Dave und die Schatten aus dem Schrank: Donots, Voodoo Jürgens, Øjne
30.05.2024 | Dave Mante
Immer wieder stolpere ich über Alben, Künstler*innen und Songs, welche ich mir irgendwo in meinem Kopf abgespeichert habe und dann so gut wie nie darauf zurückkomme. So habe ich großartige Alben wie „Zweifel“ von Sperling sehr lange verpasst, obwohl sie ja durchgehend verfügbar waren. Nun ja, mit dieser Kolumne möchte ich damit aufräumen und diese Alben endlich anhören. Dazu bekommt ihr eine kurze Review, sehr auf meine Meinung bezogen und meistens weniger faktisch wie eine normale Rezension. Ich nenne euch meinen Lieblingssong des Albums und, da ich des Öfteren über genau das nachdenke, eine passende Situation, in welcher dieses Album passen könnte, also ein Vibe sozusagen.
DONOTS – Heute ist ein guter Tag
Nachdem ich die Donots ehrlich gesagt länger aus meiner Musikbibliothek verloren habe und auch bis auf ein paar Songs, welche dann doch mal in meinen Playlists waren, etwas verdrängt hatte, sollten sie Ende März gleich zweimal in der GrooveStation Dresden spielen. Dem Laden, dem ich als Hausfotograf diene. Ihr letztes Album „Heute ist ein guter Tag“ habe ich nicht einmal gehört, bis nach diesen Konzerten. Relativ schnell merkte ich, dass ich nicht mehr ganz so sehr an diese Art Punkrock rankomme und die Donots mittlerweile sehr viel lieber auf Englisch höre, jedoch blieb das Album in Verbindung mit dem Konzert sehr in meinem Kopf hängen. Vor allem die Songs „Auf sie mit Gebrüll“ und „Hunde los“, welche nur so vor Ohrwurmcharakter triefen und immer wieder in meinem Kopf hallen. Trotzdem plätschert das Album sehr an mir vorbei, der Donots Sound holt mich schon ab, allerdings sticht für mich wenig heraus und möchte nicht hängen bleiben. Trotzdem alles in allem gutes Album, vor allem durch die erneut textliche Vielfalt des Albums, der doch immer wiederkehrenden Eigenarten und der doch gegebenen Abwechslung in den Alben der Donots.
Lieblingssong: „Auf sie mit Gebrüll“
Vibe: Verrauchte Kneipe um drei Uhr morgens, billiges Bier, aus den Boxen kommt das Album und alle grölen mit, auch die, die keine Ahnung haben, wer die Donots sind.
Voodoo Jürgens – Ansa Woar
Eventuell mag jetzt ein Teil von euch lachend den Tab schließen aufgrund der Skurrilität dieses Kontrastes, aber lest weiter. Anfang des Jahres habe ich mit einer sehr sehr lieben Freundin von mir den Film „Rickerl“ im Kino gesehen, von und mit Voodoo Jürgens, welcher nur deswegen deutsche Untertitel hat, weil ihn sonst kaum ein deutschsprachiger Mensch verstehen würde. In diesem Film geht es um einen kleinen Singer-Songwriter, der sich seinen schweren Weg durch die kaputte Musikbranche bahnt und versucht groß zu werden, inklusive vergeblicher Liebe und Familiendrama. Guter Film. Danach bin ich jedoch in einen wahren Rausch aus Voodoo Jürgens-Fieber verfallen und habe mich mal schnell durch die Diskografie gehört und wurde nebenbei auch zum Kettenraucher, weil in dem Film alle zwanzig Sekunden irgendjemand prominent im Bild raucht. Voodoo Jürgens' Musik ist Singer-Songwriter typisch voll von Geschichten über Menschen, die Liebe und die melancholisierte Vergangenheit. Jedoch in feinstem Wienerisch. Also das, was Wanda machen, aber noch unverständlicher. Dazu die herrlich schräge Stimme von Jürgens. „Ansa Woar“ ist dabei sein Erstling und auch die Heimat des Songs „Heite grob ma Tote aus“, welcher mich mal auf einer sehr späten und dunklen Autobahnfahrt von Leipzig nach Dresden begleitet hat und seitdem in meinem Kopf geistert (ha, witzig, weil Tote und geistern). Solltet ihr auf etwas eigentlich Normales, welches aber durch diverse Faktoren an Skurrilität gewinnt, sehr melancholische Texte und Instrumentals oder einfach Kette rauchen stehen, dann ist dieses Album sicher etwas für euch, lest euch aber mal ein paar Sachen zu ihm durch, also Vergangenheit und Co. Guckt auch "Rickerl", der ist wirklich nicht schlecht!
Lieblingssong: „Heite grob ma Tote aus“
Vibe: Dauerhaft quarzend in einer Straßenbahn sitzen, gedimmtes Licht und manchmal hält man an, um irgendwo einen Schnaps zu trinken.
Øjne – Prima Che Tutto Bruci
Das dritte Album ist schwer zu beschreiben, denn ich verstehe, wenn es hochkommt, 15 Worte in diesen Texten. Øjne sind eine italienische Screamo-Band, welche auch auf Italienisch singen. Ich habe schon einmal geschildert, dass ich sehr viel Herz bei ihrem Konzert in Leipzig gelassen habe und auf dem Heimweg dann auch zum ersten Mal komplett durch ihr bisher einziges komplettes Album gehört habe und nach dem Konzert erneut nahezu weggeblasen wurde. Dieses rohe, schrille und teilweise wahnsinnig pompöse ist es, was mir bei vielen Bands in bekannteren Sektoren fehlt. Es ist selten, dass mir jemand bis zur Heiserkeit ins Ohr brüllt, eine Band in dem Genre mehrfach ihr Tempo auf Schlag ändert und so viele verschiedene Stimmungen in ein Album, teilweise sogar in einen Song packen. Ich würde euch gern mehr sagen, aber das Album ist ein absolutes Erlebnis, welches man allerdings selbst entdecken sollte. Es ist allerdings nicht für jeden etwas, denn erstens ist da nicht viel mit textlicher Tiefe (außer euer Italienisch ist fließend) und es ist wirklich wahnsinnig roh, was dann doch nicht leicht wertzuschätzen ist.
Lieblingssong: „Ogni inverno“
Vibe: Der ganze Tag um das Konzert, welcher Höhen und Tiefen hatte und dann um 7 Uhr Morgens am Bahnhof mit diesem Album endete, vollkommen zerstört und müde, aber auch ziemlich happy.
Das war es dann auch schon mit dem ersten Teil dieser Kolumne. Sie sollte schon viel früher kommen, allerdings habe ich in letzter Zeit viel neue Musik gehört, welche hier nicht in dem Sinne hingehört. Generell ist das Konzept noch im Ausbau und beim nächsten Mal rede ich dann auch mehr über die Alben, die ich nie gehört habe, obwohl ich mal sollte, versprochen!
Dave Mante
Aufgewachsen zwischen Rosenstolz und den Beatles hört sich Dave mittlerweile durch die halbe Musikwelt, egal ob brettharter Hardcore, rotziger Deutschpunk, emotionaler Indie oder ungewöhnlicher Hip Hop, irgendwas findet sich immer in seinen Playlisten. Nebenbei studiert er Kunstgeschichte, schlägt sich die Nächte als Barkeeper um die Ohren oder verflucht Lightroom, wenn er das gerade fotografierte Konzert aufarbeitet.