Rollo von Turbostaat: "Vielleicht muss Punk wehtun!"
22.05.2017 | Ole Lange
AdW: Wie waren für euch die drei Konzerte im SO36?
Rollo: Super. Das fühlt sich immer so ein bisschen an wie zu Hause. Wir haben ja eine lange Geschichte mit dem Laden und eine starke Verbindung. Ich persönlich finde es jedes Mal abgefahren dort zu spielen. Ich war Anfang der 90er das erste Mal im SO36 und bin halt als Dorfpunker mit meinem kleinen Auto von Husum hingefahren. Ich kannte den Laden damals aus Büchern und Dokumentationen, und es fühlte sich an wie das Betreten heiliger Hallen.
AdW: Was war das besonderste Erlebnis der drei Konzerte ?
Rollo: Es hat sich irgendwie gesteigert. Am ersten Tag waren wir irgendwie noch nicht so drin. Es war das erste Mal, dass wir gespielt haben, ohne das es dieses „SO36-Erlebnis“ war. Es war ein super Konzert, welches überall hätte stattfinden können. Was mir aber gefallen hat: Wir haben an dem Tag vergessen, die Konzerttickets zu drucken. Da haben wir einfach eine Karte gemalt und diese im Copyshop vervielfacht. Der zweite Abend war ein richtig gutes Konzert. Danach hat der Friese noch aufgelegt. Der letzte Abend war für uns ein ganz tolles Erlebnis. Unter uns hat alles funktioniert und mit Düsenjäger, welche wir auch schon lange kennen, hat das alles Spaß gemacht. Diese dramaturgische Steigerung war einfach gut.
AdW: “Abalonia” ist nun ja schon über ein Jahr alt. Haben sich die Reaktionen auf die Songs geändert ?
Rollo: Ja, auf jeden Fall. Die Lieder sind bei den Leuten mehr in den Köpfen angekommen. Es gibt inzwischen nicht selten Abende, bei denen “Abalonia” das Stimmungs-Highlight ist. Und das erfreut mich halt. Die Leute kommen immer noch auf unsere Konzerte, das ist eigentlich schon geil genug. Aber dass sie dann nicht nur die alten Lieder hören wollen, sondern auch zu den neuen Songs super Stimmung machen, das freut mich ganz besonders.
AdW: Gibt es für euch Songs, welche live immer noch ein besonderes Highlight sind?
Rollo: Wir haben innerhalb der Band verschiedene Auffassungen, was ein gutes Konzert betrifft. Es gibt da zwei Kräfte, die da walten. Dem einen Block wird immer relativ schnell langweilig und dieser will dann neue, andere Sachen spielen. Dann gibt es halt aber noch den anderen, der sagt, dass Leute auf unser Konzert kommen, um bestimmte Sachen zu hören. Die sind ja nicht bei jedem Konzert. Die freuen sich vielleicht auf “Vormann Leiss” oder so.
AdW: Habt ihr eigentlich noch Ziele auf Tour oder geht es euch einzig ums Spielen?
Rollo: Wir hatten ja nie Ziele. Unser einziges Ziel war es, rauszukommen und Konzerte zu spielen. Alles andere ist mit der Band passiert – von außen. Und dann haben wir in Hamburg in der Flora gespielt, Olaf vom Schiffen-Label kam auf uns zu und wollte unsere nächsten zwei Platten rausbringen. Danach hatte Olaf keine Lust mehr auf Label und dann kam ein Anruf von Warner, was uns schon sehr verwundert hat. Deutschpunk bei Major klang erstmal unwirklich. Aber wir haben uns halt nie irgendwo beworben.
AdW: Musstet ihr schon einmal ein Konzert abbrechen?
Rollo: Nein, aber ich musste in Freiburg bei einem Konzert mal in einen Eimer kotzen, hab dann aber weitergespielt. In Berlin, im Wild at Heart, war Jan wirklich krank mit Fieber und so. Das war der letzte Tourtermin. Heute gäbe es dazu keine zwei Meinungen, aber damals haben wir das halt durchgezogen. Jan hat sich dann 10 Lieder rausgesucht, die für ihn nicht so anstrengend waren und dann haben wir aufgebaut, während er noch im Bus lag. Wir haben da halt als Support gespielt und Thomas von des Beatsteaks wollte die eigentliche Band hören, fand unsere Musik dann aber total geil und hat sich eine Platte gekauft. So entstand dann auch alles mit dem Beatsteaks. Hätten wir das Konzert abgesagt, wäre das alles nie passiert.
AdW: Was ist für dich der politischste Song von Turbostaat ?
Rollo: Wir sind ja Anhänger dieses Deutschpunk-Spektrums, bei denen man über das privat-politische singt. Man kann ja irgendwie nichts machen oder sagen, ohne politisch zu sein. Marten hat eine ganz bildhafte Schreibweise und er kann auch nicht unpolitisch schreiben. Am meisten überrascht haben mich auf alle Fälle die Texte von „Der Wels“ und „Die Tricks der Verlierer“, weil da die Texte für seine Verhältnisse sehr direkt sind. Ersteres beschreibt den Pegida-Scheiß, welcher in Dresden angefangen hat und zweiteres dreht sich auch um Patriotismus. Ich finde es klasse, aber es hat mich halt gewundert, weil es so einfach ist, aber dennoch so gut. Er benutzt ja eigentlich lieber Bilder.
AdW: Wie laufen die Vorbereitungen zum “Angst macht keinen Lärm”?
Rollo: Im Grunde steht alles. Jetzt fangen wir so langsam an, die Bands bekannt zu geben.
AdW: Gibt es sonst noch etwas, worauf man sich dieses Jahr von Turbostaat freuen darf ?
Rollo: Nichts Besonderes. Wir müssen sicherlich noch mal auf Tour gehen im Herbst. Wir planen da an was, aber das ist noch zu früh, um es zu erzählen.
+++ Folgende fünf Fragen stammen wieder von einem Experten der Musikszene +++
AdW: Euch gibt es ja schon sehr, sehr lange. Warum gibt es Turbostaat schon so lange und warum habt ihr nicht aufgehört?
Rollo: Ich glaube, weil wir vorher schon Freunde waren. Wir kommen ja alle aus einer nordischen Kleinstadt. Wir haben dort Konzerte, Vokü's und anderes im Husumer Speicher gemacht. Wir hatten damals ja eine sehr große Punkszene, ehe dann alle nacheinander weggezogen sind. Und dann waren wir halt übrig und haben die Band gegründet. Bei unserer ersten Probe entstand „Blau an der Küste“ und bei unserer zweiten „Cpt. Käse“ und die sind beide auf dem ersten Album gelandet. So entstand das halt alles. Es war immer klar, dass wir losfahren und Konzerte spielen wollen. Es blieb zwar unausgesprochen, aber keiner von uns konnte einen richtigen Beruf haben, weil 30 Tage Tour zu wenig sind.
AdW: Hast du Ratschläge für Leute, die das auch so machen wollen?
Rollo: Ich tue mich damit echt sehr schwer. Wir wollten nie wirklich Erfolg haben. Klar ist mit den Jahren vieles professioneller geworden. Es gründen sich halt auch Bands, um vor richtig vielen Leuten zu spielen und da werden wir halt gefragt, wie geil es nicht war, bei Rock am Ring gespielt zu haben. Und wir sagen dann halt, dass es nicht so ein gutes Konzert war. Die Bühne ist einfach größer als in den Clubs, in denen wir sonst spielen. Ich denke, unambitioniert zu sein ist immer gut. Wenn man einfach Bock hat, das zu machen, läuft das von ganz alleine.
AdW: In einem Interview sagte Tobert mal, dass die Handgriffe in der Anfangszeit an dem Bass teilweise sehr schmerzhaft waren und es erst mit der Zeit einfacher wurde. Daraus resultierend die Frage: Muss Punk wehtun?
Rollo: Punk hört man nicht zur Feierabendbeschäftigung, da muss es schon ein Anliegen geben und wahrscheinlich muss dir auch irgendwas im Bauch oder im Herz wehtun. Nicht körperlich, aber seelisch vielleicht. Ja, vielleicht muss Punk wehtun.
AdW: Wie kann man als Band heute noch sinnvoll politisch sein, und es auch so meinen, ohne dass es ein Marketing-Tool ist ?
Rollo: Man muss ungeheuer vorsichtig damit sein. Es gibt Organisationen, da hat man das Gefühl, dass diese karitative Sachen machen, aber es nur noch zum Selbstzweck und zur Vermarktung dient. Wichtig ist glaube ich, dass man sowas vorher ankündigen sollte. Wir zum Beispiel stellen eine Pro Asyl Box am Einlass auf, in die jeder, der bei uns auf der Gästeliste steht, 5 Euro reinhauen soll. Das gesammelte Geld geht dann ausschließlich an die Organisation. Wir hatten auch eigentlich vor, zu „Die Tricks der Verlierer“ ein anderes Musikvideo zu machen. Von der Plattenfirma bekamen wir aber ein Budget, welches wir eigentlich an Pro Asyl geben wollten. Es fühlte sich für uns aber komisch an, weil das Geld der Plattenfirma gehört und nicht uns. Ein Freund von uns, welcher sich um offizielle Sachen kümmert, hat da aber ein gutes Händchen für, was einen faden Beigeschmack hat.
AdW: Okay, dann meine letzte Frage: Wenn Mathias Bloech, der Sänger der Band Heisskalt, Jan Windmeier als Tier malen würde, welches wäre das?
Rollo: Also ich kenne die Band nicht persönlich. Ich weiß nur noch, dass diese Jungs total nett waren. Aber nein, das kann ich leider wirklich nicht sagen.
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.