25 Jahre "Rage Against The Machine": Ein Liebesbrief an ein Album, das die Welt veränderte
03.11.2017 | Jakob Uhlig
Was hat das Aufkeimen der Prophets Of Rage im vergangenen Jahr zu einem so populären Gesprächsthema gemacht? War es der politische Aufstand gegen Donald Trump, den diese Band auslösen wollte? Oder doch die musikalischen Erzeugnisse, die die Supergroup auf die Menschheit losließ? Beide Antworten sind wohl zum Teil richtig, dennoch überwiegt ein ganz anderes Faktum: Das Publikum hatte gehofft, dass hier endlich die Reinkarnation von Rage Against The Machine bevorstünde. Und wenn man sich das selbstbetitelte Debüt der Prophets Of Rage anhört, braucht man nicht viel Zeit, um zum Schluss zu kommen, dass Tom Morello, Tim Commerford und Brad Wilk genau dies hier versucht haben. Umso ernüchternder ist die Feststellung, dass von dem Glanz der alten Jahre nicht mehr sonderlich viel übrig ist. Doch worin besteht dieser Glanz, und was macht „Rage Against The Machine“ so großartig, dass Musik-Fans weltweit noch heute immer wieder sehnsuchtsvoll zu dieser Platte greifen?
Ein Blick zurück nach 1992, dem Erscheinungsjahr von „Rage Against The Machine“. Der Release dieser Platte wird von Vielen heute immer noch als die Geburtsstunde der Crossover- und Nu-Metal-Ära bezeichnet, ganz korrekt ist das aber nicht. Sicher hat kaum ein Album die nachfolgenden Künstler so sehr bewegt wie dieses, dennoch waren Body Count faktisch früher dran. Im Frühling desselben Jahres erschien „Cop Killer“, das sich an die noch völlig unergründete Kombination von Rap und Metal wagte, und (gerade durch den namensgebenden Skandal-Song) extrem populär war. Dennoch machten Rage Against The Machine alles, was diese Band losgetreten hatte, anders und einfach besser. Da wäre zum einen natürlich Tom Morellos ikonisches Gitarrenspiel. Die Sounds, die Morello mit verschiedensten Effektgeräten und Spieltechniken erzeugt, klingen teilweise so fremdartig, dass die Band im Booklet ihres Debütalbums extra darauf hinweisen muss, dass hier nichts außer Gitarre, Bass und Drums zu hören ist. Dazu kommt Zack de la Rochas unfassbar aggressive Art zu rappen, die mit ihrer Grundstimmung das Metal-Gewand besser ausfüllt, als Ice-T es damals mit Body Count vermag. Wenn man sich die Prophets Of Rage anhört, weiß man, wie unglaublich viel De La Rochas Teil zum Erfolg der Band beigetragen hat.
Noch wichtiger waren Rage Against The Machine aber wohl mit ihren politischen Botschaften. Wir befinden uns in den frühen 90ern, und spätestens seit der Machtübernahme von Green Day war der Punk nicht mehr das Sprachrohr der sich aufbäumenden Jugendkultur, das es einst war. Die Kraft der Texte von Rage Against The Machine ist bis heute bahnbrechend. Die Lyrics von „Killing In The Name“ sind gar so ikonisch, dass die Band es nicht einmal für nötig hielt, sie, im Gegensatz zu den Texten aller anderen Songs, im Booklet abzudrucken. Die Simplizität einer Zeile wie „Fuck you, I won’t do what you tell me“ sorgte zwar auch dafür, dass dieser Song noch heute Teil schrecklicher 90er-Disko-Partys ist, die rohe Wut dieser Band könnten aber wohl keine anderen Worte besser widerspiegeln.
Und dabei hat „Rage Against The Machine“ nicht nur „Killing In The Name“, sondern noch neun weitere Songs, die mindestens ebenso genial konzipiert sind. Da wäre „Know Your Enemy“, das mit Gast-Vocals von niemand geringerem als Tool-Frontmann Maynard James Keenan, einem irren Rhythmus-Wechsel im Intro und dem (Achtung, steile These!) vielleicht besten Gitarren-Riff aller Zeiten aufwartet. „Freedom“ zeigt, wie markerschütternd Zack de la Rocha seine Wut auch in Schreie kanalisieren kann, die nicht nur Hass entfachen, sondern auch furchtsame Emotionen zurücklassen. Oder „Bullet In The Head“, das wohl wie kein anderer Song Rage Against The Machines extreme Spannungsbögen eindrucksvoll demonstriert. Man könnte jetzt noch weiter einzelne Tracks aufzählen, oder einfach festhalten, dass die Songs dieser Platte eigentlich zu keiner Zeit Schwäche zeigen.
Und wo stehen wir heute, 25 Jahre später? Die Welt befindet sich in einer Unruhe, die sie schon lange nicht mehr gekannt hat, und Musik-Fans blicken noch immer wehmütig auf diese Revolution eines Albums zurück. Vielleicht auch deswegen, weil es seitdem keine wirkliche mehr gegeben hat. Dabei wäre es dringend an der Zeit, dass eine Band wieder mit mehr als hohlen Phrasen die Massen begeistert. Uns bleibt daher nur, mit Hoffnung in die Zukunft zu schauen – und zwischendurch immer wieder auf ein Werk zurückzublicken, das die Welt vieler Menschen für immer verändert hat.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.