Razz lassen ihren Blick auf "Nocturnal" langsam schweifen
13.09.2017 | Jakob Uhlig
Nicht, dass die Emsländer die jemals nötig gehabt hätten. Der zwischen der samtig-rauen Stimme von Niklas Keiser und der sphärisch unaufdringlichen Instrumentation taumelnde Indierock von Razz stand schließlich bereits auf dem Debütalbum „With Your Hands We’ll Conquer“ als makellose Hochglanz-Platte mit bescheidener, aber bestimmter Geste für sich. Insofern gibt es für das Quartett eigentlich auch keinen Anlass, seinen Sound entschieden zu ändern. Und so beruft sich die Band auf alte Stärken und erweitert diese um kleine Nuancen.
So verlässt „Nocturnal“ sich nicht mehr ausschließlich auf seine schillernden Gitarrenmelodien, sondern verziert seinen galanten Pop-Ornamente auch immer wieder mit funkelnden Synthesizern oder wirft wie in „Another Heart/Another Mind“ atmosphärische Klavierakkorde ein. Letzterer Track erweist sich mit seiner aufkeimenden House-Strömung, entfremdeten Background-Vocals und einem Feature von Giant-Rooks-Frontmann Frederik Rabe als wohl innovativster und spannendster Song der Platte.
Ansonsten verlassen sich Razz aber vor allem auf das, was sich in der Vergangenheit bereits bewährt hatte – vielleicht etwas zu sehr. Songs wie die erste Single „Paralysed“ oder das unaufdringlich agierende „Silver Lining“ klingen nach wie vor wie eine Mischung aus Interpol und durchatmenden Kasabian. Trotzdem wirkt kaum ein Moment auf „Nocturnal“ wirklich zwingend. Der Vorgänger konnte da wesentlich mehr Ausrufezeichen setzen. So bleibt „Nocturnal“ ein sicheres zweites Album, das Razz‘ Platz in der Szene festigen, aber nicht aufs nächste Level heben wird.
Wertung
"Nocturnal" erweist sich als eines von vielen soliden Zweitwerken, dass Fans zufriedenstellen und für mehr Live-Material sorgen wird. Es bleibt spannend, wie Razz die Aufgabe der dritten Platte angehen werden - spätestens dann kann eine Band sich nämlich nicht mehr nur auf Altbewährtem ausruhen.
Wertung
Razz haben mit "Nocturnal" die schon fast logische Fortsetzung von "With Your Hands We'll Conquer" veröffentlicht. Zu wenig Zeit, zu wenig Erfahrung und zu wenig Kreativität sorgen für einen flachen, ganz akzeptablen Tonträger, der mit ähnlichem Stil auftritt. Die Band hat immer noch Potential, aber es wurde bei Weitem nicht ausgeschöpft, stattdessen gibt es zu viel Ähnlichkeit zum ersten Album.
Jakob Uhlig
Jakob kommt aus dem hohen Norden und studiert zur Zeit historische Musikwissenschaft. Bei Album der Woche ist er, neben seiner Tätigkeit als Schreiberling, auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Musikalisch liebt er alles von Wiener Klassik bis Deathcore, seine musikalische Heimat wird aber immer die Rockmusik in all ihren Facetten bleiben.