Ein Gang durch Nürnberg
04.08.2020 | Moritz Zelkowicz
Wir verlassen das Bahnhofsgebäude, überqueren eine Straße, gehen in die Fußgängerzone und hören es auch schon von Weitem: laut singende Menschen. Mit Verlassen des Zuges haben wir uns quasi schon auf das Gelände des größten „Umsonst und draußen“-Festivals Deutschlands, dem Bardentreffen, begeben. Doch es sind nicht die großen Plätze mit den neun Bühnen, die das Hauptprogramm des Festivals bilden, es sind die kleinen Plätze und Gassen, die dem Bardentreffen seinen Charme verleihen. Denn es ist ein internationaler Hotspot für Straßenmusik aller Art. Wirklich aller Art! Vom kirgisischen Studenten-Quartett, welches auf Streichinstrumenten weniger bekannte Hits der Hard-Rock-Geschichte präsentiert, über die drei Peruaner, die Beethoven und Mozart auf Panflöten zum Besten geben, bis hin zu klassischen Singer/Songwritern. Ob mit viel Talent oder eher weniger, jeder ist mit dem was er präsentieren möchte willkommen. Ein paar Regeln gibt es allerdings schon: Es sind nur Akustikverstärker bis zu 50 Watt erlaubt, ein Act darf maximal sieben Personen betragen, maximal 1,5 Stunden Spielzeit, um 23 Uhr ist Schluss und am Wichtigsten: Rücksicht nehmen! Jeder darf spielen, jeder will gehört werden und jeder soll gehört werden. Das Schönste ist: es funktioniert fast immer hervorragend. So spielen auf einem relativ kleinen Platz drei Acts, ohne dass sie oder das Publikum sich am anderen Act oder Publikum stören.
Ein schöner Teil folgt auch nach den kleinen Konzerten, denn ganz viele Künstler suchen nach dem Act die Nähe zu ihrem Publikum. So lernen wir Noomi und Jákup kennen. Sie kommen beide aus Klaksvík auf den Färöer-Inseln. Allerdings haben sie diese schon länger nicht gesehen. Sie sind schon seit zwei Jahren auf der ganzen Welt unterwegs und spielen wo sie können. Die beiden haben jung geheiratet, Noomi ist jung zu viel Geld gekommen. Nun leben sie ihren Traum, reisen durch die Welt und spielen wann immer sie können mit Gitarre, Ukulele, Cajon oder Djembé. Es ist eine von vielen Biografien, die man auf dem Bardentreffen findet. So flanieren wir die nächsten zwei Stunden durch die Nürnberger Innenstadt um dann um halb neun tatsächlich vor einer der Bühnen halt zu machen. Denn wenn „schubsen“ spielen, sind wir immer dabei.
Einst zum 400. Todestag des Nürnberger Poeten Hans Sachs ins Leben gerufen, zieht das Bardentreffen inzwischen über 200.000 Besucher an. In seiner Art ist das Bardentreffen nicht nur für Besucher ein Traum, es bietet den Künstlern auch eine Möglichkeit aufzutreten. Einfach so, wo eben Platz ist (die wenigen Sperrzonen ausgeschlossen). Wer bei dieser Vielfalt nichts für sich findet, der hat definitiv nicht richtig gesucht. Und auch wenn ohne Camping für den ein oder anderen nicht das richtige Feeling aufkommen möchte - das Bardentreffen gehört auf die Bucketlist eines jeden Konzertgängers. Für uns geht es nach schubsen zurück in die Gassen, um bis 23 Uhr noch zu schauen, wer sich auf selbigen noch präsentiert. Oh Nürnberg, wie wunderschön sind deine Clubs, Konzerte und Festivals…
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.