Interview mit Itchy: "Leider muss man in der heutigen Zeit über viele ernste Dinge reden!"
17.07.2017 | Ole Lange
AdW: Mit der Namensänderung zu „Itchy“ wollt ihr ja Vorurteilen vorbeugen, die da wären, dass eure Musik nicht so ernst sei. Soll das auch in den Songs selbst zu hören sein?
Panzer: Der Name „Itchy Poopzkid“ war ja schon denkbar dämlich. Das ist halt schon ein Problem gewesen. Da gab es natürlich viele Leute, die bevor sie überhaupt die Musik gehört haben, dachten, dass es typischer Fun-Punk ist. Und das machen wir halt einfach nicht. Zudem konnte den Namen keiner schreiben, geschweige denn aussprechen. Das war wirklich nervig. Weil wir ja schon eine Band sind, die auch ab und an gesellschaftskritische und politische Musik macht, ist es hinderlich, wenn Poopzkid dahinter steht. Sibbi und ich sind ja nun auch schon 35 und wir wollen das mit der Band noch richtig lange machen. Irgendwann sind wir dann aber halt 40 und dann steht noch „Poopzkid“ hinter einem. Das finden wir ich nicht so cool.
AdW: Sollte das auch ins Album reinfließen?
Sibbi (zu Panzer): Ja, das war nämlich seine ursprüngliche Frage.
Panzer: Ach verdammt! Das tut mir leid.
Sibbi: Ich dachte mir die ganze Zeit: „Kriegt der noch die Kurve?“ Aber es waren ja auch wunderschöne Sätze, die du da gesagt hast. Ich habe dir gerne zugehört, aber das beantwortete seine Frage halt einfach nicht. – Es gab halt schon immer etwas ernstere Songs von uns. Es wäre nicht so, dass wir uns hingesetzt hätten und gesagt haben: „So, ab jetzt nur noch ernste Songs.“ Jetzt ist es halt viel stimmiger. Leider muss man in der heutigen Zeit über viele ernste Dinge reden. Und wenn man halt schon mal eine solche Plattform hat, sollte man diese auch nutzen. Uns wäre es auch lieber, wenn man nur über schöne Sachen singen könnte. Deswegen gibt es aber auch Songs, in denen es um einen schönen Tag am Meer geht, oder auch ein Liebeslied.
AdW: Dennoch wirken viele Songs ja schon etwas aggressiver als noch auf „Six“. Woher kommt das?
Sibbi: Wir setzten uns eigentlich vor einem Album nie hin und suchen uns ein Ziel, wie die Songs klingen sollen. Wir schreiben einfach erstmal. Dieses Mal haben wir glaube ich knapp 40 Songs geschrieben, die zum Teil wirklich fertig sind. Bei „Six“ waren es noch mehr. Dann kommt es natürlich darauf an, aus diesen Songs ein Album zu kreieren. Wir wollten auch diesmal ein abwechslungsreiches Album haben, weil wir es nicht mögen, wenn erstens alle Alben und dann noch alle Songs gleich klingen. Diesmal gibt es aber sicher Songs, die wir so vor ein paar Jahren nicht geschrieben hätten. Aber es ist ja nur normal, dass man sich weiterentwickelt.
Panzer: Was er sagt. Ich gebe ihm recht.
AdW: Was ist für euch „The Sea“ auf dem Album?
Panzer: Das wird auch so ein Song wie: „Hey, mach dich mal frei. Trau dich.“ Also nicht mach dich frei von den Klamotten her, sondern trau dich, komm mit mir und lass uns eine schöne Zeit haben. Es ist ein wirklich unbeschwertes Lied, zu dem es aber auch einige Special-Aktionen geben wird, die vielleicht nicht so ganz den Text widerspiegeln!
AdW: Gibt es zu dem Song eine private Anekdote? Fahrt ihr zum Beispiel gerne ans Meer?
Sibbi: Wir sind alle einfach so, dass wir gerne ans Meer fahren. Es gibt für mich weniges, was ich mehr liebe, als stundenlang am Strand zu liegen. Ich finde es total wichtig, einfach mal in die Weite zu schauen. Es macht einen wirklich frei. Wir sind gerne am Meer, reisen da auch viel und tauchen auch.
Panzer: Wir arbeiten ja seit einigen Jahren auch mit Sea Shepherd zusammen. Nun planen wir gemeinsame Aktionen mit OceanCare. Das Thema ist wirklich eines, welches uns am Herzen liegt. Wenn man in Asien rumfährt, kriegt man schon schnell mit, wie vermüllt dieser Lebensraum ist. Es ist schockierend, wie dämlich Menschen teilweise damit umgehen.
AdW: Für mich klingt „Knock Knock“ wie der Song, bei dem ihr beim Schreiben und Einspielen am meisten Spaß hattet. Stimmt das? Und gab es bei dem Album irgendwelche positiven oder negativen Peaks?
Sibbi: Im Studio haben alle Songs sehr viel Spaß gemacht.
Panzer: Es gab dieses Mal erstaunlicherweise keinen Song, bei dem es beim Aufnehmen sehr gehakt hat. Früher gab es das öfter, dass bei Aufnahmen irgendwas nicht geklappt hat oder das irgendwas gefehlt hat oder kaputtging.
Sibbi: Oder das irgendeine Gitarre verstimmt klang, obwohl sie wissenschaftlich nachgewiesen richtig gestimmt war.
Panzer: Stimmt. Es hat alles wirklich sehr gut geklappt. „Knock Knock“ wird denke ich ein Song, der live sehr gut funktionieren wird.
Sibbi: Da kann ich mir wirklich vorstellen, dass sehr schön gedanced wird. Dieses Mal ist es aber im Studio so gut gelaufen, dass wir sogar vorzeitig fertig waren, was im Studio eher selten der Fall ist. Eher das Gegenteil. Wir sind in einen super Flow gekommen. Erst haben wir alles live eingespielt und haben wirklich Song für Song einzeln durchgenommen. Aufgenommen haben wir in dem neuen Studio von Flo Nowak.
Panzer: So wurde es uns verkauft.
Sibbi: Berlin entpuppte sich halt als Vorort in Brandenburg.
Panzer: Mühlenbeck.
Sibbi: Eine Dreiviertelstunde von Berlin entfernt. Das war aber gar nicht so schlimm. Wir waren nicht so abgelenkt, wie wenn wir in Kreuzberg aufgenommen hätten. Deswegen waren wir in einem coolen Workflow.
AdW: Bei „Day In Day Out“ gibt es eine Zeile: „I try to clean up the Mess“ - seid ihr so unordentlich, ist euer Leben so chaotisch oder ist das nur so eine Zeile?
Panzer: Ich glaube wirklich, dass wir alle etwas spießiger sind. Sibbi hat zum Beispiel ein eigenes Haus mit einem Garten und pflanzt dann immer seinen Rhabarber an. Bei mir ist es schon so, dass meine Wohnung deutlich unordentlicher aussehen würde, wenn ich alleine wohnen würde. Meine Freundin gibt da wirklich auch Acht und schickt mich auch öfter staubsaugen.
Sibbi: Das Meiste, worauf sich die Zeile bezieht, ist wirklich unser Proberaum. Auch wenn wir es uns immer wieder vornehmen, den in regelmäßigen Abständen aufzuräumen, sieht es dort drin wirklich schlimm aus. Wenn Leute dort reinkommen, sind die wirklich schockiert
Panzer: Die fragen dann immer, warum wir hier nichts draus machen. Wir haben eine Proberaumvilla. Da könnte man ein Studio einbauen, da könnte man drin wohnen. Das könnte so geil sein, aber wir haben einfach keinen Bock. Daher sieht das aus wie Scheiße.
Sibbi: Wir sind dort halt nur zum Proben. Der Erste von uns schaut nach zwei Songs schon auf die Uhr.
AdW: „Fall Apart“ hört sich von außen betrachtet wie euer persönlichster Song an. Ähnlich wie „The Sea“ hat auch der eine leicht melancholische und dramatische Wirkung. War es euch sehr wichtig, dass der Song genau so klingt?
Sibbi: Ja, der passt auch zum Text, der sich um „Erste-Welt-Probleme“ dreht, die wir alle haben oder denken zu haben. „Ich habe keinen Handyempfang“ oder „die Sojamilch ist alle“ oder „die Lieblingsband hat einen neuen Namen“ sind wirklich Sachen, wie wir beim Songwriting gesammelt haben und dann sagt halt wirklich einer, dass das richtig scheiße ist, wenn die Sojamilch alle ist. Da haben wir gemerkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und diese „Probleme“ haben wir mit den wirklichen Problemen, wie wenn man seine Eltern verliert oder aus dem Heimatland flüchten muss, gegenübergestellt.
AdW: Weil ihr gerade von der nächsten Single sprecht, warum wurde „Nothing“ die erste Auskopplung?
Panzer: Weil wir finden, dass es ein super Song ist und ich glaube, aufgrund der Namensänderung wollten wir mit dem Song zeigen, dass wir immer noch die gleiche Band sind. „Nothing“ ist so ein Lied, das eher noch dem Poopzkid ähnelt. Wir wollten halt nicht gleich alle Leute überrumpeln. Mit „Keep It Real“ und „Fall Apart“ kommen nun halt zwei eher ausgefallenere Songs.
AdW: Nun komm ich auch schon zur letzten Frage, bevor ich noch ein kleines Spiel vorhabe. Welche Frage wolltet ihr schon immer Mal gestellt bekommen?
Panzer: Das ist aber auch schon eine ausgefallene Frage. Ich finde die schon ganz gut.
Sibbi: Ne, die Frage müsste lauten: „Wohin mit eurem ganzen Geld?“ Die hat leider noch keiner gestellt. – Nein, jetzt mal wirklich. Ich fände die Frage cool: „Jetzt seid ihr mittlerweile schon 78 und 79 Jahre alt, habt diese Band seit 60 Jahren – ist es euch immer noch nicht langweilig?“
Panzer: Ja, die Frage fände ich wirklich schon, wenn die mal gestellt wird.
AdW: Okay. Nun würde ich gerne von euch beiden wissen: Wie sieht für euch Jennifer Weist als Tier aus?
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.