Nico von Rogers im Gespräch über „Augen auf“, die Festivalsaison und den neuen Fan Club
24.09.2017 | Ole Lange
AdW: Bist du grundlegend zufrieden mit der Platte „Augen auf“?
Nico: Ich bin sehr zufrieden. Es hat ja lange genug gedauert. Kurz bevor wir ins Studio sind, wusste ich auch nicht mehr, was ich von den Songs halten soll. Ich habe mich Anfang des Jahres so extrem mit damit auseinandergesetzt. Du weißt dann irgendwann nicht mehr, ob dir die Songs tierisch hart auf den Sack gehen oder ob du sie total geil findest. So ging es uns am Ende allen. Wir haben auch sehr lange dafür gebraucht, uns zu entscheiden, welche Lieder auf das Album kommen. Es ist tatsächlich das erste Mal, dass wir mehr geschrieben als aufgenommen haben. So ist es am Ende genau die Mischung geworden, die wir haben wollten. Uns war es sehr wichtig, politisch direkter zu werden, was die Texte angeht.
AdW: Habt ihr deswegen das Musikalische etwas flacher gehalten? Es ist nun ja nicht mehr dieser Party-Punkrock. Es scheppert weniger und ist nicht mehr so laut. War das Absicht?
Nico: Definitiv. Wir wollten mehr auf den textlichen Inhalt achten. Im Studio haben wir teilweise auch Gitarren, die aufgenommen wurden, weggelassen. Wir dachten uns, dass es vielleicht schöner ist, wenn man den Text jetzt mehr versteht und nicht mehr die ganze Zeit die Gitarre in die Fresse kriegt. Das war wirklich bewusst.
AdW: Wer war denn bei euch eigentlich federführend was die Texte anging?
Nico: Bei dieser Platte war es wirklich so, dass ich einen Hauptteil der Texte geschrieben habe, weil der Rest der Band natürlich auch viel zu tun hatte. Chri und Artur hatten sehr große Baustellen, sowohl privat als auch beruflich. Ich war etwas freier. Außerdem hatte ich ja auch viel Zeit, da ich mir diverse Male was gebrochen hatte. Da bleib ich natürlich nicht untätig. Aber auch Freunde von uns haben mitgewirkt. Kotsche von Callejon hat beispielsweise bei „Die Nachbarn von oben“ mitgeschrieben. „Nie euer Land“ haben Chri, Artur, Daniel und ich geschrieben. Daniel ist ein alter Kumpel, mit dem ich öfter mal zusammen schreibe und Musik mache. Wenn dabei ein Song rauskommt, ist es halt geil. Am Ende, als der Song fertig war, meinte er auch, dass man den Song nicht rausbringen könnte, weil er so direkt ist. Das wäre doch viel zu heftig in die Fresse. Aber wir meinten halt, dass man das natürlich machen könnte. Genau deswegen.
AdW: Welcher Song war der Erste, der fertig war?
Nico: Der Erste, der fertig war, war tatsächlich „Die Nachbarn von oben“. „Augen auf“ war der erste Song, der angefangen wurde. Wäre der Text damals fertig gewesen, wäre der vielleicht schon auf „Nichts zu verlieren“ gewesen.
AdW: War es angedacht, dass „Augen auf“ kurz vor den Bundestagswahlen erscheint?
Nico: Tatsächlich nicht. Es passt zwar super, geplant war es aber nicht. Wenn Bands zu solch passenden Momenten so eine Platte rausbringen, denkt man sich ja immer, dass es geplant war. Bei uns war es aber wirklich Zufall. Wir sind zum einen mit der Platte nicht eher fertig geworden, und zum anderen wollten wir die nach dem Festivalsommer veröffentlichen.
AdW: Warum liegt die Tour im Frühjahr 2018 und nicht noch dieses Jahr?
Nico: Wir waren seit der Veröffentlichung der letzten Platte durchweg auf Tour. Wir hatten glaube ich einen Break von maximal drei Monaten. Wir hatten 2016 die Touren mit Das Pack und Callejon. Anfang 2017 gab es die Tour mit Jennifer Rostock, bei der wir teilweise nebenbei schon das Album eingespielt haben und dann waren wir auf unserem größten Festivalsommer überhaupt unterwegs. Danach brauch man einfach mal eine Live-Pause. Deswegen wird es nach den drei Release-Shows in Düsseldorf bis zur Tour auch nichts mehr geben.
AdW: Warum habt ihr euch für drei Shows entschieden und nicht für eine?
Nico: Im Grunde ist es ganz einfach. Wir wollten unbedingt eine Release-Show spielen. Das letzte Mal hatten wir vor einem Jahr unser Heimspiel gefeiert und das sollte auch etwas Besonderes bleiben und es soll auch fernab von einem Platten-Release sein. Ein Düsseldorfer Heimspiel soll freistehen. Dann haben wir überlegt, was es für Alternativen gibt. Wir haben uns dann eine Liste von zehn kleinen Läden in Düsseldorf rausgesucht und dann sind halt genau die drei ausgewählt worden, weil es bei den Anderen teilweise terminlich auch nicht geklappt hat. Sonst hätten wir auch in Jugendclubs gespielt, in denen wir schon mit 18 Jahren gespielt haben. Eigentlich wollten wir die Shows ja auch zum Album-Release präsentieren. Das hat dann aber auch überhaupt nicht geklappt.
AdW: Das ist vielleicht gar nicht so schlecht, dass dann schon eine Woche dazwischenliegt. Da haben die Leute auch Zeit, sich die Texte schonmal zu merken.
Nico: Ganz genau das haben wir uns auch gedacht. Dann können die Leute schon mitsingen, nicht nur wir.
AdW: Ihr hattet jetzt aber auch sehr viel Konkurrenz, was gerade die Releases angeht. Beatsteaks, Casper, Lirr, Dritte Wahl, usw. kommen oder kamen alle auch Anfang/Mitte September raus. Kriegt man das alles neben dem eigenen Album noch mit oder ist man in seiner eigenen Blase gefangen?
Nico: Mit Dritte Wahl haben wir uns tatsächlich abgesprochen, dass es nicht am selben Tag erscheint. Ansonsten bin ich wirklich in meiner Blase drin. Dass Casper und Beatsteaks ihre Alben releasen, kriegt man mit. Am selben Tag wie wir bringen auch Comeback Kid ihre neue Platte, da freue ich mich auch sehr drauf. Von den eigenen Lieblingsbands kriegt man natürlich noch mit, was passiert. Aber man steckt die ganze Zeit im Studio oder in der Planung drin, was noch so kommen kann. In diesem Stress stecken wir alle. Wir sitzen den halben Tag vor dem Laptop und rufen uns nach und nach immer wieder an und schreiben E-Mails. Dadurch sitzt man aber auch wirklich in seiner Blase.
AdW: Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr mit dem Thema Kiffen so offen umgeht? Und hattet ihr schon einmal Probleme, was das betrifft?
Nico: Ja, Chri hat deswegen keinen Führerschein mehr. Auf unserer allerersten Support-Tour mit Massendefekt, glaube ich, gab es so einen richtig dummen Zufall. Wir haben uns am Anfang total den Stress gemacht, dass wir das nicht so zeigen dürften und auch die Kamera das nicht so filmen sollte. Dann haben wir uns hingesetzt und mit unserem Management darüber gesprochen und unser Manager ist halt ein Altpunker. Der meinte halt: „Ey Leute, wenn ihr kiffen wollt, dann kifft einfach. Ihr seid ja jetzt nicht Helene Fischer oder so, die immer überall korrekt sein soll.“ Dann hat sich der Spieß halt umgedreht und wir haben es einfach gemacht. Aber zurück zu dem Thema mit dem Führerschein – Chri hat halt irgendwann auch gesagt, dass er es anmeldet, wenn er kifft und an dem einen Tag meinte er halt, dass er schon Bock hätte. Dann sind wir nach Konstanz gefahren, irgendwo an der Tankstelle getankt und da war die Ultraschlange. Wir mussten schon eine Dreiviertelstunde bei der Zapfsäule anstehen, weil irgendwie Ferienbeginn war. Ich meinte dann, dass ich schon mal reingehe und mich anstelle zum Bezahlen. Chri wollte dann den Transporter nur schnell von der Zapfsäule auf den Parkplatz fahren, damit die hinter uns nicht ausrasten. Gesagt, getan. Ich komm vom Bezahlen raus, steht der Transporter auf einmal zwischen zwei Polizeiautos. Da haben die uns auf dem kurzen fünf Meter Stück rausgezogen. Das war natürlich superscheiße. Das war nicht auf Verdacht, sondern nur, weil es ein Bus war. Chri ist dann aber auch ein bisschen der Trotzmensch und dachte sich dann vielleicht: „Dann kiffe ich halt so viel ich kann.“ Der saß halt zwanzig Sekunden im Auto und wurde dabei erwischt. Dann gab es von mir aber ein Generalverbot. Es durfte kein Gras mitgenommen werden, außer da, wo ich es nicht finde. Dann hätte ich die Gewissheit gehabt, dass es die Polizei auch nicht findet. Seitdem wir aber einen Fahrer haben, ist mir das auch wieder egal, solange der Fahrer nicht kifft.
AdW: Jetzt hat sich der neue Rogers Fan Club gegründet. Wart ihr dabei stark involviert oder lief das ein bisschen ohne euch ab?
Nico: Artur hat sich darum am Meisten gekümmert. Ich war zu der Zeit glaube ich beruflich auf Tour. Der Fan Club hat sich ja aus dem Streetteam gegründet. Mucki, Alex und Sarah hatten dabei die Leitung, weil die das von Anfang an schon eingefädelt haben und sich auch unfassbar den Arsch aufreißen. Von denen wurde das öfter schon angesprochen und irgendwann wurde dann halt gesagt, dass man es einfach Mal machen sollte. Es flossen ja wirklich einige Gelder und viel Arbeit rein. Als Club hat man da immer noch andere Möglichkeiten, auch was Spenden und Ausgaben angeht. Artur hatte dann halt die nächste Verbindung zu Düsseldorf, da er auch seine beruflichen Wurzeln dort hat. Dadurch hat es sich halt am besten ergeben, dass er dort mit unter die Arme greift.
AdW: Tragt ihr zu manchen Ideen etwas bei oder lasst ihr euch einfach überraschen?
Nico: Ich würde mir nie anmaßen, irgendwie eine Idee einfließen zu lassen. Die Leute machen eine riesengroße Arbeit. Andererseits ist es halt auch immer schön, wenn die Überraschungen gelingen. Beim Konzert in Dortmund hat der Fan Club, ohne Mucki Bescheid zu geben, mit uns abgesprochen, dass er auf die Bühne kommt und ein Geschenk überreicht bekommt. Für uns war es übrigens sehr schwer, alle Details zum Album geheim zu halten. Sonst quatscht man halt bei einem Bier und will immer wieder was erzählen. Bis zu dem Streetteam-Treffen hat aber wirklich niemand von dem Album vorher was gehört.
AdW: Wie war euer Eindruck von dieser Festivalsaison und was war euer größtes Konzert dabei?
Nico: Unsere größte Show war glaube ich wirklich auf der Hauptbühne beim Highfield. Da waren halt doch ein paar Leute. Es war die größte Bühne mit den meisten Menschen. Vom Abgefahrenheits-Grat war es auf alle Fälle die größte, sollte es das Wort geben. Wenn man auf dem Vainstream, Deichbrand oder Highfield spielt, ist man dann doch irgendwo in einer anderen Liga angekommen. Ich habe bis zu dem Tag, als wir auf dem Highfield gespielt haben, nicht gecheckt, dass wir die Hauptbühne einnehmen. Ich dachte, wir spielen auf der anderen, aber die sind ja beide riesig. Wir kleine Punkrockpimmel aus Düsseldorf spielen auf der Hauptbühne um 14 Uhr. Das ist geisteskrank. Unser Soundmann kam vor der Show an und sagte, dass wäre die größte Bühne mit der größten Anlage, die ich jemals gemischt habe. Unser Mischpult ist zu klein. Die Festivalmacher kacken so schon immer ab, wenn wir unser eigenes Pult mitbringen. Dann lag da noch eine falsche Verbindung zwischen der Bühne und dem FOH. Wir haben dann halt immer noch ein Ersatzkabel mit. Da werden wir gefragt, wie lang das denn wäre. 50 Meter. „Das reicht nicht. Es ist zu kurz.“ Dann stehst du da und denkst echt nichts mehr. Aber dann hat noch alles geklappt. Wir konnten uns dann die Verbindung von Kraftklub ausborgen, sonst wäre das schwierig geworden.
AdW: Ihr habt ja die neuen Songs „Augen auf“ und „Einen Scheiss muss ich“ nicht vor Veröffentlichung gespielt. Warum?
Nico: Das war tatsächlich das Einzige, was so geplant war. „Einen Scheiss muss ich“ haben wir aber sogar beim Taubertal, einen Tag vor Veröffentlichung des Videos, schon gespielt. Man fragt sich immer, wie die Songs ankommen. Bei neuen Songs ist es dann aber meistens so, dass die noch keiner richtig kennt, deswegen ist das dann immer eine kleine Anspannung. Es wurde aber unglaublich gut angenommen.
AdW: Denkst du, ihr könntet noch Songs von der „Faust hoch“-EP spielen?
Nico: War da nicht auch „Alles für nichts“ drauf? Zählt der nicht? Haha. Aber ansonsten gibt es bei der EP Songs, die wir einfach nicht mehr spielen wollen, weil es geilere gibt. Prinzipiell wäre es aber möglich, dass wir die noch spielen können, da wir die 2011 und 2012 ewig durchgezockt haben. Es ist halt wie Fahrrad fahren. Man verlernt es nicht. Es muss einem nur einfallen, wo die Pedale sind.
AdW: Wenn man sich die neue Platte nun anschaut, könnte man fast meinen, ihr wärt ausgereifter. Nach „Nie euer Land“ und „Augen auf“ kommt ja dieser Break mit „Helden sein“. Welche Musik hat denn bei dem Lied inspiriert?
Nico: Wir sind ja alle noch sehr jung. Ich war dieses Jahr trotzdem schon auf zwei Hochzeiten, Kumpels haben schon Kinder und das ist alles schon etwas merkwürdig. Dennoch kommen Freunde an und sagen, dass es geil ist, dass wir das noch machen. Die Grundaussage ist eigentlich wirklich, dass man immer das machen sollte, worauf man Bock hat, und dass das eigentlich auch in jeder Lebenssituation geht. Der Sprecher, Chri, setzt sich ja damit auseinander, was vielleicht auf der Strecke verloren ging. Das ist auch eine Momentaufnahme.
AdW: Und musikalisch? Ich musste beim ersten Hören direkt an ein spezielles Musical denken.
Nico: Hahahaha. Ja, das ist tatsächlich großer Zufall. Unser Mischer Micha kam dann auch an und zeigte uns das Video von Phantom der Oper und wir so: „WAS?“ Von uns hat keiner das Musical jemals geguckt. Das war keine Absicht, aber das passiert immer wieder bei Songs. Es gibt halt nur eine Oktave mit einigen Tönen. Ey, es gibt halt nur elf Töne.
AdW: „Helden sein“ hätte es zu Anfangszeiten von Rogers sicherlich auch nie gegeben, genauso wie „Vorbei“. Wie kam es dazu?
Nico: Ja, das stimmt. Wir waren tatsächlich sieben Leute in einem Studio und haben uns dazu verabredet, einen Song zu schreiben, der nicht typisch für uns ist. Beide Produzenten der Platte, Kotsche und Daniel waren mit dabei und dann haben wir einfach geschrieben. Und zum Schluss haben wir es komplett abgefeiert und im Studio die Boxen richtig laut aufgedreht.
AdW: Es ist halt auch so eine Art Jazzflow drin. Das macht den echt besonders.
Nico: Der Song flowt total. Die Reaktionen, die wir darauf aber teilweise bekommen hatten, waren echt durchmischt. Bei uns im Bus haben uns alle angeguckt und meinten, was das denn für ein Scheiß wäre. Aber wir machen es halt einfach.
AdW: Mich plättet aber auch die Gewalt von „Tagesschau“. War das auch ein Wunsch, so einen Song zu schreiben?
Nico: Ja, das ist ein Brett. Chri und ich haben den Song zusammengeschrieben. Der hätte auch durchaus auf unserer ersten Platte sein können. Wenn so etwas wie „Vorbei“ drauf ist, warum dann nicht auch „Tagesschau“? Im Studio gab es aber auch eine Frage, ob wir den Song drauf haben wollen und wir meinten alle, dass der Pflicht ist
AdW: Das ist auch richtig so! Als letzte Frage würde ich eigentlich nur noch gern wissen: Welche Frage kannst du nicht mehr hören und welche Frage würdest du gern einmal gestellt bekommen?
Nico: Das ist eine abgefahrene Frage. Ich habe keinen Plan. Es gibt nichts, was wir in Texten und Interviews nicht aussagen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir irgendwas vergessen zu sagen. Eine Frage, die ich nicht mehr hören kann, kann ich aber spontan nicht mehr benennen. Da gibt es auf alle Fälle beschissenere, als „Wieso heißt ihr Rogers?“ oder „Was macht eure Musik aus?“.
Tourdates
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.