Sebi von Massendefekt: "Die Kritik an 'Echos' kann ich verstehen!"
02.03.2018 | Moritz Zelkowicz
Album der Woche: Du hast schon öfter darüber geredet, dass der Albumtitel „Pazifik“ für dich für Weite steht. Aber in welcher Hinsicht denn?
Sebi Beyer: Nicht nur Weite, sondern auch Tiefe. Und das spiegelt sich auch in den Songs wieder. Dass man da eben etwas tiefer und weiter gedacht hat und so dann auch schreibt. Das war so der Grundgedanke.
AdW: Gerade die textliche Vielfalt war ja diesmal besonders krass und vor allem sehr überraschend. Gerade „Glanz der Sonne“ ging mir thematisch sehr nah.
Sebi: Witzig eigentlich, denn ich dachte nicht, dass das Thema so rausstechen würde. Gerade weil vielleicht Menschen, die damit nicht so viel zu tun haben das auch gar nicht so wirklich verstehen oder sich da hineinfühlen können.
AdW: Depressionen sind eben wirklich heftig und ein raues Pflaster, von dem die Meisten zu Recht die Finger lassen. Ihr aber nicht. Gabs da eine Geschichte, warum ihr euch an dieses Thema herangewagt habt?
Sebi: Ich persönlich bin zwar nicht von Depressionen getroffen, aber ich habe im Umfeld ein zwei Leute, die wirklich schwer damit zu kämpfen haben und einfach krank sind. Es ist ein schwieriges Thema. Man guckt ja nicht in, sondern vor den Kopf. Die haben einen täglichen Kampf vor und auch mit sich. Daher hab ich so gut es geht irgendwie versucht, das zu erläutern oder den Anderen ein bisschen nahezubringen. Ist einfach keine schöne Sache.
AdW: Habt ihr wirklich unglaublich plastisch dargestellt. Hattet ihr da thematische Ansprüche, also was unbedingt drauf soll?
Sebi: Also das hier musste auf jeden Fall drauf. Dann wollten wir mit „Zwischen Löwen und Lämmern“ ganz klar auch ein politisches Statement setzen. Genau wie in „Maschinenmenschen“. Wir mussten auch mal das Maul aufmachen. Was hier gerade alles nicht so gut läuft in der Welt und eben auch in Deutschland, da kann man eben nicht nur Musik machen und stillschweigen. Und wenn man dann tatsächlich ein paar Leute hat die einem zuhören, und wenn es auch nur wenige sind, dann denken die vielleicht auch noch ein wenig darüber nach was so Sache ist. Naja, das waren so die Songs, bei denen wir gesagt haben: „Die müssen drauf“.
AdW: Mal dreist gefragt, beschissen und voller Nazis und Rechten auf dem Vormarsch war die Welt vor zwei Jahren ja auch schon. Warum also jetzt?
Sebi: Wir haben ja auch auf dem letzten Album schon mit „Neue Helden“ einen ähnlichen Song gemacht. Aber Ende 2013 und Anfang 2014 (Als das Vorgängeralbum „Echos“ produziert wurde, Anmerkung der Redaktion) war das ganze Flüchtlingsthema noch nicht so präsent. Oder diese PEGIDA-Marschiererei nicht so krass und die Wahlen waren auch noch ein bisschen humaner. Für uns war es einfach jetzt an der Zeit. Und auch nicht, weil alle es machen. Wir arbeiten ja schon lang mit „Kein Bock auf Nazis“. Wir haben alles nur eben etwas stiller gemacht. Aber jetzt war es an der Zeit lauter zu werden. Die Problematik war immer schon da, aber nicht so offensichtlich. Es war nicht so fokussiert wie im letzten Jahr. Wir haben auch kein Video dazu gemacht. Wir wollen uns da bei niemandem anbiedern sondern einfach nur sagen, was von unserer Seite gesagt werden musste.
AdW: Video ist ein guter Stichpunkt. Ihr habt mit den Videos zu „Pazifik“ und „Schlechter Optimist“ eine kleine Geschichte erzählt. Aber wie habt ihr die Songs dazu ausgesucht?
Sebi: Wir wollten auf jeden Fall zwei Songs haben. Einen flotteren Song, da war „Schlechter Optimist“ ideal und dann eine etwas ruhigere Nummer, da war „Pazifik“ einfach passend. Und gerade diese poppigere Nummer zeigt nochmal die Vielseitigkeit der Platte. Aber klar passt einfach der Song zu den Bildern und den Schauspielern.
AdW: War das eure Idee oder kam der Einfall von außerhalb?
Sebi: Nene. Das war unsere Idee. Das wollten wir schon immer mal machen. Ich steh auch die Idee. Danko Jones haben das ja mal mit drei Videos gemacht und da eine Story erzählt. Wir haben dann mal mit Iconogaphic angefragt. Der Michi hat ja auch die ganzen FJØRT-Sachen gemacht und die haben einfach krasse Farben, tolle Geschichten. Und da haben wir uns zusammengesetzt ob wir das zusammen machen wollen, haben unsere Ideen vorgetragen, dann über die Umsetzung gebrainstormed und haben dann einfach schnell abgedreht.
AdW: Kommen wir noch zu einer anderen Geschichte, nämlich „In/Die Hölle“. Auf wen ihr da anspielt ist ja kein großes Geheimnis. Aber, geht euch das wirklich so enorm auf den Sack?
Sebi: Gar nicht, überhaupt nicht. Das geht auch in keiner Weise gegen Kraftklub, ich habe schließlich selber alle Platten zu Hause. Wir saßen im Studio und haben den Song, den kompletten Text an einem Tag fertiggemacht. Wir hatten da so viel Spaß und haben Tränen gelacht, auch wegen der Selbstironie die wir reingebracht haben. Wir nehmen uns ja selber auch nicht so ernst.
AdW: Spaß um des Spaßens Willen, ohne böse Hintergedanken. Erfrischend. Im Dezember ist mal wieder Heimspiel angesagt, diesmal in der bisher größten Location. Wie läuft da der Vorverkauf? Ist ein Ende in Sicht oder wird das Ganze dann doch überschaubarer?
Sebi: Die Halle ist ja riesig. Die kriegen wir auch nicht ausverkauft, da glaub ich gar nicht dran. Aber weil das Stahlwerk jetzt schon zweimal ausverkauft war, und gerade beim letzten Mal es einfach schon Monate vorher ausverkauft war, da dachten wir, wir müssen einen Schritt weitergehen. Und die nächste Größe ist dann halt die Mitsubishi-Halle. Und im Zweifelsfall kann man die Halle auch verkleinern, es ist aber auf jeden Fall dafür gesorgt, dass alle die kommen wollen kommen können. An der Anzahl der Karten liegts diesmal nicht. Vorverkauf läuft super, obwohl noch fast ein Jahr Zeit ist. Wenn wir Tausend Karten mehr sind als im Stahlwerk, dann bin ich vollkommen glücklich.
AdW: Ist das der Anspruch für die nächsten Jahre, dass die Hütte mal voll wird?
Sebi: Ja, auf jeden Fall. Es ist immer noch wie am Anfang, dass man sich freut, wenn es Leute gibt die mögen was man macht und je mehr Leute das sind, desto mehr hat man das Gefühl, dass es richtig ist. Ein Dankeschön an uns. Und das freut uns natürlich sehr. Und das Heimspiel macht immer am Meisten Spaß. Ist halt ein Heimspiel. (lacht)
AdW: „Echos“ hat ja seiner Zeit ziemlich vernichtende Kritiken bekommen. Hättet ihr damit gerechnet oder habt ihr das verstanden?
Sebi: Ich konnte das verstehen. Die Alben sind bei uns immer auch Momentaufnahmen, wie man gerade drauf ist. So schreibt man dann auch und so klingt man dann auch. Bei „Pazifik“ hatten wir sehr großen Stress und Zeitdruck und so klingt das Ganze dann etwas rauer, das hört man vielleicht auch. Also ich glaube man hört es, dass es sehr persönlich und vor allem sehr ehrlich ist. Und „Echos“ ist klanglich einfach sehr aufgeräumt und ein bisschen mehr Pop, während „Pazifik“ einfach mehr Rotz und mehr Ursprung ist. Da kann ich verstehen, dass Leuten der Sound nicht gefallen hat. Aber das waren in dem Augenblick einfach wir. Mir gefällt's immer noch gut, aber ich habe auch Verständnis.
AdW: Also kein Nachtrauern, à la: „Hätte man anders machen können oder sollen“?
Sebi: Das schon etwas. Also wenn wir „Echos“ heute nochmal aufnehmen würden, würde es auch definitiv anders klingen. Aber Trauer auf keinen Fall. Das hat so seine Berechtigung. Das war Massendefekt im Jahr 2016. Und das Album muss einfach so klingen.
AdW: Einzufangen wie man gerade drauf ist, ist auch wichtig für die Authentizität.
Sebi: Ganz genau.
AdW: Jetzt kommen wir auch schon langsam zum Schluss und da kommt noch kurz etwas Standardkram. Das Jahr ist noch jung, hast du dennoch schon Top- oder Flop-Alben dieses Jahr?
Sebi: Flops eigentlich so gar nicht, die neue Donots hat mir sehr gefallen und Radio Havanna haben auch eine sehr schöne Platte herausgebracht.
AdW: Steht noch ein Album bevor, auf das du dich freust?
Sebi: Hm, schwierig...
AdW: Euer Album zählt nicht.
Sebi: Also da wüsste ich spontan jetzt nichts, oder ich hab‘s wieder vergessen.
AdW: Noch zur Tour. Teil Eins startet im März und geht dann bis Ende April. Wirds wieder einen zweiten Teil geben und wenn, gibt es dafür schon Termine? Vielleicht auch schon für die Festivalsaison?
Sebi: Also es wird auf jeden Fall einen zweiten Teil geben und bei den Festivals kommen noch zwei drei Knaller, über die wir schweigen müssen. Ansonsten sind ja Rocco del Schlacco und Open Flair dabei und dann kommen da noch drei Knaller.
AdW: Da können wir gespannt sein und werden darüber berichten.
Tourdates
Moritz Zelkowicz
Moritz deckt als Franke den Süden Deutschlands ab. Er versucht beständig Teil der Lügenpresse zu sein, ist aber ansonsten im Marketing tätig. Musikalisch ist er überall dabei, ob Punk, Core oder Rap, erlaubt ist, was gefällt.