich so, dass ich oft gesagt bekommen habe, dass da viel Blackout Problems mitschwingt. Aber auch das war mir wichtig, dass das bei dem Album nicht passiert. Karan, Michi und Mario haben die letzen beiden EPs zu dritt produziert. Bei diesem Album hat Karan mehr gemacht, aber bei dem jetzt ersten Album ist es das erste Mal so, dass ich die Übertrumpfung à la 'Ich bin jetzt hier der Künstler'- Karte gespielt habe, wenn wir uns in Situationen uneinig waren. Das ist öfters vorgekommen, denn insgesamt haben musikalisch fünf Menschen an dem Album gearbeitet. Aber das wollte ich auch, das sind alles wahnsinnig talentierte Musiker.”
Ein erkennbares Wachstum von den ersten beiden EPs zum Debütalbum hin. Eigene Entscheidungen im Studio fällen, sich behaupten und trotzdem einen straken Rückhalt zu den Mitmusikern haben. “Ich bin in einer unglaublich positiven Position, dass ich superviele talentierte Musiker um mich herum hatte, die mir bei einem Nein meinerseits gesagt haben: 'Okay, wie sieht's hiermit aus?' Alle haben daran gearbeitet, mir diese Vision zu erfüllen und dafür bin ich unglaublich dankbar.”
Was hat es aber mit den Texten auf sich? “Der Grund, warum ich retrospektiv aber dennoch autobiographisch schreibe, ist, dass ich zum Beispiel für die ersten beiden EPs über 30 Songs geschrieben habe. Ich habe mir all diese Songs durchgehört und mir ist aufgefallen, dass die alle so negativ und so traurig waren. Ganz klar, die guten Zeiten hatte ich auf Tour oder unterwegs, da saß ich nicht im dunklen Zimmer und habe einen Song geschrieben, sondern als es dann mit der ersten richtigen Freundin auseinander ging. Die Zeit, die ich zwischen 16 und 21 hatte, war so schön, aber alles, was ich in den Songs eingesammelt habe, ist so traurig. Die erste Zeile, die ich für das Album geschrieben habe, ist unter der Dusche entstanden. Das ist die Zeile, die auch das Album eröffnet. Also 'It all started at the age of 16, as my mommy and daddy went splitscreen'. Das war im Februar oder März 2020. Mein Anliegen war mir selbst das Tagebuch umzuschreiben und die positiven Aspekte der Zeit herauszuschreiben.”
Mit 18 hat er zum ersten Mal Nico Laska ins Leben gerufen und durch Teenage-Angst und ein paar Jahren Abstand in Retrospektive diesen Lebensabschnitt vertont. Ob das ein Rezept für ein zukünftiges Album ist? “Das ist eine gute Frage. Vor einer Woche habe ich mich das auch gefragt, ob ich bereit bin, die Jahre 22 bis 25 in Texte zu fassen. 16 bis 21 war so groß, da ist so viel passiert, aber ich habe das Gefühl, dass ich mich gerade noch in einem Lebensabschnitt befinde. Wenn ich verheiratet bin und Kinder habe dann vielleicht, aber momentan ist das noch nicht der Plan”.
So wie in seinem Song “Mama / Said” gesungen “take your time, do it right” hat Nico ein Jahr lang an seinem Album geschrieben, bis es fertig war. “Und das ist wirklich viel, wenn man bedenkt, dass ich vorher die EPs schnell geschrieben habe und in drei Tagen Studio alles reingeballert habe. Diesmal war das alles entspannter, wir haben viel Vorproduktion gemacht und dann schließlich im Toolhouse Studio aufgenommen, wo Bands wie zum Beispiel Heisskalt recorded haben. Ich habe mir selber das Ziel gesetzt, dass ich zwischen Vorproduktion und eigentlichem Aufnehmens eines Songs einen Monat Zeit habe, um den Song zu hören und zu verstehen. In der Vergangenheit dachte ich mir nämlich, dass ich mir doch mal mehr Zeit hätte nehmen sollen. Das habe ich jetzt gemacht.”
Zeit ist ein gutes Stichwort, denn bekanntlich hat sich vor allem das letzte Jahr sehr langsam angefühlt. Für manche größeren Künstler:innen und Bands mag das nichts all zu Triviales gewesen sein, doch wenn man noch in den Startlöchern steht, ist das sicherlich eine schwierige Situation. „Die Pandemie war damals für mich der denkbar schlimmste Zeitpunkt. 2019 hab ich viele Supports gespielt, kurze Zeit später hätte ich meine erste eigene Tour gespielt und dann hieß es Stopp. Jetzt läuft hier gar nichts mehr. Und die ersten zwei Monate der Pandemie hab ich dann erstmal absolut nichts gemacht, ich war echt deprimiert. Es war echt schwierig für mich. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich über die Vergangenheit geschrieben habe.“ Nico lacht und schaut in den Raum hinein. Er kratzt sich am Bart und sagt nachdenklich „Rückblickend ist die Pandemie aber das Beste, was passieren konnte. Ich hatte so viel Zeit, dieses Album zu schreiben. Allerdings mussten wir auch unglaublich viel Geld für PCR-Tests ausgeben, damit das klappen konnte“, fügt er lachend hinzu.
Sobald das Album veröffentlich ist, wird eine Woche Terror gemacht, damit möglichst viele Leute das Album kaufen und hören. „Mein Ziel ist es, mit dem Album auf Platz 99 der deutschen Albumcharts einzusteigen“ sagt Nico ehrgeizig und spricht noch ein "Riesendankeschön an Karan, Michi, Mario, Joseph und an die Gang“ aus. Sichtlich zufrieden mit der Welt bedankt er sich für das Interview. Man darf gespannt sein, was die nächsten Wochen und Monate noch so mit sich bringen.
Jan-Severin Irsch
Jan-Severin macht seit er denken kann Musik. Durch verschiedene Chöre, Bands und Lehrer ist er mittlerweile Lehramtsstudent für Musik mit Hauptfach Gesang, ist Sänger seiner eigenen Alternative/Punkrock-Band und Teil eines Barbershop-Chores in Köln. Von Klassik bis Jazz, von Chor- bis Punkrockmusik hört und spielt er alles gern. Ohne Musik geht nicht.