Swiss & Die Andern – „Randalieren für die Liebe“: Pogo-Rap für wütende Menschen
04.09.2018 | Sarah Ebert
Swiss & Die Andern sind wütend und zwar richtig! Auf ihrem neuen Album machen sie ihrem Ärger Luft und teilen heftig aus: In erster Linie gegen Rechte und Fremdenhass, aber im Grunde gegen das ganze System. Laut und voller Inbrunst distanzieren sie sich vom Mainstream, von der in letzter Zeit allzu oft blinden und tauben Gesellschaft, eindimensionalen Wannabes, kommerzgeilen Pop-Sternchen und wahnhaften Hetzern. Stattdessen solidarisieren sie sich in „Nicht von dieser Welt“ mit all jenen, die gegen den Strom schwimmen und irgendwie anders sind, sich selbst eingeschlossen. Mit dröhnenden und sperrigen Gitarrenwänden, beatgebenden Drums und einem steten Wechsel von Rap-Parts, melodischem Gesang und schnoddrigen Herum-Gefluche verleihen sie ihrem Widerstand musikalischen Ausdruck. Der erste Part der Platte klingt besonders wutgeladen und soll im weiteren Verlauf auch das Zentrum der härteren Töne bleiben. Wie der Soundtrack einer aufgewiegelten Jugend triggern die Songs die wunden Punkte der Adoleszenz. Es werden harte Zeiten, noch härtere Typen und der Prozess der Selbstfindung, irgendwo zwischen Rebellion und Ablehnung, besungen.
„Swiss oder Stirb“ macht deutlich, dass die Hamburger großen Wert auf ihre Anders- und Eigenartigkeit legen und sich und ihre Fangemeinde gern als letzte Bastion der Authentizität sehen. Nach der Voicemail-Ansage von Pit lässt sich die Band probeweise auf die gegenteilige Forderung ein und vertont auf instrumentaler Ebene einen Hit, den auch die 53-jährige Gertrude locker mal beim Bügeln mitsummen kann. Durch die provokanten Lyrics treiben sie den Song mit Ballermann-Appeal allerdings ad absurdum und beweisen mit „Kuhle Typen“ eine gesunde Portion Witz und Selbstironie. „Mensch Junge“ darf ebenfalls schmunzelnd gelauscht werden, bevor Swiss & Die Andern mit „Mehr Sein als Schein“ und „Elbe“ endlich emotional auf Tuchfühlung gehen. Den ruhigeren Nummern fehlt es keinesfalls an Tiefgang und nach dem aggressiven Pogo-Rap schnappt man dankend nach Luft. Das letzte Drittel des Albums bietet dann nichts wirklich Neues mehr. Man findet phasenweise zur anfänglichen Härte zurück, klingt dabei allerdings nicht überraschend anders. Die Band hat mit ihrer eigentümlichen Mischung aus Punk und Rap ihren besonderen Sound gefunden, bleibt innerhalb dessen jedoch berechenbar und klingt gegen Ende des Albums wieder wie zu Beginn. „Hassen oder Lieben“ knüpft nahtlos an „Swiss oder Stirb“ an und hält wutgeladene Zeilen für alle bereit.
Wertung
Swiss & Die Andern lassen sich nicht den Mund verbieten und kritisieren mit scharfen Zungen, was ihnen nicht passt. Laut, unbändig und wütend randalieren sie für die Liebe – bleiben dabei allerdings in ihrem kreativen Schaffen begrenzt. Sowohl musikalisch als auch thematisch hat man das Gefühl, mit diesem Album eher auf der Stelle zu treten. Wogegen die Band ist, wird beim Hören schnell klar, doch wofür es sich zu kämpfen lohnt, bleibt unausgesprochen.
Sarah Ebert
Sarah lebt in Frankfurt und hat ihr Studium der Germanistik, Philosophie und den Erziehungswissenschaften gewidmet. Sie brennt für gute Musik aller Art, lässt sich aber wohl am ehesten zwischen Punk, Rock & Indie verorten.