Zwischen Fanhype und Hate: Swiss und die Andern
04.02.2021 | Meret Stursberg
So ziemlich jeder, der in der Punk-Szene in den letzten Jahren unterwegs war, hat von ihnen gehört: Swiss und die Andern. Auf etlichen Festivals waren sie zu sehen, das Logo der “Missglückten Welt” ziert unzählige Kutten und auch durch viel Werbung war es schwer, nichts von der Band, die Punk und Rap mit einer gewissen Portion Pop-Punk verbindet, mitzubekommen.
Die Meinungen über die Band gehen dabei innerhalb der Szene erstaunlich weit auseinander. Auf der einen Seite die Hardcore-Fans, die in Sippschaften vereint sind, auf der anderen Seite Punks, die nichts von Swiss hören wollen und sein gesamtes Auftreten verurteilen. Auf Instagram finden sich sogar mehrere “Anti Swiss”-Meme-Seiten. Doch wie kann es zu einer solch großen Diskrepanz zwischen Fandom und Hate kommen?
Dies sind zwei Beispiele, die von dem Meme-Account "anti_swiss" auf Instagram gepostet wurden und die als Einleitung dienen, warum dies ein durchaus interessantes Thema für unseren Themenmonat ist. Neben Zitaten von Kritikern der Band habe ich zur Darstellung des Sachverhalts auch immer wieder Bilder von solchen Seiten eingefügt.
Beginnen wir nun ganz kurz mit der Seite der Fans, denn diese ist leichter zu beschreiben: Sie mögen die Musik, stehen hinter den politischen Aussagen und sehnen sich nach dem Zugehörigkeitsgefühl, das sie in der Sippschaft erwartet. Auf diese Seite möchte ich in diesem Artikel allerdings nicht weiter eingehen, da diese leicht nachzuvollziehen ist und es auch eher weniger um die Fans geht, als darum, den Vorwürfen der Hater auf den Grund zu gehen. Ich habe dafür ein paar Leute interviewt und nach ihren Kritikpunkten gegenüber der Band gefragt.
Ein wichtiger Disclaimer vorweg: Es geht in diesem Artikel weder um politische Standpunkte noch um musikalische Wertung, sondern er befasst sich hauptsächlich mit dem öffentlichen Auftreten der Band und deren Fans. Zudem möchte ich betonen, dass ich mich keiner der beiden Seiten bisher wirklich zugehörig gefühlt habe und weder Fan noch Hater war, sondern das Ganze eher neutral beobachtet habe. Ich persönlich hatte eher wenig mit Swiss und die Andern am Hut. Als ich die Band zum ersten Mal gehört habe, fand ich sie ganz cool, da ich es generell mag, wenn verschiedene Musikstile miteinander gemischt werden. Allerdings hat sich das recht schnell verflüchtigt, weil ich ganz persönlich die Musik auf Dauer etwas langweilig fand. Im Laufe der Zeit bin ich dann immer wieder mit den nachfolgenden Vorwürfen ihnen gegenüber in Berührung gekommen und fand, dieser Themenmonat wäre ein guter Ansatz, diesen mal etwas auf den Grund zu gehen.
Was ist denn jetzt aber der Vorwurf gegen Swiss und die Andern?
Im Grunde vereint die Hater in der Punk-Szene eine gemeinsame Kritik, die im Vordergrund steht:
Swiss und die Andern nutzen kommerziell aus, dass sie eine musikalische Nische gefunden haben und propagieren durch die Organisation und das Verleihen von Privilegien an ihre Sippschaften eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, obwohl sie gerade diese öffentlich kritisieren und sich gegen hierarchische Strukturen aussprechen.
Befassen wir uns zunächst mit dem ersten Kritikpunkt: Der kommerziellen Ausnutzung der musikalischen Nische. Woher kommt diese Behauptung? Ein paar Zitate von Interviewpartnern verdeutlichen die Herleitung dieses Vorwurfs.
So sagt zum Beispiel einer der Swiss-Kritiker:
“Swiss war nicht schon seit seiner Jugend Punk, sondern Rapper. Erst später hat er sich dazu entwickelt. Das ist erstmal kein Grund, kein “richtiger” Punk zu sein, sofern man das überhaupt sagen kann. Aber dadurch, dass es auf mich so wirkt, als wäre Swiss nur auf eine Nische gestoßen, in der er Geld verdienen kann, habe ich das Gefühl, dass er lediglich Punk als Aushängeschild nutzt, um damit Geld zu machen, was für mich kommerziell ist und kein “richtiger” Punk.”
“Stichwort Kommerzpunks: Nicht die Fans würde ich als Kommerzpunks bezeichnen, sondern die Band, also Swiss und die Andern. Das sind einfach Menschen, die eine Nische gefunden haben, in der sie Geld verdienen können und das auch sehr gut ausnutzen.”
Auch die eindeutige Parallele zum “Black Friday” - wohl dem Feiertag des Kapitalismus - lässt die ständige Kapitalismuskritik einer Band wie Swiss und die Andern eher unglaubwürdig erscheinen. Dazu muss man allerdings sagen, dass 2020 für Musiker und Künstler besonders hart war und dieser “Schwarze Freitach” eventuell aus der Not heraus entstanden ist. Dennoch hätte man auch andere Wege wählen können, als diesen eindeutig kapitalistischen Ansatz. Auf die Frage, ob die Artikel fair produziert worden sind, gibt es in den Kommentaren unter dem Post oder auf der Website leider keine Erklärung – keine Antwort scheint in diesem Fall auch eine Antwort zu sein. Wenn man den Kapitalismus kritisiert, könnte man eigentlich auch dafür sorgen, dass die Herstellung der vielen Merchandise Artikel, die man anbietet, transparent ist und jeder, der daran beteiligt ist, fair bezahlt wird – was dann auch die teureren Preise mancher Artikel etwas rechtfertigen könnte. Leider konnte ich dahingehend keinerlei Ansätze der Band finden.
Es steht also der Vorwurf im Raum, dass die Band lediglich nutzt, dass die Verbindung zwischen Punk und Rap relativ selten ist und damit auch ein relativ hohes kommerzielles Potential einhergeht. Diesen Vorwurf kann man natürlich nicht einwandfrei beweisen oder widerlegen, da man eben nicht in die Köpfe der Agierenden schauen kann. Ob sie nach außen hin das eine propagieren und innerlich ganz anders darüber denken, ist nicht eindeutig verifizierbar. Gestützt wird die Vermutung unter anderem durch das Auftreten der Band auf Konzerten und Festivals:
“Ich kenn keine andere Band aus der Punk-Szene, die ich auf Festivals oder Konzerten gesehen habe, mit soviel Promotion, mit soviel Werbung, mit soviel Merchandise.”
Sehen wir uns das Merchandising einmal an. Auf der Website www.missglueckte-welt.de findet man eine lange Liste an Merchandise-Artikeln. Neben den typischen Artikeln wie Pullover, T-Shirts, Jacken und Taschen findet man auch Handschuhe, Sporttaschen, Socken und sogar Badelatschen. Das Sortiment ist schier endlos, was die Individualität unter Punks, die für ihren meist sehr individuellen Stil bekannt sind, in gewisser Weise einschränkt, wie dieser Kritiker findet:
“Die Klamotten, die man von Swiss kaufen kann sind nicht gerade günstig, verglichen mit anderen Punk-Online-Shops/Geschäften. Von außen wirkt es wie ein Zwang für die Fans von Swiss, sich das alles kaufen zu müssen. Dadurch geht vor allem die Individualität des Punks verloren. Man kann diese Kutten zwar selbst wieder individualisieren, aber für mich war es immer so, dass Punks sich ihre eigenen Klamotten machen und sich auch untereinander nicht anpassen.”
Den Abschluss des Merchandise-Kataloges bildet die Sippschafts-Jacke oder Weste für rund 80€-90€. Das ist schon recht viel für Band Merchandise – vor allem, da gerade in der Punk-Szene viele Kleidungsstücke in den meisten Fällen durch Patches (Aufnäher), Buttons oder eigene Malereien verschönert werden, wodurch man sich teuren Merch von Bands oftmals sparen kann.
Doch was hat es eigentlich genau mit diesen “Sippschaftskutten” auf sich? Oder generell mit der Mitgliedschaft in so einer Sippschaft?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, habe ich erst einmal im Shop auf den Button “Ausführung auswählen” geklickt und – Access denied. Zugang zu dieser Seite erhält man nur mit einem Passwort. So bin ich also schon einmal nicht weiter gekommen. Also habe ich mir mal den “Leitfaden für Sippschaften” auf der Missglückte-Welt-Seite durchgelesen. Und gewisse Punkte dieses Leitfadens lassen einen schon stutzig werden.
So bezahlt man für eine Sippschaftsjacke beispielsweise nicht nur 80€-90€, sondern muss diese auch noch zurückgeben, wenn man ausgeschlossen wird oder die Sippschaft verlassen möchte.
“Beides ist als Leihgabe zu werten und das dafür überwiesene Geld ist als eine Bearbeitungsgebühr zu werten. Das heißt, verlässt einer die Sippschaft, egal ob es ein eigener Entschluss ist oder es aufgrund von Fehlverhalten zu einem Ausschluss kommt, muss die Kutte beim Postmeister abgegeben werden. (Siehe Leihvertrag)” (Auszug aus dem Leitfaden auf: www.missglueckte-welt.de)
Das bedeutet also, dass man fast 100€ für eine Jacke oder Weste ausgibt, die man eventuell nicht einmal behalten darf und von dem Geld bei einer Rückgabe nichts wiedersieht. Das lässt schon auf eine gewisse kommerzielle Absicht der Band schließen und eben nicht, wie auf der Website geschrieben, auf Zusammenhalt und Uniformität:
“Wir wollen mit den Jacken nicht einen einzigen Cent verdienen, wir wollen nur, dass unsere Sippschaftszecken geile Scheiße anhaben, wir inklusive! Kurz einmal zu der Kritik, die es gab in Bezug auf die Uniformierung innerhalb unserer Gemeinschaft: Wir finden, dass der heutige Marken-Faschismus alles kaputt macht. Wer kein Nike, Adidas oder so trägt, kann nicht mitreden, ist nicht cool. Deswegen gilt zum Beispiel in vielen Schulen in England die Pflicht zur Schuluniform, damit alle das Gleiche anhaben, egal ob sie reich oder arm sind. Und nur so soll diese Jacke verstanden werden: Wir sind alle gleich, wir sind alle Sterne. Bei uns ist es egal, wie reich oder arm jemand ist!”
Wenn an den Jacken kein Geld verdient werden will, warum dann diese absurd hohen Kosten für eine Leihgabe? Und was ist mit Leuten, die sich diese Kutten nicht leisten können und sich daher nicht in die Uniformierung einkaufen können? Wo bleibt da der Grundsatz von: Wir sind alle gleich, egal ob arm oder reich? Werden Leute, die sich diese Kutten nicht leisten können oder keine haben wollen, dadurch nicht automatisch ausgeschlossen?
Zudem verpflichtet man sich bei der Mitgliedschaft dazu, Werbung zu machen, was wieder dazu führt, dass Kritiker an dem ganzen Kult um Swiss und die Andern, das Gefühl bekommen, dass es bei dieser Band mehr um Werbung und damit auch ums Geldverdienen geht, als um die Musik oder die Inhalte.
“Sippschaftszecken sind vor Allem für die Promo in ihrer Stadt zuständig. Immer wenn der Postmeister oder die Postmeisterin von uns ein Paket bekommen hat, verteilt er/sie die Flyer, Sticker usw. unter der Gruppe UND ORGANISIERT die Promowelle in der jeweiligen Stadt. Sippschaftszecken müssen Bock auf radikale Promo haben, sonst macht es keinen Sinn. Also bitte nur Leute in der jeweiligen Sippschaft aufnehmen, die richtig Randale machen wollen. Auch darauf muss der Postmeister / die Postmeisterin ein Auge haben. Wenn jemand nicht so der Sticker-Typ ist, dafür aber online alles auseinandernimmt, dann ist das auch in Ordnung. Wichtig ist einfach, dass die Missglückte Welt von einer Sippschaft auf allen Kanälen in vollem Umfang propagiert wird.” (Auszug aus dem Leitfaden auf: www.missglueckte-welt.de)
Natürlich kommen diese Sippschafts-”Regeln” nicht von der Band selber, sondern von den Fans, aber die Band unterstützt diese Regeln durch gewisse Anreize ihrerseits. Die Band erhält somit kostenlose Promo (für die normalerweise bezahlt werden müsste) und eine große Anhängerschaft, die ihren Merch kauft (also auch noch Geld dafür ausgibt, Promoter zu spielen).
"Es gibt also eine Band, die ihre eigene Fangemeinde zu Promotern erzieht, indem sie ihnen Erkennungszeichen und Gruppenzugehörigkeit (und ab und zu, das wird nicht näher definiert, Gästelistenplätze und Freikarten) ermöglicht. Außerdem „darf“ man der Band bereits beim Soundcheck zusehen und es gibt ein Vorzugsrecht bezüglich Merch und Tickets. Einige Sippschaften haben ein „Anwärter_innensystem“ entwickelt, um neue Aspiranten genau unter die Lupe nehmen zu können und zu bestimmen, wer dabei sein darf.
"Ein Prinzip, das ich vor allem aus rechtsoffenen bis konservativen Kontexten kenne, namentlich Studentenverbindungen und Burschenschaften. Im Gegensatz zu jenen geht 1 bei den Sippschaften keinen „Lebensbund“ ein und es sind Frauen erlaubt. Höchst progressiv." (Zitat von dem Blog Minzgespinst, wo ein umfangreicher Eintrag zu gewissen Vorwürfen gegenüber Swiss und die Andern zu finden ist).
Generell ist die gesamte Idee eines “Regelwerks” innerhalb einer so anti-autoritären Bewegung wie der Punk-Szene eher fragwürdig.
Dieser Auszug von der Facebook-Gruppe "ZECKENELITE" (gefunden auf @anti_swiss) ist ebenfalls ein gutes Beispiel, wieso einige Punks mit manchen Anhängern von der Band ein Problem haben: Gerade in der Punk-Subkultur von einer "Elite" zu sprechen und von "richtigen" Zecken, die Privilegien genießen und dadurch in gewisser Weise besser sind als andere, stößt selbstverständlich bei einigen Angehörigen der Subkultur unangenehm auf. Für viele ist das Punk-sein eben damit verbunden, dass es keine Eliten gibt, dass man keine Regeln hat und alle gleich sind. Auch die Formulierung die Band "an der Front zu vertreten" schafft ein Bild von Ausgrenzung. Es ist immerhin eine Kriegsmetapher, die hier verwendet wird. Gegen wen richtet sich denn diese Front? Diese sogenannte Zeckenelite wurde natürlich von Fans gegründet und nicht von der Band selbst, dennoch wird so eine "Elitenbildung" offensichtlich gebilligt und unterstützt.
Abschließend zu diesem Kritikpunkt noch die Worte eines weiteren Interviewpartners:
“Dieses Sippschaftsding ist einfach so ein krasses PR-Ding. Die Leute zahlen für deren Merch und die Sippschaftsjacken, Sticker... und machen damit nur die Mitglieder der Sippschaften zu den “wahren Fans”.”
Das führt uns zu unserem nächsten Kritikpunkt: Das Propagieren einer Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Subkultur.
Auch hierzu zunächst einige Zitate von Kritikern:
“Innerhalb der Subkultur des Punks ist durch Swiss quasi noch eine Subkultur entstanden und zwar schweißt das die Fans von Swiss, die in diesen Sippschaften sind, sehr zusammen, wenn sie gemeinsam auf Konzerte oder Festivals gehen. Andererseits geschieht dadurch auch wieder Ausgrenzung von anderen Fans oder Punks, die nicht in diesen Sippschaften sind.”
“Auf vielen Festivals, auf Konzerten, habe ich diese Leute gesehen, die in diesen Kutten rumlaufen. Ich fühl mich dann immer erst an Motorrad-Clubs, wie die Hells Angels oder so erinnert, was ja auch offensichtlich daran angelehnt ist, mit dem Stadtnamen hinten auf der Kutte drauf.”
“Er nutzt die Szene für seine eigenen Zwecke aus und missbraucht sie und damit auch die Leute aus dieser Szene. Sowas tut ein Punk nicht. Ein Punk steht für den Zusammenhalt aller Punks. Auch durch dieses Sippschafts- und Kuttending wird viel mehr Ausgrenzung betrieben als Zusammengehörigkeit geschaffen.”
Der Vergleich mit den Hells Angels ist etwas übertrieben, aber diese Zitate sollen lediglich die persönliche Wahrnehmung widerspiegeln. Ein anderer Vergleich in diesem Zusammenhang war:
“Die Welle 2.0, nur dass die Jacken teurer sind”.
An dieser Stelle ist es mir noch einmal besonders wichtig klarzustellen, was das Ziel dieses Artikels ist: Es soll niemand angegriffen oder verletzt werden. Es soll auch niemandem etwas unterstellt werden, was nicht belegt werden kann. Es geht lediglich darum, ein Phänomen näher zu beleuchten, welches sich in der Punk-Szene seit Auftauchen von Swiss und die Andern immer wieder herauskristallisiert hat, ohne dabei bisher vernünftig in der Öffentlichkeit diskutiert worden zu sein. Um die Meinung der Kritiker möglichst unverfälscht darzustellen, bilde ich in diesem Zusammenhang auch Zitate ab, die nicht unbedingt der Meinung des Magazins entsprechen.
Hintergrund dieser Vorwürfe sind gewisse Passagen im “Leitfaden für Sippschaften”:
“Es gibt immer wieder Freikarten und / oder Gästelistenplätze. Diese werden auf Nachfrage, solange sich das die Vage [sic] hält nach eigenem Ermessen von der Band und Pat vergeben.
Sippschaftszecken kommen bei Konzerten (auf Tour) schon zum Soundcheck rein, können uns beim Soundcheck zusehen und dabei eventuell ein Freibierchen trinken.
Sippschaftsmitglieder erhalten bei Konzerttickets ein Vorbezugsrecht und können schon einige Tage vor allen anderen bestellen. Die Sippschaftler haben auch bei limitiertem Merch ein Vorbezugsrecht.”
Zunächst könnte man denken, dass daran ja nichts Schlimmes ist. Die Fans, die bereit sind, sich zu verpflichten, Werbung für Swiss und die Andern zu machen und auch etwas Geld ausgeben für teuren Merch, werden halt bevorzugt. Aber genau hier liegt das Problem einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Durch die vergebenen Privilegien werden Fans in Anhänger erster und zweiter Güte aufgeteilt. Entweder du gehörst zur Sippschaft oder du bist kein so guter Fan. Das Vermitteln dieses Konzepts wirkt von einer Band, die derart den Zusammenhalt propagiert, fast schon paradox: Es geschieht indirekt genau das, was vorher im Leitfaden mit Bezug auf Marken wie Adidas oder Nike verteufelt wurde.
Auch hierfür passt wieder ein Zitat eines Swiss-Kritikers:
“Außerdem sind viele Leute aus den Sippschaften sehr arrogant und drängeln Leute aus der ersten Reihe weg, wenn sie in keiner Sippschaft sind.”
Das ist selbstverständlich auch wieder eine sehr persönliche Erfahrung, die mit Sicherheit keinesfalls auf alle Sippschaftsmitglieder zutrifft, die aber belegt, dass dieses Sippschafts-Konzept die Gefahr für eben solche Verhaltensweisen mit sich bringt.
Meine Recherche hat zusätzlich ergeben, dass auch Sexismusvorwürfe gegen Swiss vorliegen, auf die ich in diesem Artikel allerdings nicht weiter eingehen möchte, da das den Rahmen sprengen würde und nicht mehr viel mit der Kommerzialisierung zu tun hat - wer sich dazu aber weiter informieren möchte, findet einen etwas drastischeren Text zu Swiss und die Andern auf dem Blog Minzgespinst. Zu den dort getroffenen Angaben habe ich allerdings keine weiterführenden Quellen oder Erläuterungen, also am besten selber nachschauen und differenziert an die Sache herangehen.
Alles in allem kann man sagen, dass die Band Swiss und die Andern die Punk-Kultur in gewisser Weise spaltet. Es gibt die Sippschaftler und die Hater. Neben den beiden Extremen gibt es selbstverständlich auch einfach Leute, die die Musik mögen oder eben nicht mögen, und sich aus der Debatte heraushalten.
Mein Fazit: Es gibt keine eindeutigen Beweise gegen Swiss und die Andern und deshalb sollte man bei den genannten Vorwürfen auf jeden Fall Vorsicht walten lassen. So ganz aus der Luft gegriffen sind sie allerdings auch nicht, wie man bei genauerem Durchforsten der Informationen sehen kann.
Dass es diese Vorwürfe gibt und einige persönliche Erfahrungen belegen, dass die Art und Weise, wie Swiss und die Andern nebst ihrer Fangemeinde in der Öffentlichkeit auftreten, nicht nur auf Befürworter stoßen, könnte ein Anlass dafür sein, eine generelle Debatte darüber zu eröffnen, was im Punk in Bezug auf Kommerzialisierung und Gruppierungen in Ordnung ist und was eventuell nicht mehr ganz den Idealen entspricht, die man glaubt zu teilen.
Wichtig ist vor allem, dass man einander auf Augenhöhe begegnet, niemanden ausschließt und nicht vergisst, dass es die Werte, Ziele und Einstellungen sind, die Menschen zusammenschweißen und nicht die Angehörigkeit einer Sippschaft oder das Tragen einer Kutte.
Dieser Artikel konnte hoffentlich eine andere Sichtweise auf die Thematik eröffnen und soll ein bisschen Sensibilität dafür schaffen, wofür man sein Geld ausgibt, wie Ausgrenzung indirekt in Subkulturen stattfinden kann und wie das für Außenstehende wirken kann. Informiert euch, bevor ihr aus reiner Fan-Liebe einen Haufen Geld ausgebt und überlegt auch, was dahinter stecken könnte.
Nichtsdestotrotz hat die Teilhabe an Sippschaften bestimmt für viele Mitglieder eine tolle Zeit mit schönen Erfahrungen gebracht und diese Tatsache soll hier in keiner Weise herabgewürdigt werden.
Auch, dass Swiss und die Andern politisch nach außen hin für einige vernünftige Sachen einstehen, ist in diesem Zusammenhang nicht angetastet. Und es sei einfach mal dahingestellt, dass die musikalische Mischung von Rap und Punk für viele ein guter Einstieg in die Subkultur ist oder auch einfach die persönliche Vorliebe trifft. Leben und leben lassen ist trotz hitziger Diskussionen über Kommerz und Punk ein wichtiger Grundsatz, den es nicht zu vergessen gilt! Gebt aufeinander Acht und tut, was immer euch glücklich macht, so lange ihr dabei niemanden in Mitleidenschaft zieht!
Meret Stursberg
Momentan studiert Meret Philosophie in Düsseldorf und arbeitet ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe, treibt sich aber ansonsten die ganze Zeit auf Konzerten oder Festivals quer durch Deutschland und in anderen Ländern rum. Sie liebt Reisen und lernt auch im Ausland viele interessante Musiker kennen. Ansonsten spielt sie selber mehr schlecht als recht Bass in einer kleinen Punk-Band. Musikalisch kann sie fast jedem Genre etwas abgewinnen und bezeichnet ihre Playlist auch als Büchse der Pandora, weil zwischen Punk, Indie, Rock, Ska, Metal, Trash und Hip Hop manchmal auch einfach klassische Musik oder Kinderserien-Intros anspringen.